Redaktorin Rahel Marti wünscht sich mehr Akzeptanz und mehr Infrastrukturen für das E-Bike.
Das E-Bike hat mehr verdient als den Abstellplatz in der Einfamilienhausgarage und den Hohn einer muskelgläubigen Planungsszene. Eine Verteidigungsrede.
Der Verkauf von E-Bikes klettert rekordhaft in die Höhe. Mehr als 200 000 Stück wurden im vergangenen Jahr abgesetzt, 17 Prozent mehr als 2021. Manchmal fragt man sich allerdings, wo sie eigentlich sind – jedenfalls nicht ausnahmslos auf der Strasse. Zwar sind Elektrovelos laut Statistiken immer öfter und auf längeren Strecken unterwegs, aber man wird den Eindruck nicht ganz los, dass sie vermutlich häufiger gekauft als genutzt werden.
Dass die Menschen sich Elektrovelos anschaffen, liegt wohl weniger an ihrem dringenden Bedürfnis, sie zu fahren, als daran, dass sie sich die Räder leisten können. Bei den Preisen schlackern einem die Ohren, aber sie werden gekauft wie verrückt, auch die extrateuren Hobbyvarianten. Elektrounterstützt pedalen ist «gäbig», spassig und relaxt, man kommt damit richtig vorwärts und überholt auch Muskelfundis mit einem überlegenen Lächeln. Die E-Bike-Stadt als Forschungsgegenstand Als Fortbewegungsmittel wird das E-Bike aber unter seinem Wert gehandelt. Es ist mehr als ein «Nice to have». Es kann erreichen, woran der öffentliche Verkehr und das herkömmliche Stahlross scheitern: die Gewohnheitsmotorisierten von vier auf zwei Räder umsteigen lassen. Denn das Elektrovelo fährt schnell, ist individuell und hat einen Motor. E-Bikes sind Methadon für die Autofraktion.
Das Potenzial von Elektrovelos ist riesig, wird jedoch schlecht genutzt. Auch die ETH hat das erkannt. Im Rahmen des aktuellen Forschungsprojekts ‹E-Bike-City› untersucht eine ganze professorale Combo, wie das E-Bike dem Auto Konkurrenz machen und es mit der Zeit überholen könnte. Es geht um Themen wie die Platzaufteilung auf der Strasse oder die «bedarfsgesteuerte Planung des öffentlichen Verkehrs», wenn E-Biker bei Regen und Kälte umsteigen wollen. Auch die Umweltauswirkungen oder die Zugänglichkeit und Gerechtigkeit der E-Bike-Stadt zählen zu den ETH-Forschungs...
Methadon für die Autofraktion
Das E-Bike hat mehr verdient als den Abstellplatz in der Einfamilienhausgarage und den Hohn einer muskelgläubigen Planungsszene. Eine Verteidigungsrede.
13.06.2023 08:00