Origen schlägt mit ‹Ospizio› einen dauerhaften Theaterturm auf dem Julierpass vor. Warum dieses Konzept nicht schlüssig ist, erläutern acht Argumente entlang des ‹Davos Qualitätssystem für Baukultur›.
Eine nicht zu Ende gedachte Idee
Origen schlägt mit ‹Ospizio› einen dauerhaften Theaterturm auf dem Julierpass vor. Warum dieses Konzept nicht schlüssig ist, erläutern acht Argumente entlang des ‹Davos Qualitätssystem für Baukultur›.
Fotos: Nova Fundaziun Origen, Benjamin Hofer
Das Kulturfestival Origen in der Bündner Gemeinde Surses folgt einem markanten Anspruch: «Origen braucht kein Theaterhaus, keine Kellerbühne, kein Werkstattlabor, keinen Operntempel, kein Tanzhaus. Origen spielt in der Welt. Die Welt ist Bühne, sagt Shakespeare. Origen ist Welttheater», heisst es auf der entsprechenden Website. Dienten zunächst die Burg und eine umgebaute Scheune als Aufführungsorte in Riom, wurden mit der Zeit weitere historische Bauten saniert und zu Bühnen, Werkstätten, Büros und Probesälen umfunktioniert oder als Hotels und Gasthäuser wiederbelebt. Wer durch die Bergdörfer Riom und Mulegns geht, nimmt einen sorgfältigen Umgang mit Ortsbild und Kulturerbe wahr.
Den vorläufigen Kulminationspunkt, räumlich wie auch inszenatorisch, bildete der Rote Turm auf dem Julierpass, der als Spielstätte für sechs Jahre eine temporäre Baubewilligung erhalten hatte. Kurz vor seinem Abbruch im September 2023 präsentierte Origen-Gründer Giovanni Netzer einen neuen Entwurf. Wieder ein Turm. Wieder auf dem Julierpass. Jedoch als beständiger Neubau.
So begeisternd die Idee, so gross das Dilemma. Denn Bauen auf dem Julierpass heisst nach Schweizer Raumplanungsgesetz «Bauen ausserhalb der Bauzone». Neubauten auf dem Pass werden nur bewilligt, wenn ihr Zweck einen Standort ausserhalb der Bauzone erfordert. Diesen Zweck erfüllt ein Theater in einem neu gebauten Turm nicht. Das weiss auch Giovanni Netzer. Der Projektname ‹Ospizio› ist deshalb Programm: Er soll den Standort auf dem Pass historisch legitimieren. Zwölf Zimmer und einen Speisesaal bietet Netzers Hospiz – neben dem eigentlichen Zweck, dem Kultursaal mit 200 Plätzen.
Netzer sucht damit die Diskussion. Also betrachten wir seine Projektskizze entlang der acht Qualitätskriterien gemäss ‹Davos Qualitätssystem für Baukultur›.
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