An Bord des ‹Rhystärn› ging es auf eine Reise in Basels Zukunft. Fotos: Derek Li Wan Po
In Zusammenarbeit mit dem Kanton Basel-Stadt

Im schwimmenden Zukunftslabor

Europäisch, polyzentrisch, vernetzt: So stellten sich die Teilnehmenden des zweiten der drei Basler ‹Dialogtage 2023› ihre künftige Stadt vor. Protokoll einer langen Flussfahrt.

«Daas isch my Stadt, my Basel am Gnei vom wilde Rhy; es kennt e bitzli greesser, doch s kennt nit lieber sy»: Die Worte des Basler Dichters Theobald Baerwart im Foyer des ‹Rhystärn› waren ein passender Morgengruss zum zweiten Basler «Dialogtag» in diesem Jahr. 140 Leute gingen an der Schifflände an Bord des Flussschiffs, um bei der Fahrt um ebendieses Rheinknie über das Zusammenleben und -arbeiten im grenzüberschreitenden Metropolitanraum Basel zu diskutieren. Dass gut die Hälfte der Anwesenden auffällig jung war, lag zum einen an einer Gymnasialklasse im Publikum, zum anderen an den Mitgliedern der Jugendparlamente aus dem Grossraum Basel. Zweitere spielen bei den diesjährigen Dialogtagen eine aktive Rolle. Zahlreich erschienen waren auch Fachpersonen aus Ämtern und Planungsbüros sowie Vertreterinnen von Interessengruppen. Interessierte Laien traf man, wie schon beim ersten Dialogtag, nur vereinzelt an.

 

Die Jugendparlamente Basel-Stadt, Basel-Land und Lörrach diskutieren an den Dialogtagen mit.

 

Kantonsbaumeister Beat Aeberhard erklärte gleich zu Beginn, warum eine taugliche Zukunftsvision für Basel nicht an der Stadtgrenze aufhören kann: Um die aktuellen Herausforderungen in der Stadtentwicklung zu meistern, sei die Kernstadt auf das Umland angewiesen. «Man könnte auch sagen: Basels Zukunft liegt im Dreiland.» Dorthin ging die Fahrt denn auch. Nach drei Stunden legte der ‹Rhystärn› am Dreiländereck an, wo man zwischen Hafeninfrastruktur und künstlichem Sandstrand fast schon Nordseeluft zu schnuppern meinte. Vielleicht war es der Geruch der weiten Welt, der die Geister der Teilnehmenden für die Workshops am Nachmittag öffnete. Doch dazu später.

 

Rollende Augen und offene Ohren

Am Vormittag zogen die Roche-Türme, das Kraftwerk Birsfelden und der Novartis-Campus vor den regennassen Schiffsfenstern vorbei, während die Genfer Kantonsplanerin Ariane Widmer Pham über ihre Erfahrungen bei der Planung im grenzüberschreitenden Metropolitanraum berichtete. Die ökologische Wende, Klimaanpassung, Bevölkerungszuwachs und Innenverdichtung seien Herausforderungen, die Genf genauso beschäftigten wie Basel und andere Metropolen. «Der grenzüberschreitende Kontext macht das Ganze aber etwas knackiger.» Ungleichgewichte zwischen der Schweiz und Frankreich würden die Komplexität in der Planung erhöhen und führten auch zu politischen Spannungen – etwa, wenn der wirtschaftliche Sog von Genf die Wohnungsmieten in der französischen Agglomeration in die Höhe treibe.

 

Als grenzüberschreitende Metropolitanräume stünden Genf und Basel vor ähnlichen Herausforderungen, erklärte Kantonsbaumeisterin Ariane Widmer Pham.

 

Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, seien Strategien wichtig. Gehe es um die tatsächliche Lösungsfindung, laute das Ziel aber: «Weg von der Theorie, hin zum gestalteten Raum und zu den Leuten, die dort leben und arbeiten.» Wie das funktionieren kann, zeigte die Kantonsplanerin anhand einer grossflächigen Testplanung mit partizipativen Elementen auf.

Der Sprung in die Lebensrealität zumindest einiger Bewohnerinnen und Bewohner des Basler Metropolitanraums folgte unmittelbar. In der Diskussion zwischen Mitgliedern der Jugendparlamente von Basel-Stadt, Basel-Landschaft und Lörrach erfuhr man, dass junge Menschen aus dem Umland auf der Suche nach «Grossstadtfeeling» gerne und oft nach Basel fahren. Die Schweizer Preise für öV, Kaffee oder Kino schmerzen allerdings diejenigen von ennet der Grenze. Umgekehrt interessieren sich die diejenigen aus der Stadt wenig für das Umland – was sie im Gespräch teils kritisch hinterfragten.

 

Ariane Widmer Pham und Beat Aeberhard hatten Gehör für die Anliegen der Jungen.

 

So wünschte ein Diskutant sich das zukünftige Basel als polyzentrischen Metropolitanraum, in dem man zwischen Lörrach und Saint-Louis ebenso selbstverständlich hin- und hergeht, wie zwischen den Stadtquartieren. Dazu, da war sich die Runde einig, bräuchte es nebst Attraktoren ausserhalb des Stadtzentrums aber bessere öV-Verbindungen und Velowege sowie mehr planerische Aufmerksamkeit für die vielerorts unwirtlichen Grenzräume.

Die klaren Forderungen der Jungen lösten beim älteren Publikum vereinzeltes Augenrollen und Kritik aus, stiessen aber auch auf viele offene Ohren. Einige zentrale Diskussionspunkte für die Workshops am Nachmittag lagen damit jedenfalls auf dem Tisch

 

Starr im Stuhlkreis und lustvoll mit Lego

Der begrenzte Raum des Schiffs und die Warteschlange am Buffet erwiesen sich für den informellen Austausch über Mittag als Segen. Mit vollen Mägen und Köpfen ging es gut gelaunt ans Nachmittagsprogramm, das ohne die Gymnasialklasse, dafür mit der Verstärkung einiger hinzugekommener Planerinnen und Behördenvertreter stattfand. Zur Einstimmung erklärte Lukas Ott, Leiter Kantons- und Stadtentwicklung, wie die grenzübergreifende Zusammenarbeit im Metropolitanraum Basel funktioniert und weshalb sie für das Gelingen einer guten Entwicklung essenziell sei. Dann teilte sich die Menge für 90 Minuten in fünf Workshops auf.

 

In der Mittagspause war Zeit für informelle Gespräche.

 

Je nach Gruppe arbeitete man im Foyer stehend oder im Stuhlkreis sitzend, an Post-it-Wänden oder mit Legosteinen. Und schnell zeigte sich: Im Stehen diskutiert es sich lebhafter als im Sitzen, und zeitweises Arbeiten in Kleingruppen generiert mehr Output als reine Gruppendiskussionen. Am produktivsten und dabei am besten gelaunt schienen die beiden Gruppen, die ihre Thesen zur zukünftigen Stadt anhand von Bauklötzen beziehungsweise in Rollenspielen entwickelten. Im Spiel fanden die Gruppen unmittelbar zum lustvollen Gestalten.

Einzelne Teilnehmende nutzten die kurze Pause nach den Workshops, um am Dreiländereck von Bord zu gehen. Die meisten aber blieben auf der einstündigen Rückfahrt zur Schifflände dabei und – trotz fortgeschrittener Uhrzeit – konzentriert bei der Sache. Schliesslich stand mit der Konklusionsrunde noch ein zentraler Programmpunkt an.

 

Produktiv und spassig zugleich: Städtebau am Legotisch.

 

Die Konklusionen aus den Workshops brachten immerhin eine gute Handvoll konkreter Ideen hervor: Eine Gruppe stellte fest, dass ein polyzentrischer Metropolitanraum zwar wünschenswert sei, die unterschiedlichen Qualitäten der einzelnen Gemeinden aber nicht verloren gehen dürften. Man müsse an den «Bruchstellen» arbeiten und die Gebiete miteinander vernetzen – etwa mit einer Veloroute rund um die Stadt. Auch eine andere Gruppe stellte den Fokus auf das heutige Stadtzentrum infrage. Sie schlug vor, die verschiedenen Subzentren stärker untereinander zu vernetzen, statt jedes einzelne mit der Innenstadt. Dies könne beispielsweise mit neuen Tramlinien gelingen. Ebenfalls unter dem Stichwort «Vernetzung» plädierte eine dritte Gruppe für durchlässige Aussenräume in der dichten Zukunftsstadt. Zu den utopischeren Ideen gehörten handyfreie Gebiete, «Anonymitätshäuser» als Rückzugsorte und ein noch zu erfindender «Super-öV».

Das Thema der Vernetzung sei auch für sie zentral, subsumierten die Mitglieder der Jungendparlamente, die zum Schluss nochmals das Wort erhielten. «Wir sehen Basel 2050 als europäische Stadt. Der trinationale Raum muss Alltag werden.» Oder eben, wie Theobald Baerwart es vor hundert Jahren formulierte: «Es kennt e bitzli greesser sy.»

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