Frühe Verwendung eines Begriffs: Beitrag von Daniel Blumer im Buch «Wir sind die Stadt. Das Beispiel Werkstadt Basel.»
In Zusammenarbeit mit dem Kanton Basel-Stadt

Die Mutter der Partizipation

Bereits in den 1990er-Jahren gewährte die ‹Werkstadt Basel› eine grosse Mitwirkung. Mit bleibenden Erfolgen.

Laut Fachleuten hat es in der Schweiz weder davor noch danach ein grösseres Mitwirkungsprojekt gegeben. Trotzdem scheint die ‹Werkstadt Basel› in Vergessenheit geraten zu sein. Dabei hatte sie es in sich. In der ökonomischen Krise und Stadtflucht der 1990er-Jahre bangte Basel um das Steuersubstrat. Eine ideenreiche Stadtentwicklung sollte Gegensteuer geben, und so organisierte der Kanton mit der ‹Werkstadt Basel› eine riesige Zukunftswerkstatt. In 38 sogenannten Quartier- und Gemeinde-Innovationswerkstätten dachten sich gut 1000 Einwohnerinnen und Einwohner Ideen aus. Anschliessend wurden die Ideen gemeinsam mit der Verwaltung in 25 Konsens-Konferenzen zu Massnahmen-Paketen gebündelt. Diese mündeten in das 1999 vom Regierungsrat beschlossene ‹Aktionsprogramm Stadtentwicklung›.

Der Blick zurück zeigt Verblüffendes: Die Fragen, die damals beschäftigten, sind auch heute noch aktuell. «Wohnen, Bauen und Erhalten», «Stadtgerechter Verkehr» oder «Kanton Nordwestschweiz» lauteten die Titel der Debatten. Mit Themen wie «Bildungschancen für alle» oder «Verantwortung durch Mitsprache – Ausländerinnen und Ausländer in Basel» reichten die Diskussionen aber weit über das Bauliche hinaus. Der Sozialgeograf Daniel Blumer bezeichnete die ‹Werkstadt Basel› in seiner damaligen Lizenziatsarbeit deshalb als Versuch, die Stadt anhand von sozialen Fragen neu zu betrachten und städtebauliche Eingriffe aus sozialen Themen abzuleiten.

Was an der ‹Werkstadt› besonders beeindruckt: Auf die vielen Worte folgten Taten. So gab eine Konsens-Konferenz den Anstoss zum ‹Impulsprojekt Rhein›, im Zuge dessen sich die Stadt dem Fluss widmete. Der Badestrand auf Kleinbasler Seite im Wettstein-Quartier etwa stammt direkt aus der Werkstadt. Die Wohnfrage brannte damals genauso wie heute, nur unter anderen Vorzeichen: Als Mangelware galt nicht der bezahlbare, sondern der gehobene Wohnraum. Das Impulsprojekt ‹5000 Wohnungen für Basel-Stadt› suchte den Platz dafür unter anderem auf frei gewordenen Industrie- und Bahnarealen wie der Erlenmatt, die heute überbaut ist – allerdings wurden dort Korrekturen nötig, weil mit der Zeit wieder der preisgünstige Wohnraum zu fehlen begann. Das dritte Impulsprojekt ‹Rahmenkredit Wohnumfeldaufwertung› forderte jährlich fünf Millionen Franken während fünf Jahren für die Gestaltung von wohnlichen Strassen und angenehmen Freiräumen. Die Tatsache, dass es die Volksabstimmung überstand, galt als Beleg für den Erfolg der ‹Werkstadt›.

Bei allem Enthusiasmus traten auch Defizite zutage. So stellte Daniel Blumer fest, es hätte sich vor allem der gebildete Mittelstand engagiert, während junge Erwachsene sowie Ausländerinnen und Ausländer schlecht vertreten gewesen seien. Der in den Innovationswerkstätten noch hohe Frauenanteil sei später in den Konsens-Konferenzen auf 21 Prozent gesunken. Zudem habe man zwar in das neuartige Kommunikationsmittel Internet investiert, dieses habe jedoch grösstenteils am bestehenden Bedürfnis vorbeigezielt. Der Unmut in der Bevölkerung gegen Ende des Mitwirkungsformats zeige, so Blumer, dass die Verwaltung nicht mehr als Garantin für eine zielgenaue Umsetzung wahrgenommen werde. «Bei künftigen partizipativen Verfahren sind deshalb eine aufwendigere, regelmässigere Öffentlichkeitsarbeit und eine verfahrensspezifische Medienwahl unerlässlich. Nur so ist die Akzeptanz der Resultate, ist auch die Anerkennung der behördlichen Umsetzung gewährleistet.» Architekt Jacques Herzog erklärte: «Die ‹Werkstadt› hat uns gezeigt, wie die Menschen, die hier leben, einbezogen werden können. Das ist bei jeder Planung nötig und sinnvoll. Über die Köpfe der Betroffenen hinweg geht heute nichts mehr.» Das war 2001.
 

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