Das Haus zu Ende denken

Bis zur letzten Trennwand planen Herzog & de Meuron das Bürogebäude Hortus nachhaltig durch, damit bei einem Wechsel der Mieterschaft der Ausbau bestehen bleibt. Nur ihre Möbel bringt diese dereinst selbst mit.

Fotos: Herzog & de Meuron
In Zusammenarbeit mit Senn

Bis zur letzten Trennwand planen Herzog & de Meuron das Bürogebäude Hortus nachhaltig durch, damit bei einem Wechsel der Mieterschaft der Ausbau bestehen bleibt. Nur ihre Möbel bringt diese dereinst selbst mit.

Keine abgehängten Decken, keine Corporate Identity dafür Einfachheit, Konsequenz und geteilte Räume: In Allschwil planen Senn mit Herzog & de Meuron und ZPF Ingenieuren das Bürogebäude Hortus. Von der Konstruktion bis zum Innenausbau ist das Projekt der Minimierung der Erstellungsenergie verpflichtet. Das ungewöhnliche Vermietungskonzept lässt keinen Raum für den verschwenderischen Eigenausbau der Mietparteien.

 

In den offenen Bereichen im Erdgeschoss prägt die Konstruktion den Raumeindruck.

Fixfertiger Ausbau statt Rohbau
Die Entwicklerin Senn vermietet ihre Bürogebäude meist im Rohbau. Doch gerade Start-Ups seien oft erstaunt, wie viel Zeit und Geld sie investieren müssten, um daraus ein nutzbares Büro zu machen, erzählt Johannes Eisenhut, Geschäftsführer von Senn Development. Senn bietet den Mietern im Hortus deshalb einen fertigen Ausbau, den Herzog & de Meuron geplant haben. Von den Arbeitsräumen bis zur Kaffeemaschine im Gemeinschaftsraum steht beim Einzug alles bereit. Nur ihre Möbel bringen die Mietinnen mit. Die Bürofläche ist reduziert, die geteilten Räume umso vielfältiger. Pro Quadratmeter werden die Mieter zwar mehr bezahlen, brauchen aber weniger Fläche und sparen am Ausbau.

 

Die zentrale Bar öffnet sich zum Hortus in der Gebäudemitte.

Die Mieterinnen teilen sich im Erdgeschoss selten genutzte Flächen: Grosse Sitzungszimmer, ein Präsentationsraum und die Cafeteria, deren Bar auch den Empfang ersetzt. Polyvalent sollen sie alle sein. Nach dem Mittagessen kann die Angestellte den Vorhang der Diner-Koje zuziehen und ungestört weiterarbeiten. In den Obergeschossen ergänzen Pausenbereiche und weitere Sitzungszimmer die individuellen Büroflächen. Toiletten und Serviceräume finden sich dort, wo das Tageslicht knapp wird. Trotz der geteilten Flächen ist der Hortus kein genossenschaftliches Büro, sondern einfach eine effiziente Nutzung des Raums.

 

Alle Mieter profitieren von den geteilten Räumen, die sich im Erdgeschoss um den Hortus gruppieren.

 

Die Kerne gliedern die vermietete Bürofläche, ergänzt durch Gemeinschaftsräume mit Blick auf den Innenhof.

In kleinen Schritten Emissionen verringern
Die grossen Entscheidungen für ein klimagerechtes Projekt fallen meist ganz zu Beginn. Trotzdem findet Johannes Eisenhut: «Wenn wir das Haus nicht konsequent zu Ende denken, verraten wir unsere Idee.» Geleitet von der starken Konstruktion, braucht es für den Innenausbau nur wenige Elemente. Die Grenzen zwischen Konstruktion und Ausbau verschwimmen, die Statik diktiert die Raumgrössen. Den Fokus legen Herzog & de Meuron auf das System von Trennwänden. Sie suchen Alternativen zu den Metallständerwänden mit Gipskarton-Beplankung. Gerade zeichnen die Architektinnen Varianten für die Materialisierung und überprüfen jede akribisch auf ihre CO2-Bilanz.
 
Allen Varianten eigen ist die Holzständerkonstruktion, die an die Buchenstützen anschliesst. Ob die Konstruktion einst mit Hanf, Jute, Holzfaser oder Zellulose ausgedämmt wird, werden die Untersuchungen zeigen. Auch für die Verkleidung testen die Architekten eine Vielzahl von Möglichkeiten: Lehm-, Hanf- oder Baumwollputz und eine Korkverkleidung. Die Beplankung der Wände könnte, genauso wie der Bodenbelag, aus wiederverwendetem Material gebaut werden. Kerstin Müller von Zirkular hilft dabei, die passenden Bauteile aufzuspüren. Um die Bauteiljägerinnen auf der Suche zu leiten, haben die Architekten Kriterien für die Materialien definiert. Zirkular schicken Bilder sowie Grössen- und Mengenangaben der Materialien, die sie gefunden haben, damit Herzog & de Meuron diese direkt in die Planung einbeziehen können.

 

Untersuchungen zur Trennwandkonstruktion

Als Alternative zu den klassischen Gipsständerwänden entwickeln die Architektinnen verschiedene Wandsysteme.

Akustik und Brandschutz erfordern Kompromisse
Zur neuen Mietform gehört auch eine neue Geschichte. An eine Wohnung denkt Eisenhut dabei. Wir alle wohnen nicht zwischen Stützen und einer Fassade, sondern mieten auch Küche, Heizung und Bodenbelag mit. Das soll nun auch im Büro selbstverständlich werden. Die Einfachheit des Innenausbaus hat einen grossen Vorteil im Unterhalt: Was nicht da ist, muss beim Wechsel der Mietpartei nicht erneuert werden. Gerade testen die Architekten, wie sie die Wände bei einem Umbau am besten verschieben können. Steht die Wand direkt auf dem Bodenbelag, hinterlässt sie beim Umbau kaum Spuren, erfüllt dafür die Anforderungen an die Akustik weniger gut. «Dort wo wir Kompromisse in der CO2-Bilanz machen müssen, liegt das meist an den gesetzlich vorgegebenen hohen Anforderungen an die Akustik oder den Brandschutz» meint Stefan Marbach, Senior Partner bei Herzog & de Meuron.

Der Hortus soll Firmen aus dem Bereich ICT, digital Health und Engineering anziehen. Doch wo hat im vorgegebenen Innenausbau ihre Firmenidentität Platz? «Die Möblierung bietet viel Gestaltungsspielraum, der Ausbau wird zur reduzierten Projektionsfläche», erklärt Eisenhut. «Die Mieterinnen können immer noch ihre Eames-Schüsseln bringen, von denen ihre Mitarbeiter Rückenschmerzen bekommen.» Die über drei Meter hohen Räume liessen vieles an Gestaltung abseits der klassischen Corporate Identity zu. Von Open Office bis zu Einzelbüros macht das von Ausbausystem alles möglich. Und es punktet mit einem Raumklima, bei dessen Entwicklung Fachplanerinnen, Architekten und sogar Ärztinnen gemeinsam am Tisch sassen. Sie debattierten über Komforttemperatur, hygienische Oberflächen und Fensterlüftung. So reduzierten sie die Haustechnik ist auf ein Minimum. Das vermeidet auch Durchstösse und macht den Innenausbau einfacher. Die Kühl- und Heizbalken, die zwischen den Holzträgern hängen, regulieren das Raumklima.

 

Das zurückhaltende Ausbausystem lässt auch ohne Eigenausbau viel Raum für Aneignung.

Bis zur letzten Trennwand
Wer sich im Hortus einmietet, kauft auch ein Stück Nachhaltigkeit, sei es aus Überzeugung oder fürs gute Firmengewissen. Doch von einem «Öko-Touch» will Stefan Marbach nichts wissen. Die radikal nachhaltige Konstruktion und die schlüssige Raumstruktur stehe im Vordergrund, erst danach gehe es um wiederverwendete Materialien und Holzoberflächen.

Der Ausbau ist definiert durch die Funktion und die Nachhaltigkeitsziele, nicht nur durch die Gestaltung selbst. Dadurch sei er teilweise der Geschmacksdiskussion enthoben, meint Johannes Eisenhut. «Wenn Menschen etwas als beliebig empfinden, gefällt es ihnen nicht und sie wollen es beeinflussen». Der Hortus ist ein Versuch, aus den Nachhaltigkeitszielen nicht nur ein rechnerisch, sondern auch gestalterisch schlüssiges Bild zu schaffen. Bis hin zur letzten Trennwand.

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