In Wien ist Beteiligung Pflicht bei Hochhäusern, Wohnbauprojekten ab 300 Einheiten oder Bauvorhaben in der Kernzone des Weltkulturerbes. Foto: Jacek Dylag Unsplash
In Zusammenarbeit mit dem Kanton Basel-Stadt

Mitreden in Wien, Berlin und München

Diskussionsformate zu Städtebau und Stadtentwicklung gibt es auch anderswo. Drei kurze Blicke nach Wien, Berlin und München, die ihr Angebot ständig weiterentwickeln.

 

Masterplan partizipative Stadtentwicklung Wien

«Beteiligung ist für die Stadtplanung ein wesentliches Mittel zur Vorbereitung von guten Entscheidungen», schreibt die Stadt Wien. Seit 2016 gilt in Österreichs Hauptstadt deshalb der ‹Masterplan partizipative Stadtentwicklung›. Das Prinzip ist simpel: Wer ein grösseres Bauvorhaben plant, muss der Anwohnerschaft und den betroffenen Interessengruppen frühzeitig die informelle Beteiligung ermöglichen. Unter diese Regelung fallen beispielsweise Hochhäuser, Wohnbauprojekte ab 300 Einheiten oder Bauvorhaben in der Kernzone des Weltkulturerbes. Der Masterplan erklärt den Ablauf von städtebaulichen Entwicklungen für Laien verständlich, gibt methodische Standards für die Beteiligung vor und erläutert deren Umsetzung im Detail. Welche Bauprojekte anstehen und wer sich wie beteiligen kann, steht auf der Website der Stadt.

Der Masterplan soll in erster Linie die Kommunikation zwischen Bevölkerung, öffentlicher Hand, Politik und Bauträgerschaften verbessern sowie «für alle interessierten Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner die Entwicklung städtebaulicher Vorhaben nachvollziehbar machen». Ob und wie die Beteiligungsergebnisse in die Projekte einfliessen, bleibt hingegen offen.


 

Stadtforum Berlin

Die deutsche Hauptstadt leistete in den 1990er-Jahren in Sachen kommunikative Stadtentwicklung Pionierarbeit – notgedrungen. Um sich nach der Wiedervereinigung rasch auf gemeinsame Planungsgrundsätze für Ost- und Westberlin einigen zu können, gründete die Stadt ein öffentliches Forum. Anfangs traf sich das Stadtforum Berlin alle zwei Wochen und zählte 60 feste Mitglieder, die unterschiedliche Fachrichtungen und Interessengruppen vertraten. Entschieden wurde in den öffentlichen Sitzungen nichts, vielmehr formulierte das Stadtforum Empfehlungen zuhanden der Behörden. Die Idee machte in anderen Städten Schule – in Zürich etwa diskutierte in den Jahren 1996 und 1997 ein Stadtforum über die Zukunft der Quartiere Aussersihl, Industriequartier und Altstetten.

Mit den Jahren wandelte sich das Format. Gegenwärtig findet es noch ein- bis zweimal jährlich in Form einer Abendveranstaltung statt. Anstelle der festen Mitglieder diskutieren geladene Expertinnen aus Praxis und Politik. Konstanter als das Format ist die Themenpalette mit Verkehr, Wohnen und Umwelt als Dauerbrenner. Doch auch zu «Stadtjugend. Freiheitsraum oder Frustraum?» (1997), «10 Jahre Stadtforum, Öffentliche Politikberatung, Stadtdialog oder Therapie für Bürger?» (2001) und «mitmischen (im)possible? – Die Konstituierung der Stadtgesellschaft» (2006) debattierte das Stadtforum schon. Die jüngste Veranstaltung im November 2023 widmete sich dem Thema Wasser.

 

Perspektive München

«Stadt im Gleichgewicht» ist das Motto des Stadtentwicklungskonzepts ‹Perspektive München›, das seit 1998 existiert. Im Gleichgewicht halten will München, kurz gesagt, die Nachhaltigkeitsaspekte Ökologie, Ökonomie und Soziales. Dass die Bevölkerung sich an diesem Balanceakt beteiligt, ist ein Grundprinzip der ‹Perspektive München›.

Zwischen 2019 und 2022 fand ein umfassender Fortschreibungsprozess für das Konzept und den darin enthaltenen Stadtentwicklungsplan statt. Dabei experimentierte die Stadt mit einer beachtlichen Palette an partizipativen Formaten: Zunächst erarbeiteten je 100 Münchnerinnen und Münchner in zwei «Perspektiven-Werkstätten» Zukunftsbilder ihrer Stadt. Je 80 Personen wurden anhand des Einwohnermelderegisters zufällig für die Workshops ausgewählt, weitere 20 konnten sich anmelden. Im zweiten Schritt vertieften 30 nach unterschiedlichen Kriterien ausgewählte Personen aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft und dem öffentlichen Sektor die Zukunftsbilder in einem «Social Lab». Die Ergebnisse ihrer fünf Treffen stellten sie in einem Online-Dialog öffentlich zur Debatte. Ein Fachbeirat, bestehend aus 50 Personen, schmiedete die konsolidierten Entwürfe schliesslich zu Handlungsempfehlungen. Wie viel Zivilgesellschaft nun tatsächlich in der neuen ‹Perspektive München› steckt, lässt sich nicht messen – doch allein die Bemühungen um breite Mitsprache machen München zu einem Vorbild in Sachen Partizipation.

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