Stadtstruktur und Verkehrsmittelwahl

Der «Städtevergleich Mobilität» vergleicht das Verkehrsverhalten der Bevölkerung der sechs grössten Deutschschweizer Städte. Das Auto verliert an Bedeutung, Fuss- und Veloverkehr werden wichtiger.

Fotos: Patrick Federi, Unsplash
In Zusammenarbeit mit EnergieSchweiz

Der «Städtevergleich Mobilität» vergleicht das Verkehrsverhalten der Bevölkerung der sechs grössten Deutschschweizer Städte. Das Auto verliert an Bedeutung, Fuss- und Veloverkehr werden wichtiger.

Im November publizierten die sechs grössten Deutschschweizer Städte Basel, Bern, Luzern, St. Gallen, Winterthur und Zürich nach 2010 und 2015 zum dritten Mal einen gemeinsamen Bericht zur Mobilität der Bevölkerung. Im «Städtevergleich Mobilität 2021» hallen die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie nach. Dies schlug sich in einem generellen Rückgang der Mobilität nieder, insbesondere bei der ÖV-Nutzung.

Die sechs grössten Deutschschweizer Städte veröffentlichten zum dritten Mal einen gemeinsamen Bericht zur Mobilität ihrer Bevölkerung.

Für längere Strecken das Auto oder der Zug
Auf kürzeren Wegen wird der Fuss- und Veloverkehr zwar wichtiger, aber beim Modalsplit unterscheidet sich derjenige der Binnenpendlerinnen in allen sechs Städten von demjenigen der zu- und wegpendelnden Personen. So fahren in die Wirtschaftszentren Basel, Bern und Zürich rund ein Drittel der Erwerbstätigen mit dem Auto und rund zwei Drittel wählen den Öffentlichen Verkehr. Anders in den kleineren Städten: Im Untersuchungszeitraum 2019 bis 2021 waren es gut die Hälfte der Personen, die nach Luzern, St. Gallen oder Winterthur das Auto als primäres Verkehrsmittel nutzten.

Anteil der Verkehrsmittel an den durch die Stadtbevölkerung zurückgelegten Wegen (nur Wege im Inland).

Die Grösse der Städte beeinflusst auch den Anteil der Fuss- und Velopendler. So pendeln in Basel 13 Prozent der Erwerbstätigen von ausserhalb zu Fuss oder mit dem Fahrrad in die Stadt, nach Luzern gelangt nur gut jede zehnte Person mit eigener Muskelkraft. In der flächenmässig grössten Schweizer Stadt Zürich kommt der auswärtige Pendelverkehr zu Fuss oder mit dem Velo auf nur zwei Prozent.

Kurze Strecken per Velo und zu Fuss
Ganz anders gestaltet sich die Verkehrsmittelwahl bei den Binnenpendelnden. In den Ballungszentren beträgt der innerstädtische Autoanteil nur 9 bis 10 Prozent, während in kleineren Städten die Autonutzung zwei- bis viermal höher ist. Der Fuss- und Veloverkehr hat zwischen 2019 und 2021 gegenüber dem ersten Untersuchungszeitraum 2013 bis 2015 in allen Städten deutlich zugenommen. Im Durchschnitt um 6,8 Prozent. Spitzenreiter ist die flächenmässig kleinste Stadt Basel. Dort radelt mehr als die Hälfte der in der Stadt wohnenden und arbeitenden Bevölkerung zur Arbeit. Schlusslicht ist die Stadt Zürich mit einem Anteil von rund 30 Prozent Velopendlerinnen und -pendlern. Mit sechs von zehn Personen, die per Bus, Tram oder Zug zur Arbeit gelangen, ist Zürich aber die ungeschlagene ÖV-Hochburg unter den Städten.

Anteil der Verkehrsmittel auf Arbeitswegen von zupendelnden Erwerbstätigen.

Anteil der Verkehrsmittel auf Arbeitswegen von binnenpendelnden erwerbstätigen.

Längere Strecken mit dem Auto, trotz weniger Autobesitz
Dennoch stellen sich bei der Lektüre Fragen. Mehr als die Hälfte der Haushalte in der Stadt Zürich besitzt kein Auto, der Motorisierungsgrad in der Stadt sinkt. Trotzdem ist die Strecke (mittlere Tagesdistanz), die per motorisiertem Individualverkehr (MIV) zurückgelegt wird, höher als die mittleren Distanzen aller anderen Verkehrsträger. Auf Anfrage erklärt das federführende Tiefbauamt, dass der Mikrozensus (die Verkehrszählung) «aufgrund der Stichprobengrössen pro Stadt keine beliebig vertieften Analysen zulässt». Je kleiner die betrachtete Untergruppe an Personen und Wegen pro Verkehrsmittel sei, desto grösser werde die statistische Unsicherheit der Ergebnisse. Die im «Städtevergleich Mobilität» dargestellten Daten zeigen die durchschnittlichen Tagesdistanzen der Stadtbevölkerungen pro Verkehrsmittelgruppe. «Autos werden häufig für kurze, teilweise aber auch für sehr lange Wege im zwei- bis dreistelligen Kilometerbereich genutzt. Diese langen Wege ziehen die durchschnittliche MIV-Tagesdistanz in die Höhe», lautet die Schlussfolgerung des Tiefbauamts.

Im Betrachtungszeitraum nahm der Motorisierungsgrad in allen Städten tendenziell ab. Während im Gesamtschweizerschnitt 2021 nur zwei von zehn Haushalten (20 Prozent) kein Auto besassen, verfügten in St. Gallen und in Winterthur rund ein Drittel aller Haushalte über kein eigenes Auto. In Basel, Bern und Zürich stand in der Hälfte der Haushalte kein Auto bereit.

Motorisierungsgrad: Anzahl der immatrikulierten Personenwagen pro 1000 Einwohner/innen.

Mehr Veloförderung? Im Prinzip Ja!
Beste Voraussetzungen also, um neben öffentlichem Verkehr dem Velo im Nahverkehr und auf Kurzfahrten mehr Gewicht zu verleihen. Nirgendwo stellen sich Verkehrsfragen so akzentuiert wie in der grössten Schweizer Stadt. In ihrem «Netto-Null-Zwischenbericht» postuliert die Stadt Zürich denn auch eine «Stadt der kurzen Wege». Was heisst das in Bezug auf das Velo? Das Tiefbauamt Zürich (TAZ) schreibt dazu, dass innerhalb der Stadt eine Verlagerung von Auto-Kurzfahrten auf andere Verkehrsmittel oft möglich wäre, «die betreffenden Personen müssten dies aber wollen.» Neben dieser Freiwilligkeit setzt die Verkehrsplanung auf  verkehrsberuhigte Quartierblöcke, Geschwindigkeitsanpassungen und auf die Förderung des Fuss- und Veloverkehrs. «In einer wachsenden Stadt bilden der Fuss- und der Veloverkehr zusammen mit dem öffentlichen Verkehr die tragenden Säulen der städtischen Mobilität», so das TAZ. Dazu trage der konsequente Ausbau des Velovorzugsroutennetzes bei, damit ein durchgehendes, sicheres und sichtbares Netz entstehe. Eine Aussage, die wohl stellvertretend für alle Schweizer Städte gilt.

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