Der Kanton Zürich plant im Norden neue Velorouten mit Vorzeigecharakter. Beim Vorantreiben der Projekte werden Synergien mit den SBB genutzt.
Es ist ein veritables Grossprojekt, das die SBB mit ‹Mehrspur› verfolgen: Bis zum Jahr 2035 soll es ein bestehendes Nadelöhr auf der Bahnstrecke zwischen Zürich und Winterthur beseitigen. Im Kern wird eine neue Doppelspurlinie durch den Brüttenertunnel von Bassersdorf und Dietlikon nach Winterthur führen und die Kapazität des öffentlichen Verkehrs deutlich steigern.
Dieses Vorhaben bringt auch grosse Veloprojekte des Kantons Zürich voran. In Dietlikon soll eine im Velonetzplan festgehaltene Velohauptverbindung vom Quartier Im Lampitzäckern den Bahnhof und die Gleise entlang bis nach Baltenswil führen – mit einer Fahrbahnbreite von mindestens dreieinhalb Metern, um Überholmanöver sicher zu machen. Ausserdem hilft das SBB-Projekt einer im regionalen Richtplan festgesetzten Veloschnellroute durch die Gemeinde Wallisellen zur Umsetzung.
Projekt mit Ausstrahlung
Als eine der ersten kantonalen Veloschnellrouten hat diese Strecke Pilotcharakter. Sie trage dazu bei, dass sich das Fahrrad gegenüber den anderen Verkehrsmitteln im Alltag etablieren könne, heisst es bei der kantonalen Volkswirtschaftsdirektion.
In der Netzhierarchie des Kantons stellen die Veloschnellrouten die höchste Verbindungskategorie dar, Neben- und Hauptverbindungen bilden das Basisnetz. Zentral für ein attraktives Velonetz sind sichere, möglichst direkte und unterbruchfreie Radwege, die, wo immer möglich, vom Motorfahrzeugverkehr abgetrennt sind. All das lässt sich allerdings nicht entlang jeder Strasse umsetzen. Veloschnellrouten sollen darum Gemeinden und Regionen verbinden und Korridore für einen sicheren Veloverkehr bilden. Die Fachstelle Veloverkehr des Kantons Zürich (Fave) betont, dass es sich bei den Schnellrouten keineswegs um Verbindungen einzig für schnelle Velo- und E-Bike-Fahrende handle. Vielmehr sei «schnell» als «direkt und durchgängig» zu verstehen. An die Schnellrouten werden hohe Anforderungen gestellt, was Sicherheit, Direktheit, Komfort und Gestaltung betrifft. Es ist eine Breite von viereinhalb Metern vorgesehen, die erlaubt, dass sich zwei Velos pro Richtung begegnen. Die breite, in der Regel vom Motorfahrzeugverkehr abgetrennte Bahn soll ermöglichen, dass langsamer Radelnde oder auch Schulkinder sicher unterwegs sein können. Für Menschen, die zu Fuss unterwegs sind, ist jeweils parallel zu den Routen eine eigene Verkehrsführung vorgesehen.
Im Unterschied zum Strassenverkehr gab es beim Veloverkehr bis vor wenigen Jahren keine Leitlinien für eine Wirtschaftlichkeitsberechnung. Der Zürcher Regierungsrat verlangt jedoch für Veloschnellrouten-Projekte eine solche. Die Fave hat zusammen mit Fachleuten und weiteren kantonalen Stellen eine Methodik entwickelt. Diese berücksichtigt in einen Geldbetrag umwandelbare Faktoren wie Bau-, Land- oder Betriebskosten. Aber auch andere Kriterien fliessen ein. Veloschnellrouten vereinen eine ganze Reihe positiver Aspekte: Der Flächenverbrauch von Fahrrädern ist im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln gering, die Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raums kann gesteigert, das Schienen- und Strassennetz durch die Bündelung des Veloverkehrs entlastet werden. Und nicht zuletzt können die Gewerbetreibenden entlang der Veloschnellrouten von Umsatzsteigerungen profitieren. Verschiedene Untersuchungen weisen darauf hin, dass Velofahrende zwar pro Einkauf weniger ausgeben als Automobilisten, dafür kaufen sie aber häufiger ein, was sich unter dem Strich für das Gewerbe lohnt. So zeigt etwa eine Studie der ‹University College Londons Bartlett School of Planning› im Auftrag von ‹Transport of London›, dass Velofahrerinnen und Fussgänger im Durchschnitt rund 40 Prozent mehr Geld in den Läden der Umgebung ausgeben als die Kundschaft, die mit dem Auto kommt. Diese Untersuchung umfasste Quartiere der britischen Hauptstadt, in denen Strassen zugunsten von Menschen auf Velos und zu Fuss umgestaltet wurden.
«Die Veloschnellroute Glattal–Oberland ist volkswirtschaftlich empfehlenswert», so das deutliche Fazit der Kosten-Nutzen-Analyse. Jedes der gerechneten Szenarien ergebe durchwegs positive Ergebnisse, heisst es beim Amt für Mobilität des Kantons Zürich.
Um die Planung effizient voranzubringen und Kosten zu sparen, nutzt der Kanton Zürich mit den Veloprojekten gezielt Synergien, indem er sie in das ‹Mehrspur›-Grossprojekt der SBB integriert. Im November 2021 verabschiedete der Zürcher Kantonsrat den Objektkredit für die Veloprojekte sowie eine ebenfalls in Zusammenhang mit dem SBB-Projekt geplante Busspur in Bassersdorf. Das Parlament bewilligte die dafür vorgesehenen Gelder in Höhe von rund 73 Millionen Franken einstimmig.
Umfangreiche Vorarbeiten
Die nächsten zwei Jahre werde intensiv am Bau- und Auflageprojekt gearbeitet, sagt Viktoria Herzog, die Veloverantwortliche beim Tiefbauamt des Kantons Zürich. Die SBB geben Gas. Der Fahrplan sehe vor, dass die öffentliche Auflage im zweiten Quartal 2023 erfolgt. Verläuft der Prozess optimal, könnte der Baustart im Jahr 2026 erfolgen. Die SBB rechnen gemäss Informationen auf der Projektwebseite mit einer Bauzeit von neun bis zehn Jahren.
Die Definition des Korridors und der baulichen Massnahmen bedinge eine Abstimmung mit vielen anderen Bereichen und Vorhaben, teilt die Fave mit. Bereits 2017 begann sie mit der Suche eines Korridors von der Stadtgrenze Zürich bis Dübendorf und lancierte gleichzeitig die Studie der Veloschnellroute Wallisellen. Die Gemeinde Wallisellen plant mit. Gegenwärtig ist sie dabei, das Gebiet, durch das die Route führt, zu entwickeln. Dort, südlich der Bahn, hat Wallisellen in den letzten Jahren einen urbanen Charakter bekommen. «Die integrale Planung ist vorbildlich», sagt Gregor Schärer, Leiter Hochbau und Planung der Gemeinde Wallisellen. «Alles wurde berücksichtigt: der Fuss- und Veloverkehr, die städtebauliche Entwicklung, der übrige Verkehr.» Mit der aufeinander abgestimmten Planung entstehe Mehrwert für alle Seiten.
Die Veloschnellroute schliesst im Endausbau an die Veloverbindung aus Oerlikon im Norden der Stadt Zürich an und führt via Wallisellen und Dübendorf bis ins Zürcher Oberland. Die Wichtigkeit einer koordinierten und integrierten Planung unterstreicht auch Christoph Lippuner vom Planungs- und Beratungsunternehmen EBP Schweiz, das für die Stadt Dübendorf das Fuss- und Veloverkehrskonzept entwickelt hat. Auf der Basis der Potenziale des Veloverkehrs erarbeitete das Büro ein umfassendes Netzkonzept für den Alltagsverkehr. Das Ziel war, eine Vermischung von Fuss- und Veloverkehr möglichst zu vermeiden, um konfliktfreie Routen zu schaffen. «Es ist wichtig, dass bereits auf Konzeptstufe auf eine klare Trennung geachtet wird», sagt Christoph Lippuner. «Bei der Umsetzung ist es meist zu spät dafür.»
Velonetzplan Kanton Zürich, Übersicht über Planungen im Glattal und Oberland
1 Velohauptverbindung, Planung mit Glattalbahnverlängerung in Kloten (Phase Bauprojekt)
2 Veloschnellroute Abschnitt Wallisellen, Planung mit SBB-Grossprojekt ‹MehrSpur› (Phase Bauprojekt), Planungs- und Umsetzungshorizont: 2018–2034; Kosten: Fr. 23 Mio.
3 Velohauptverbindung Dietlikon, Planung mit SBB-Grossprojekt ‹MehrSpur› (Phase Bauprojekt), Planungs- und Umsetzungshorizont:2018–2034; Kosten: Fr. 48 Mio.
4 Veloschnellroute Abschnitt Wallisellen–Dübendorf, Radwegstudie
5 Veloschnellroute Abschnitt Dübendorf, Betriebs- und Gestaltungskonzept
6 Korridorstudien Veloschnellroute Dübendorf–Greifensee– Uster–Wetzikon
Quelle: Kanton Zürich, Fachstelle Veloverkehr, Bearbeitung Hochparterre. Mehr Informationen unter www.velo.zh.ch
Nebenverbindungen, Hauptverbindungen und Schnellrouten
Im Kanton Zürich existiert seit 2016 ein behördenverbindlicher Velonetzplan als Grundlage für die Planungen auf kantonaler und kommunaler Ebene. Er kennt drei Arten von Velorouten: die Nebenverbindungen als Basisnetz mehrheitlich entlang der Kantonsstrassen, die leistungsfähigeren Hauptverbindungen und die Veloschnellrouten, die den Veloverkehr dort bündeln sollen, wo die Nachfrage und das Potenzial am höchsten ist – auch um Strasse und Schiene bestmöglich zu entlasten.
Der Velonetzplan zeigt aber auch die rund 1200 Schwachstellen des Netzes, das der Kanton in den nächsten Jahren ausbauen will. Damit man auf die regionalen Verbindungen gelangt, müssen zudem die Gemeinden Velonetze definieren und die Infrastruktur auf ihren Gebieten ausbauen. Es gibt noch viel zu tun.
An den teils langjährigen Projekten sind zahlreiche Planungs- und Ingenieurbüros beteiligt: Ewp, Effretikon; Metron, Brugg und Zürich; Kontextplan, Bern; EBP Schweiz, Zürich; Gähler Partner, Ennetbaden; Gruner, Zürich