Baukastensystam und Standards setzen Fotos: Karin Hauser (Illustration)

Wie digital darf es sein?

Die Digitalisierung im Wettbewerb ist noch unübersichtlich und sorgt für Unmut. Die Laborgruppe «Digitaler Wettbewerb» will neue Standards definieren.

Am Wettbewerbslabor nannte Simon Dilhas die Digitalisierung einen «Scheinriesen». Herr Tur Tur, eine literarische Figur von Michael Ende, ist von Weitem riesig und furchteinflössend, von Nahem normal gross und freundlich. Ob das auch für alle Facetten des digitalen Wandels im Wettbewerb gilt, wird sich weisen. Die aktuelle Situation ist vor allem eines: unübersichtlich. Prozesse verändern sich und laufend kommen neue digitale Werkzeuge dazu.
Der Mehrwert von angemessenen digitalen Mitteln ist unbestritten. Gängige CAD-Programme können BIM längst eingliedern, und das Austauschformat IFC hat sich in der Praxis bewährt. Der Vergleich der Projektdaten über alle Wettbewerbseingaben hinweg führt zu mehr Planungssicherheit, und digitale Situationsmodelle erlauben neue Beurteilungsformate. Zudem winkt das Versprechen, dass digital erfasste Bauteile beim Rückbau einfacher in die Kreislaufwirtschaft gelangen.
In den Wettbewerbsverfahren sind die Beteiligten jedoch auf unterschiedlichen Ebenen mit Herausforderungen konfrontiert: Die Begrifflichkeiten sind uneindeutig und Anforderungen teils nicht auf die Aufgabe zugeschnitten. Nicht zielgerichtet eingeforderte Daten generieren Aufwand, und das führt bei den Architekturbüros zu Unmut. Auch die Prüfung neuer digitaler Werkzeuge und Berechnungstools braucht Zeit – bis anhin ist die Vergleichbarkeit der Tools nicht gegeben. Dazu kommen ungeklärte rechtliche Fragen wie zum Beispiel die Gewährleistung der Anonymität bei digitalen Verfahren.

Drei Digitalisierungsstufen
Während eines Jahres hat die Laborgruppe «Digitaler Wettbewerb» aktuelle Fragestellungen kontrovers diskutiert und im interdisziplinären Team Aspekte zusammengetragen. Daraus bündelte sie Themen für die Workshops: Mehrwerte und Herausforderungen der Digitalisierung, zweckmässiger Digitalisierungsgrad und die Forderung nach Standards. Als Orientierungshilfe in einem unübersichtlichen Umfeld hat die Gruppe drei Digitalisierungsstufen für Wettbewerbe umrissen: Die Variante «Mini» folgt einem herkömmlichen analogen Verfahren mit Plänen und Gipsmodell und wird durch BIM mit Flächen und Volumen ergänzt. «Mini» lässt sich über die Variante «Midi» bis hin zu «Maxi» – gänzlich ohne physische Unterlagen und mit einer Jurierung im digitalen Raum – ausbauen. Die Aufgabe bestimmt – je nach Gebäudetyp –, welche Variante sinnvoll ist. Die Arbeitsgruppe war sich einig, dass vorerst die Variante ‹Mini› angestrebt werden solle, da sie in den meisten Fällen ausreiche. Einen klaren Mehrwert könne das Modell aber nur schaffen, wenn alle Daten vergleichbar erhoben würden.

Das Digitale als Ergänzung
An den Workshops nahmen Vertreter*innen von Bauherrschaften und Entwurfsbüros teil. Auch wenn es hinsichtlich der Einschätzung der Mehrwerte von Tools oder Verfahren unterschiedliche Ansichten gab, war der Wunsch nach mehr Klarheit bei allen vorhanden. Da Auslober*innen dazu tendieren, im Zweifelsfall lieber mehr einzufordern als nötig, ist die Beratung durch Verfahrensbegleiter*innen essenziell. Mehr Daten schaffen nur dann mehr Sicherheit, wenn sie vergleichbar sind und der Stufe der tatsächlichen Ausarbeitung entsprechen.
Digitale und analoge Verfahren werden sich auch in Zukunft ergänzen. Nicht immer ist klar, welches Vorgehen das bessere ist. Für Diskussion und Austausch bietet der analoge Raum nach wie vor den idealen Rahmen. Stand heute erscheinen digitale Architekturmodelle auf Stufe Wettbewerb als fehlgeleitete Versuche, atmosphärische Entscheidungen im digitalen Raum zu fällen. Nicht nur aufseiten der Architekt*innen, sondern auch technisch generieren diese Modelle bei der Beurteilung einen Mehraufwand. Die Arbeitsgruppe hält fest, dass solche Modelle – wie andere ergänzende Leistungen auch – zusätzlich entschädigt werden müssen.
Für die Laborgruppe ist die Diskussion nicht abgeschlossen. Sie wünscht sich eine ständige Gruppe, die nicht nur Standards schafft, sondern diese auch sich verändernden Anforderungen anpasst.

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