Wald-Manifest
Das Potential des Walds in Siedlungsnähe ist ungenutzt. Seine Erholungsleistung muss gefördert werden. 12 Forderungen an die Adresse von Forstleuten, Stadt- und Landschaftsplanerinnen sowie Politikern.
1. Ein Konzept muss her
Erholung darf auch im Wald nicht planlos entwickelt und zufällig abgewickelt werden. Es braucht eine Vorstellung des Wie, des Wieviel und des Wozu. Ein Erholungskonzept bildet die Grundlage für kurz-, mittel- und langfristige Massnahmen, zeigt den Investitionsbedarf, fördert die effiziente Bewirtschaftung und unterstützt die Kommunikation mit der Öffentlichkeit.
2. Den Waldentwicklungsplan nutzen
Der Richtplan der Raumplanung heisst im Wald Waldentwicklungsplan. Er muss das Thema Erholung stärken. Wo hat sie erste Priorität? Wo kann erfolgreich ein Nebeneinander von Erholung, Holzproduktion und Biodiversität realisiert werden? Durch den Waldentwicklungsplan werden Erholungskonzepte verbindlicher. Er kann auch die Basis bilden für ein gesetzliches Vorkaufsrecht siehe Punkt
3. Landabtausch und Vorkaufsrecht
Wo die Erholung im Vordergrund steht, steht auch ein öffentliches Interesse im Vordergrund. Deshalb sollten diese Flächen der Allgemeinheit gehören. Oft kann das mit einem Abtausch von Parzellen zwischen Privaten und Gemeinden erreicht werden. Um den Handlungsspielraum der Gemeinden zu erhöhen, braucht es in den kantonalen Waldgesetzen ein Vorkaufsrecht für Waldparzellen, die an Schlüsselstellen in Bezug auf die Erholung liegen. Ein solches Instrument gibt es beispielsweise im Kanton Zürich in der Freihaltezone. Es stellt keinen Eingriff in die Rechte von Eigentümerschaften dar.
4. Betriebspläne erweitern
Eine Stufe unterhalb des Waldentwicklungsplans regeln die Betriebspläne die waldbaulichen Ziele und die Menge Holz, die dem Wald entnommen werden darf. Die Erholungsmassnahmen sind darin so festzuhalten, dass das Ziel auch über einen langen Zeitraum nicht aus den Augen gerät. Punktuell kann ein separates (Wald-)Parkpflegewerk förderlich sein.
5. Die Musik spielt auf Gemeindeebene
Die Gemeinden sind verantwortlich für ihre bauliche Entwicklung und damit auch für die Bevölkerungsentwicklung und die damit verbundenen Erholungsmöglichkeiten. Weil sie die lokale Situation am besten kennen, sollten sie auch die Erholungsinfrastruktur im Wald bereitstellen und unterhalten – genau wie die kommunale Infrastruktur generell.
Podium und Heftvernissage am 21. März im Kulturpark Zürich
6. Erholungswald kostet weniger als urbaner Freiraum
Die Erholungsleistung wird für die Gesellschaft erbracht und muss entsprechend abgegolten werden. Der Wald steht anderen öffentlichen Angeboten in Bezug auf die Besucherzahlen nicht nach, weshalb Steuergelder der Gemeinden für die Erholung im Wald gut eingesetzt sind. Ein vielfältiger, attraktiv gestalteter Erholungswald kostet pro Quadratmeter nur einen Bruchteil des Parkunterhalts im Siedlungsraum.
7. Kompetenz aufbauen
Forstbetriebe sind meist hervorragend organisiert und bestens dafür geeignet, den Erholungswald zu pflegen. Oft fehlt es ihnen aber an Wissen über Erholungsplanung und Waldästhetik. Es braucht Weiterbildungsangebote für Berufsleute auf allen Stufen siehe ‹Weiterbildungsangebote›, Seite 17. Waldästhetik muss zum Pflichtfach für Forstleute werden.
8. Mehr Abwechslung
Die Dauerwaldbewirtschaftung führt zu Monotonie in den Waldbildern. Es gilt, an geeigneten Orten abwechslungsreiche Waldbilder zu entwickeln und zu gestalten. Mehr Abwechslung führt zu mehr Erholung.
9. Wettbewerbe veranstalten
Für eine bessere Gestaltung gilt es, den Wettbewerb zu stärken. Konkurrenzverfahren unter interdisziplinären Teams führen zu mehr Lösungsansätzen und damit zu besseren Ergebnissen.
10. Sinneseindrücke verdichten
Der Erholungswert steht in direkter Relation zu vielfältigen Sinneseindrücken. Markante Einzelbäume, besondere Wuchsformen, Pflege der Unterschicht (Gras, Blumen), überlange Umtriebszeiten, Tunnelwirkungen, Wegführungen oder Landmarken stimulieren die Sinne. Möblierung und feste Anlagen sind zweitrangig.
11. Eingangstore und Ziele schaffen
Wie komme ich zum Wald? Wo geht es hinein? Erkennbare Routen und Eingangstore machen es den Erholungsuchenden leichter. Zudem bevorzugen die Menschen Spaziergänge mit einem Ziel. Das kann etwa ein Rastplatz oder ein Aussichtspunkt sein, aber auch ein Ort, an dem die Schlüsselblumen im Frühling zuerst blühen, eine Baumgruppe aus Roteichen ihre eindrückliche Herbstfärbung zeigt oder ein 300 Jahre alter Baumriese steht.
12. Die Orientierung verbessern
Nicht alle können Karten lesen oder sich die Umgebung einprägen. Gestalterische Massnahmen erleichtern die Orientierung. Die Besucher erkennen eine Kreuzung wieder, weil sie sich von der vorherigen unterscheidet. Ein markanter Baum am Wegrand bleibt in Erinnerung. Auch zeitliche Orientierung hilft: Spaziergängerinnen sollen – wie es Jogger schon heute können – unter ausgeschilderten Strecken unterschiedlicher Länge wählen können.
Dieser Text stammt aus dem Themenheft «Wald kann mehr». Es entstand in Zusammenarbeit mit der Hamasil Stiftung, der Stiftung Spitzenflühli, dem Kanton Zürich (Amt für Landschaft und Natur), dem Kanton Aargau (Abteilung Wald) sowie dem Kantonsforstamt St. Gallen.