Der Vorschlag mit Blockrand und Hochhausscheibe von der Josefwiese aus gesehen.

Josef will wohnen!

Die Arbeitsgruppe «Josef will wohnen» fordert 500 gemeinnützige Wohnungen auf dem Zürcher Josef-Areal. Lesen und sehen Sie hier ihre Anträge und Vorschläge.

Josefstrasse, Josefwiese, Josef-Areal – obschon Zürich eine protestantische Stadt ist, hat Josef von Nazaret, der wichtigste Heilige der katholischen Kirche, eine starke Stellung im Stadtbild. Er passt aber gut nach Zürich. Erst kürzlich hat ihm Papst Franziskus ein markantes rot-grünes Profil gegeben. Und so fordert der Heilige keck: « Josef will wohnen. » Er fordert dies in seiner Rolle als Patron der Bedrängten, die eine schöne Wohnung brauchen; er fordert das als Patron der gewissenhaften Zürcherinnen und Zürcher, die an der Urne einen Drittel gemeinnützige Wohnungen für Zürich beschlossen haben. Josef fordert das auch für eine gedeihliche Entwicklung von Zürich West. Denn der Wohnanteil in der ehemaligen Stadt der Fabriken ist trotz aller Pläne, Studien und Versprechen auch nach 30 Jahren Stadtentwicklung viel zu klein. Auch fachlich ist Josef gut berufen, sich zu urbanistischen Fragen zu melden – er war Zimmermann, bis ins 17. Jahrhundert ein Synonym für Architekt.

So nimmt er eine Brache, die ihm gewidmet ist, in sein Zimmermannsauge. Auf dem Josef-Areal stehen heute die Ruinen der einst riesigen Fabrik für die Kehrichtverbrennung, die Zentralwäscherei und eine Reihe Werkstätten. Das Grundstück gehört der Stadt Zürich, die es einst zur « Zone für öffentliche Bauten » machte und darauf in den letzten Jahren eine Planung lanciert hat: Hallenbad, Treffpunkte fürs Quartier in Häusern und im Freien, Alterswohnungen, ein Gesundheitszentrum und ein Dach über dem Kopf für die Schneepflüge und anderes Gerät des Tiefbaus. Trotz des attraktiven Standorts fehlen die Wohnungen. Denn die haben in einer solchen Zone keinen Platz. Am 25. September 2022 nahm die Stimmbevölkerung der Stadt Zürich die Initiative ‹ Eine Europaallee genügt › mit 51 Prozent an. Sie wollte die SBB ermutigen, ihre Gleise und Werkstätten an der Neugasse ganz und gar mit gemeinnützigen Wohnungen zu überbauen. Die SBB wollten auch einen Anteil einträgliche Wohnungen und brachen die aufwendige, langjährige Planung ab. 375 Wohnungen, ein Schulhaus und Räume für gut 250 Arbeitsplätze bleiben Papierarchitektur.

Seit dem Beginn der Transformation der Stadt der Fabriken vor bald 40 Jahren setzt sich der Unternehmer Martin Seiz dafür ein, dass aus Zürich West ein lebhaftes Stück Stadt wird. Er übertrug seine Grundstücke der Hamasil-Stiftung. Diese engagiert sich politisch, kulturell und juristisch für diese Forderung – auch mit eigenen Projekten wie dem Kulturpark. Zürich West lebhaft zu machen, heisst, ein Stück Stadt zu bauen, wo in Büros gearbeitet wird, in dem Musse, Kunst und Genuss Orte haben, wo viel Bewegung ist – es heisst aber auch, ein Stück Stadt zu bauen, in dem gewohnt wird. Dieses Anliegen ist im Einklang mit der zeitgenössischen Lehre der schönen Stadt und mit politischen Entscheiden der Zürcher Stadtbevölkerung. Konkret: Es braucht in Zürich West einen Wohnanteil von 30 Prozent. Zurzeit beträgt er lediglich 12 Prozent. Also fragte die Hamasil-Stiftung nach der Abstimmung vom September 2022: « Was bedeutet der Absturz des Vorhabens an der Neugasse für Zürich West? Was für das Josef- Areal? » Um Antworten darauf zu finden, berief sie die Arbeitsgruppe ‹ Josef will wohnen › ein. Diese fasst ihre Anträge in sieben Punkten zusammen.

1. Das Josef-Areal kann Wohnort für 1000 Menschen werden. Die sorgsamen Planungen der Stadt mit all den Nutzungen für das Quartier, für die Sportsfreunde und die alten Menschen sollen freilich realisiert werden. Nur der Werkhof des Tiefbauamtes soll anderswo seinen Ort finden. Damit Josef wohnen kann, ist auf dem Areal zusätzlicher Raum fürs Wohnen nötig.
2. Es wird dicht auf dem Josef-Areal. Aber bedenken wir: Josefs Areal soll zwar dichter bebaut werden, als die Stadt dies vorsieht, doch erheblich weniger dicht, als es hier früher einmal war. Die Arbeitsgruppe hat drei Varianten entworfen: einen Blockrand mit Hochpunkt, eine brasilianisch anmutende Komposition aus zwei hohen Scheiben und halbrundem Hof und eine spielerische Stapelung von Wohnbauten und Terrassen.
3. Das Gegengleich zur Dichte heisst Frei-, Grün- und Bewegungsraum. Josef schaut dafür auch über die Grenze des Areals. Er schlägt den Umbau der Pfingstweidstrasse zum Pfingstweidboulevard vor, der dann bis zur Josefwiese reicht. Josef legt auf dem Areal die Josefinengärten an, und er gärtnert mit der Wildnis.
4. Das Josef-Areal gehört der Stadt. Hier werden nur gemeinnützige Wohnungen entstehen. Deren Zahl hängt ab von der politisch zu bestimmenden Dichte und Ausnutzung. Mindestens 400 Wohnungen werden es sein, vielleicht auch 600. Die Stadt kann selbst Bauträgerin sein oder Teilareale im Baurecht an ihre Stiftungen, an traditionsreiche und neue Genossenschaften vergeben.
5. Das Josef-Areal steht in einer rauen Gegend. Josef aber will nicht nur wohnen – er will schön wohnen. Hallenbad, Gesundheits-, Quartierzentrum, Gastronomie und so weiter sind zusammen mit neu hinzukommendem Arbeitsraum Masse und Volumen, um den Raum fürs schöne Wohnen zu schützen und ihn einzubetten in ein Stück Stadt.
6. Die Planungen der Stadt geben der Klimavernunft das Wort. Josef ergänzt sie um drei Gedanken:
– Klimavernunft zu bauen, heisst weiterzubrauchen, was da ist, statt fast alles abzubrechen: Die Zentralwäscherei soll als mächtige Substanz und auch als Spur in die Geschichte bestehen bleiben und umgenutzt werden.
– Klimavernunft heisst kurze Wege: Das Josef-Areal ist ein attraktiver Ort für klimavernünftiges Wohnen, denn die Wege in die Stadt sind kurz. Vom Markt bis zur Migros, vom Tanzsaal bis zur Apotheke, vom Schulhaus bis zur grossen Wiese ist alles fussläufig zu erreichen – nur bis zum Friedhof ist es weit.
– Klimavernunft heisst auf den technischen Fortschritt bauen. Die Dichte verlangt hohe Häuser. Sie sind so zu planen, dass sie von den Erkenntnissen der Bautechnik profitieren können, die 2030 Standard sein werden.
7. ‹ Josef will wohnen › regt an, die Pläne der Stadt Zürich weiterzuentwickeln. Ein paar Räder am fahrenden Zug müssen ausgewechselt werden, denn es hat sich allerhand verändert in der Welt und der Stadt, seit der Zug vor zehn Jahren losgefahren ist. Dafür ist freilich eine politische Debatte zu Richt- und Zonenplan, Areal- und Masterplan, Entwicklungskonzepten und Leitbildern nötig. Revisionen solcher Pläne sind dazu da, auf gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren – die Zürcher Stimmbevölkerung hat an der Urne mehrmals kostengünstigen, gemeinnützigen, klimavernünftigen Wohnraum gefordert. Letztmals vor einem Jahr an der Neugasse. Auf Josefs Areal kann solcher Wille gebaut werden.

Die Stapelung von Bauten und Terrassen ergibt eine lebendige ischung aus Wohnen, Arbeiten und Quartiernutzungen.

Die Konzentration auf hohe Bauten schafft grosszügige Aussenräume.

Trotz urbaner Dichte ist qualitätsvolles Wohnen und Arbeiten um einen begrünten Innenhof möglich.

 

Allee, Josefinengärten und Wildnis

Text: Stefan Rotzler

Von der Pfingstweidstrasse zum Pfingstweidboulevard 
« J’aime flâner sur les grands boulevards », sang Yves Montand 1956 über die von ihm geliebten Pariser Boulevards. Die Pfingstweidstrasse / Neue Hard hat das Zeug zum stadtprägenden Boulevard: Sie ist lang und breit genug, hat weite Trottoirs; begleitende Baumreihen und strukturierende Baumpakete sind bereits vorhanden. Und: Die angrenzenden Gebäudenutzungen haben das Potenzial für eine pulsierende Belebung.

‹ Rewilding ›: Vorwärts zur Natur! 
Angeregt durch die Folgen des dramatischen, in den Städten stark spürbaren Klimawandels, kommt die Bewegung des Aufwilderns von Stadträumen zügig in Fahrt. ‹ Rewilding › meint das Herstellen von naturnahen Ökosystemen und Landschaftsbildern in stark durch Menschenhand überformten Gebieten. Es orientiert sich an Naturbildern einer Umwelt, wie sie vor dem Anthropozän ausgesehen haben könnte. Diese werden in Freiräume, Naturen und Landschaften transformiert. Nach dem Vorbild des ‹ Rewilding › wurde zum Beispiel in den 1990er-Jahren das durch Zechen und Schwerindustrie gebeutelte Ruhrgebiet in eine teils wilde und fremde Landschaft umgewandelt.

Wohnen in den Josefinengärten
Freiräume müssen da sein, wo sie den Bewohnerinnen am meisten bringen. Lärmgeschützt, gut aneigenbar und sozialräumlich richtig zoniert. Die Josefinengärten sind ein grüner Quartierbaustein mit grosszügigem Innenhof. Gekammert und strukturiert mit privaten Aussenräumen, ausgestattet mit gemeinschaftlichen Orten und Gärten und mit einem attraktiven Setting von öffentlichen und kindergerechten Freiräumen. Der motorisierte Individualverkehr bleibt draussen. Damit im Hof grosskronige Bäume wachsen können, ist er nicht unterbaut. Auch die Fassaden werden Teil der Josefinengärten. Sie sind begrünt, die Dächer auf allen Niveaus nutzbar und belebt von da und dort züngelnder Wildnis.

Die drei Bilder kritisieren denn auch das Freiraum-Konzept für Zürich West: Ihm fehlen grosse, zusammenhängende Grünflächen und stadtprägende Grünstrukturen. Die Richtwerte in Bezug auf Einwohner und Arbeitsplätze sind bei Weitem unterschritten. Wenn sich die Dichte im Quartier erhöht – was zu erwarten und zu hoffen ist –, muss das Konzept in Richtung qualitativer Aufwertung und klimagerechter Stadt weiterentwickelt werden. So braucht es mehr kleine und grosse Grünflächen, grüne Dächer, begrünte Fassaden. Das ergibt viel mehr Biomasse und Raum für eine viel höhere Biodiversität. Es braucht ferner mehr beschattete Flächen und Alleen, durchlässigere Belagsflächen und umfangreiche Massnahmen zur Retention und Versickerung.

Hohe Dichte: Die ursprüngliche Bebauung des Josef-Areals mit Zentralwäscherei, Werkhöfen und Kehrichtheizkraftwerk ergibt eine Ausnützung von 330 Prozent. (Visualisierung: Allen + Crippa Architektur)

Geringe Dichte: Die Testplanung nimmt die heute erlaubte Ausnützung von 270 Prozent nicht in Anspruch, sondern reduziert sie auf 240 Prozent. (Visualisierung: Allen + Crippa Architektur)

Der erste Vorschlag bringt fast 500 Wohnungen und 500 Arbeitsplätze unter. Die erreichte Dichte ist nur leicht höher als die historisch-industrielle.

Der zweite Vorschlag begnügt sich mit einer Ausnützung von 300 Prozent, bringt aber immer noch 350 neue Wohnungen und 700 Arbeitsplätze ins Quartier. (Visualisierung: Allen + Crippa Architektur)

Der dritte Vorschlag mit einer Ausnützung von 400 Prozent erlaubt 500 preisgünstige Wohnungen und mehr als 800 Arbeitsplätze. (Visualisierung: Allen + Crippa Architektur)

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Kommentare

Michael 29.10.2023 14:27
Es mutet sehr seltsam an, dass eine Arbeitsgruppe sich einen fast biblischen Auftrag gibt. Eine Arbeisgruppe, die ausschliesslich aus Josefs besteht, plant und für Josefinen ist das Gärtnern vorgesehen. Die Vorschläge mögen zukunftsgerichtet sein, die Zusammensetzung dieser Denkerzelle und die Art der Präsentation sind aber ziemlich antiquiriert.
Ryan N. 29.10.2023 02:13
Am Allerwichtigsten fürs Quartier ist, dass die Zentralwäscherei schnellstmöglich geschlossen wird. Was dort abgeht, ist nämlich alles andere als sozial, auch wenn die SP uns dies als das verkaufen will (wo leben diese realitätsfernen Politikerinnen und Politiker? In Villenvierteln am Züriberg oder am See? Jedenfalls nicht im Quartier). Seit Beginn der Umnutzung der ZW wird im ganzen Quartier wie wild gesprayt, geschmiert und beschädigt. Im Umkreis von rund 1 km um die ZW. Die anti-soziale Klientel, welche dort ein- und ausgeht, ist auch für den gewalttätigen Aufmarsch Linksextremer im Kreis 5 und 4 am 1. April 2023 verantwortlich, der uns Anwohner-Familien erschreckte und viel Geld und Nerven kostete. Insofern ist es egal, ob dort mehr Wohnungen hinkommen oder nicht. Hauptsache, wir haben im Quartier keinen städtisch geförderten Hort von Gewalttätigen und Vandalen mehr.
Sabina 15.10.2023 12:51
Nur so eine Frage… warum sitzt in der AG „Josef will wohnen“ keine einzige Frau? Zb. @barbaraZibell mit ihrem raumplanerischen Ansatz von der Care-Arbeit aus denken?
Horst Eisterer asaz 08.10.2023 21:28
Es braucht in einer ausreichend dichten Stadt keine klimafeindlichen, ökologisch und soziologisch problematischen teuren Hochhäuser. Haltet Euch bitte an wissenschaftliche Grundlagen : zB „Decoupling density from tallness in analysing the life cycle greenhouse gas emissions of cities“
Andreas Konrad 07.10.2023 11:53
« es heisst aber auch, ein Stück Stadt zu bauen, in dem gewohnt wird . » Genau ! Es braucht aber keine Terrassenbürgli aus der Agglo oder Fancy Scheiben, die tote Räume schaffen und das Land verschleissen. Es braucht das, wofür das angrenzende Vieri und Foifi wie kein anderes Quartier in der Stadt steht : Es braucht den Blockrand. Er funktioniert. Er schafft klare Strassenräume und franst nicht irgendwie brösmelig aus. Er gibt dem Ort Halt. Und er schafft ruhige Innenhöfe. Also genau das, was es auch in der Stadt braucht und was die Nachkriegsplaner nie begriffen haben, wenn zwischen ihren Scheiben der Lärm durchhallt. Lernen vom Ort. Bauen, was funktioniert. Und zwar Wohnungen, die bezahlbar sind. Im Blockrand, der besten Erfindung des Städtebaus seit Haussmann, NYC un der Renaissance. Auf, ihr IG’s und Architekten : Planenmachen !
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