Wie arbeiten Designschaffende im Libanon? Der Designer Marc Baroud erzählt von Brachland in der Designausbildung, Graswurzelbewegungen und kolonialisiertem Denken.
«Ein Lab für die Welt» (3/7)
Wie arbeiten Designschaffende im Libanon? Der Designer Marc Baroud erzählt von Brachland in der Designausbildung, Graswurzelbewegungen und kolonialisiertem Denken.
Als ich an der Académie Libanaise des Beaux-Arts unterrichtete, fand ich es sinnlos, Studierenden beizubringen, wie man Stühle und Lampen zeichnet. Design ist doch eine viel breitere Disziplin! Darum habe ich gekündigt. 2012 kehrte ich zurück, um ein eigenständiges Designdepartement aufzubauen. Bis dahin hatte das Studium genauso funktioniert wie in Frankreich – niemand hatte sich die Mühe gemacht, ein eigenes Programm zu entwickeln. Doch warum sollten wir Design im Libanon so unterrichten wie in Frankreich? Wir haben kaum Industrie! In unseren Köpfen sind wir noch immer kolonialisiert: Alles, was von Frankreich und vom Westen kommt, ist gut.
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Es war nicht leicht, gegen das Erbe einer hundertjährigen Lehre anzutreten, doch ihre Leitlinien nützen hier nichts. Ich wusste nur, was meine Studenten brauchen, wenn sie in den libanesischen Markt eintreten. Wir leiden am «Komplex des weissen Mannes», sprechen herablassend von «diesen Arabern», dabei sind wir selbst welche! Die meisten von uns sprechen Arabisch, Französisch und Englisch, können von links nach rechts und von rechts nach links lesen. Die Sprachen, Religionen, Kulturen und auch die Schwierigkeiten, denen wir jahrzehntelang ausgesetzt waren, haben uns kreativ gemacht.
Das hat sich auch gezeigt, als 2019 die Banken kollabierten und alles zusammenbrach. Die Strassen in Beirut waren voller Menschen, die alle möglichen Initiativen starteten: Manche bauten ein Abfallentsorgungssystem auf oder arbeiteten an einer neuen Verfassung, andere entwickelten einen Gin, weil es keine Importprodukte mehr zu kaufen gab. Besonders die jüngere Generation ist stark darin, zu kooperieren. Leider wurde diese Graswurzelbewegung durch Covid und das verkrustete politische System ausgebremst.
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Die vergangenen drei Jahre waren sehr schwierig. Nun sehnen sich die Leute nach Normalität; sie wollen nicht me...
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