Überlagerung von Bildresultaten mehrerer Co-Design Workshops. Widersprüchliche Vorstellungen vereinen sich in einem Bild.

Partizipative Bilder in der Stadtplanung

Am Beispiel des Klybeck-Areals in Basel befassen sich Forschende der HGK Basel FHNW mit der Rolle von Bildern in Mitwirkungsprozessen der Stadtplanung.

Das industriehistorisch bedeutende Klybeck-Areal im Norden Basels befindet sich in einem umfassenden Transformationsprozess. Aus einem für die Anwohnenden unzugänglichen Industriegebiet soll über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten ein nachhaltiger Stadtteil mit Wohn- und Arbeitsflächen sowie Grün- und Freiraum entstehen. Die interessierte Bevölkerung wird durch Beteiligungsformate wie Ausstellungen, Workshops, Zwischennutzungen als Reallabore in den Prozess miteinbezogen. Dies war jedoch nicht immer so. Im Kanton Basel-Stadt ist das Recht auf Mitwirkung der Bevölkerung zwar seit 2005 gesetzlich verankert, bei der Umsetzung harzt es noch, insbesondere wenn es um den Umgang mit Bildern geht.

Ein spezifisches Repertoire an Bildern
In Prozessen der Stadtplanung sind Bilder zentrale Kommunikationsmedien. Sie visualisieren die Zukunft eines Stadtteils, die für viele Menschen mit Ängsten und Skepsis aber auch mit Hoffnungen verbunden ist. Diese Ausgangslage erfordert einen bewussten und sensiblen Umgang bei der Gestaltung und Einbettung der Bilder in partizipative Prozesse. Für die Forschung eröffnet sich hier ein grosses Potential. Unsere Recherchen am Institute Digital Communication Environments der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel FHNW haben gezeigt, dass sich im Kontext von Architektur und Stadtplanung ein ganz spezifisches Repertoire von Bildern etabliert hat, nämlich Lagepläne, technische Zeichnungen wie Aufrisse oder Seitenrisse, sowie computergerenderte Visualisierungen. In Fachkreisen eignen sich diese Formate dafür, unterschiedliche Aspekte eines geplanten Projekts aufzeigen. Für die meisten Menschen, die sich nicht täglich mit solchen Darstellungen befassen, sind diese Bilder schwer interpretierbar. Ihre hyperrealistische Darstellungstechnik suggeriert ein bis ins Detail ausgearbeitetes Projekt, auch wenn es sich dabei um einen Entwurf handelt. Dadurch geht Spielraum für die Imagination der Betrachtenden verloren und aus diesem Grund wirken diese Bilder auch nicht einladend, sich in die Planung einzubringen.  

Verdichtung aller Projektvorschläge der Testplanung Klybeckplus (www.klybeckplus.ch)

Unser primäres Forschungsinteresse galt den bestimmenden Qualitäten von Bildern als Stimuli kollektiver Imagination, wenn diese bei städtebaulichen Mitwirkungsverfahren eingesetzt werden, um zukünftige Stadträume zu diskutieren. Im Zentrum der Forschung standen der Bildentwurf im Spannungsfeld zwischen «professionellem» und «alltäglichem» Design, Formen einer interpretationsoffenen Bildästhetik sowie die Auswirkungen der Bilder auf die jeweiligen Mitwirkungsprozesse.

Eine beeindruckende Vielfalt
In einem ersten Schritt legten die Forschenden ein öffentliches Online-Archiv von Bildern an, die im Kontext des Planungsprozesses Klybeck von unterschiedlichen Akteur:innen entworfen worden waren. Die Analyse ermöglichte neben inhaltlichen Vergleichsmöglichkeiten auch Rückschlüsse auf gestalterische Aspekte wie Bildsprachen oder Umsetzungstechniken, die von einzelnen Akteur:innen eingesetzt wurden. Eine beeindruckende Vielfalt an Zukunftsvisionen wurde sichtbar. Das Archiv zeigt eine Vielzahl von Bedürfnissen und Ideen, die Menschen als Inspirationsquelle für die eigene Meinungsfindung dienen kann – auch diejenigen, die sich bisher nicht am Prozess beteiligt hatten. Zusätzlich nahm das Forschungsteam an zahlreichen Mitwirkungs- und Informationsveranstaltungen teil, besuchte Akteur:innen und führte Einzelinterviews mit Menschen aus dem Quartier, um einen vertieften Einblick in die Einbettung der Bilder in den laufenden Planungsprozess zu gewinnen.

Collage aus Bildbeiträgen möglichst vieler unterschiedlicher Akteur:innen.

Aufbauend auf diesen Erkenntnissen und Erfahrungen entwickelten die Forschenden in Kollaboration mit interessierten Akteur:innen partizipative Formate für Co-Design-Workshops, die zu alternativen Darstellungsformen führten. Dabei wurden professionelle Designer:innen sowie Lai:innen der Bildgestaltung in unterschiedlicher Konstellation und Rollenverteilung in Visualisierungsprozesse eingebunden. Dies geschah mit dem Ziel, komplementär zur sprachlichen Ebene, auf unterschiedliche Bedürfnisse der Teilnehmenden eingehen zu können und damit die Schwelle für Partizipation möglichst niedrig zu halten. Diese gemeinsamen Gestaltungsprozesse erwiesen sich als vermittelndes Element um andere Perspektiven nachvollziehen zu können, eigene Argumente zu schärfen und im Idealfall einen Kompromiss zu finden.

Bildkreislauf und Collage
All diesen Visualisierungsprozessen lag die Idee eines Bildkreislaufs zu Grunde, der auf der Technik der Collage und dem Fundus des Online-Bildarchivs basierte. Bildsprachen und -inhalte unterschiedlicher Autor:innen mischten sich, indem bestehende Bilder zerlegt und neu konfiguriert wurden. So entwickelte sich das Verständnis für urbane Zukunftsbilder in partizipativen Prozessen von statischen und eindimensionalen Projektdarstellungen hin zu mehrstimmigen, fluiden und demokratischen Medien. Sie kommunizieren durch ihre Bildsprache, dass das Projekt sich in Entwicklung befindet, indem sie Möglichkeiten aufzeigen und Gegensätze thematisieren, um Imaginationsräume zu eröffnen und im Idealfall neue Denkansätze zu stimulieren.

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Kommentare

Horst Eisterer 03.07.2023 09:55
Die Bilder lassen eher Ratlosigkeit zurück und sind alles andere als Hinweise für eine umwelt- und menschenfreundliche Stadtentwicklung. Die Broschüre Gestaltungsleitlinie DRESDEN gibt solche Hinweise.
Andreas Konrad 20.06.2023 23:23
Der Leser bleibt ratlos zurück : Ausser ein paar schönen, aber wirren Bildlis kann er sich über die Zukunft des Areals nicht wirklich ein Bild machen. Die Befürchtung macht sich breit, dass nach vielem verkopftem Geschwurbel nicht wirklich was zurückbleibt. Broschürendeutsch, trocken -technische Universitärpapiere, die ungelesen in den Papierkorb wandern. Hoffentlich nimmt noch jemand das Heft in die Hand und zeichnet mal eine konkrete Zukunftsvision für dieses wichtige Areal.
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