Die Leserin erfährt im Buch, dass für Schifferli Gärten Stätten des Imaginären der Gegenwart sind.

Schifferli und die Welt

Der Berner Landschaftsarchitekt Maurus Schifferli hat eine Monographie herausgegeben. «Strategien der Landschaftsarchitektur» zeigt bilderreich seine sehr persönliche Herangehensweise auf.

Der geheimnisvolle Umschlag – ohne Titel und Absender – zeigt ein sinnliches Urwaldbild. Wer die lose Klappe des Buchs ausfaltet, dem springt das Bild eines Urwalds im Bau entgegen. Beide Bilder gehören zum Vogelhaus des Basler Zoos mit dem dazugehörige Artenschutzprojekt in Borneo, wo die ältesten bekannten Regenwälder wachsen. Das in diesen Sommer eingeweihten Freiflughaus steht exemplarisch für Schifferlis ganzheitliche Herangehensweise: der Berner Landschaftsarchitekt will mit seinen Gärten und Anlagen metaphysische Ort von architektonischer Qualität schaffen, wie er im Essay schreibt. Für das Vogelhaus bedeutet das, dass er und sein Team 140 Arten aufwändig in Malaysia gesammelt, aufgeschult und dann über eine achtmonatige Quarantäne in Holland nach Basel bringen lassen und damit einen Urwald in einem Haus gebaut hat. Wenn es eine Überschussproduktion in Basel gibt, geht sie zurück nach Borneo in ein Aufforstungsprojekt. So schliesst sich der Kreis.
Als Schlüsselwerk kann wohl sein eigener Garten in Trub verstanden werden. Auch er wird im Buch vorgestellt und hat 2017 den silbernen Hasen von Hochparterre bekommen. Schifferli beschreibt ihn als «physische Umsetzung meines Verständnisses der Welt und meiner Existenz». In diesem ehemaligen Pfarrgarten hat der Landschaftsarchitekt Vorgefundenes und Imaginationsbilder gegliedert, «Ordnung verräumlicht», wie er es nennt.
 
Die Leserin erfährt, dass für Schifferli Gärten Stätten des Imaginären der Gegenwart sind. Er will Orte zu schaffen, die sich im Bewusstsein, in den Köpfen einnisten – im Gegensatz zu den eindimensionalen Bildern der aktuellen Landschaftsarchitektur, so sein Seitenhieb. Im Buch werden neun Projekte dokumentiert. Die Darstellung setzt auf Sinnlichkeit, doch dem Leser, der mehr wissen und die Entwürfe verstehen will, wird nicht immer geholfen: oft fehlen erklärende Pläne oder Legenden, werden die Projekte nicht zwischen gebaut oder gedacht unterschieden. Wenig an der Hand nimmt einen auch der kurze Essay von Markus Peter: Der Architekt versucht Schifferlis Herangehensweise als Inbeziehungssetzen vom «Faktischen der Botanik» mit dem Imaginären zu erklären. Weil der Text aber vor allem eine Ansammlung von Verweisen und Nebengleisen auf Theoretiker, Künstler oder Philosophen der Renaissance ist, lässt Peter die Leser, die nicht denselben Bildungsrucksack tragen, ratlos zurück. Aufschlussreicher und dankbarer zu lesen ist Schifferlis sehr persönlicher Text «Was ich suche» am Schluss des Buches. Darin schwört er unter anderem der Perfektion ab und erklärt, dass, wenn er in seinen Gärten eine Kunst anstrebe, sei es die der Intimität.

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