Hanna Olzon Åkerström, Mitgründerin von Soeder, will im Frühling 2024 in die Werkstadt Zürich ziehen. Fotos: Jules Spinatsch
In Zusammenarbeit mit Senn und uptownBasel

Zurück im urbanen Raum

Unternehmen siedeln wieder vermehrt in urbanen und suburbanen Räumen an. Warum das so ist, erläutern fünf Unternehmer am Beispiel ihrer Standorte – von Arlesheim bis Biberist.

Seife, Gin, Brillen oder Velos werden wieder in der Stadt hergestellt. Ihre Produzenten finden gerne in ehemaligen Industriebauten zusammen, hofiert vom örtlichen Standortmarketing. Die Industrie 4.0 verändert nicht nur das Bild der Gewerbetreibenden, sondern auch deren Produktionsprozesse. Die Digitalisierung erlaubt individuell angepasste Kleinserien, die Herstellung auf kleineren Flächen, näher bei den Konsumierenden. Diese Entwicklung hat zu klug konzipierten Gewerbebauten für urbane Produktion und zu Innovationsparks für Forschung und Entwicklung in der Agglomeration geführt. Vier Unternehmer und eine Unternehmerin sprechen mit uns über die Gründe, die ihre Standortwahl geprägt haben.

 

Jodok Reinhardt, CEO von Librec, plant den Umzug auf das Papieri-Areal in Biberist Anfang 2024. Die multifunktional konzipierte Gewerbehalle im Osten des Areals ist auf die Bedürfnisse des Batterie-Recycling-Unternehmens ausgerichtet.

Spezifische Vorgaben
2021 gegründet, blickt Librec auf eine junge Geschichte zurück. Das Unternehmen sammelt schweizweit und international Antriebsbatterien aus der Elektromobilität und rezykliert diese. Das von Librec entwickelte Verfahren gewinnt mehr als 90 Prozent aller Batteriewertstoffe zurück. Für das Papieri-Areal in Biberist entschied sich Librec hauptsächlich aus betrieblichen und logistischen Gründen: « Es liegt ideal zwischen Bern und Zürich an der A 1 », sagt CEO Jodok Reinhardt. Der Standort nahe der Autobahn ist zentral, weil Batterien schwer sind und der Transport teuer ist. Wichtig war Reinhardt zudem, nicht auf der grünen Wiese zu bauen. Das ergibt für ein Recyclingunternehmen doppelt Sinn. Das Papieri-Areal wird von der Eigentümerin HIAG entwickelt. Der Librec-Bau wurde eigens für die Prozesse und Warenflüsse der Firma entworfen. Zu den spezifischen Vorgaben gehörte etwa der Brandschutz. Es ist geplant, in Zukunft weitere Flächen für verwandte Aktivitäten zu nutzen, etwa Forschung oder Schulung im Zusammenhang mit Elektromobilität und Recycling.

 

Merlin Kofler, Co-Founder und Geschäftsführer von Turicum, ist seit 2019 im Yond. In dem Zürcher Produktions- und Gewerbehaus lassen sich unterschiedliche Nutzungen auf verschiedenen Ebenen stapeln.

Synergien nutzen
Eine Destillerie ist nicht unbedingt das, was man in einem städtischen Umfeld erwartet. Doch genau eine solche befindet sich mitten in Zürich-Albisrieden. Turicum stellt neben Gin auch Wodka und Likör her, neuerdings zudem Rum. Merlin Kofler, Mitgründer der Firma, ist stolz darauf, der einzige Spirituosenhersteller in der Stadt Zürich zu sein. Wäre schon Apérozeit, würde er einen Gin Tonic offerieren – gleich beim Eingang steht eine Bar, die auch für Degustations-Events genutzt werden kann. Produziert wird in einem separaten Raum, der hohen Brandschutzauflagen entsprechen muss. Zentral für die Herstellung der hochprozentigen Getränke ist die Wasserqualität. Dass diese am neuen Standort ebenso gut ist wie am alten, war ausschlaggebend für den Entscheid, ins Yond umzuziehen. Die Nutzlast des Bodens sowie eine reibungslose Warenanlieferung waren ebenfalls wichtig. « Wir fanden das Konzept spannend, mehrere Gewerbe in einem Haus unterzubringen », sagt Merlin Kofler. Der Betrieb profitiert auch von Synergien mit anderen Firmen vor Ort. Die Räume im ersten Stockwerk übernahm Turicum im Rohbau und durfte diese nach eigenen Bedürfnissen gestalten. « Dank den grosszügigen Fensterfronten sind die Räume sehr hell, das schätzen wir besonders », resümiert Kofler die Vorteile der Location.

 

Dr. Christof Klöpper, CEO Basel Area Business & Innovation, ist seit 2022 im Main Campus in Allschwil.

Austausch unter Peers
Der Main Campus des Switzerland Innovation Park ( SIP ) in Allschwil befinde sich in einer Region mit einem enormen Innovationspotenzial, sagt Christof Klöpper, CEO der Basel Area. Ziel der Zusammenarbeit zwischen dem SIP und der Firma Senn war es, das Areal als Life-Science-Cluster weiterzuentwickeln. Die Architektur des Gebäudes stammt von Herzog & de Meuron. Im Innern verfügt es über eine Vielzahl von Laboren, die spezifischen Anforderungen gerecht werden müssen, etwa an Deckenhöhe, Traglast oder die Verfügbarkeit von Schächten für die Lüftungsanlagen. « Mit seiner Architektur bietet der Main Campus aber mehr als nur Funktionalität. Er fördert zugleich die Interaktion, die wiederum ein wichtiger Teil von Innovation ist. » Klöpper spricht aus eigener Erfahrung als Forscher. Die architektonische Qualität des Areals beeindrucke Firmen aus dem In- und Ausland auf Anhieb, so der studierte Wirtschaftsgeograf. Zu den Vorteilen des Standorts zählt er die gute Anbindung an Flughafen und Bahnhof sowie die hohe Dichte an Life Sciences in der Nachbarschaft. Das begünstige den Austausch unter Peers. Die Menschen, die im Main Campus arbeiten, gehören zu einer internationalen Gemeinschaft von Spezialisten. « Dadurch ist der Ort auch ein Talentpool », so Christof Klöpper.

 

Hans-Jörg Fankhauser, Arealentwickler und Architekt, wirkt seit 2021 im uptownBasel. Auf dem 70 000 Quadratmeter grossen Gelände in Arlesheim sollen in den nächsten Jahren neun neue Gebäude entstehen.

Neues fördern
Das Schoren-Areal in Arlesheim ist stark geprägt von der Industrialisierung. Nach den 1970er-Jahren lag es lange brach. Hans-Jörg Fankhauser erkannte das Potenzial des Standorts schon vor 20 Jahren ; 2015 entwickelte der Architekt gemeinsam mit dem Investor Thomas Staehelin die Idee eines Campus, der sich Nachhaltigkeitsthemen und den Technologien der Zukunft verschreibt: uptown-Basel. Das erste von neun geplanten Gebäuden, The Pioneer, wurde 2021 fertiggestellt. Seine Architektur verdeutlicht den Grundgedanken des Gesamtprojekts, neue Formen des Arbeitens zu ermöglichen und zu fördern. Die Erschliessung befindet sich in den äusseren Bereichen, rundherum gibt es abschliessbare Büros, während die Mitte der Bürogeschosse für Co-Working und Austausch genutzt werden kann. « Wir nennen diese Mitte Dorfplatz. Das Projekt entwickelt sich als Ökosystem, das auch die Gründung neuer Firmen fördern soll », sagt Hans-Jörg Fankhauser. Inspiration für das Gebäude war das Robotic Fabrication Laboratory der ETH Zürich, doch The Pioneer ist drei Mal so gross. In der Mitte liegt die Haustechnik, oben sind die Büros und unten die Produktion mit dem eigenen Datenzentrum. « Der Bau folgt dem funktionalen Ansatz des Stapelns », so der Arealentwickler des Kompetenzzentrums für die Industrie 4.0. Auch sein Architekturbüro befindet sich auf dem Areal. Das ermöglicht es ihm, die Bedürfnisse der Nutzer zu verstehen.

 

Hanna Olzon Åkerström, Mitgründerin von Soeder, plant den Einzug in die Werkstadt Zürich diesen Frühling. Die einstigen SBB-Werkstätten in Zürich sollen sich zum Werkplatz für Gewerbetreibende, Start-ups und Kulturschaffende entwickeln.

Gemeinsam geplant
Der Ort mitten auf dem Areal der ehemaligen SBB-Werkstätten in Zürich ist zwar noch eine Baustelle, doch wenn Hanna Olzon Åkerström durch die Räume führt, meint man die neue Produktionsstätte des Naturkosmetikherstellers Soeder schon vor sich zu haben. Als studierte Architektin hat sie die Umnutzung ihrer Mietfläche mitentwickelt, weiss sie doch über die spezifischen Bedürfnisse ihrer Firma am besten Bescheid. In Zusammenarbeit mit den SBB gelang es, alle Bereiche des Unternehmens von der Produktion über das Backoffice und das Lager bis zur Teststation für die Kundschaft in der denkmalgeschützten Halle unterzubringen. Das wachsende Sortiment und die grosse Nachfrage bewogen die beiden Gründer dazu, zurück in die Stadt Zürich zu ziehen, wo Soeder vor zehn Jahren entstanden ist. « Dieses Areal entspricht uns auch wegen seiner öffentlichen Zugänglichkeit », sagt Hanna Olzon Åker-ström. Synergien mit den anderen Mietern sieht sie in der Optimierung von Nachhaltigkeitsaspekten und im Wissenstransfer. Für ihre Mitarbeitenden sind die kürzeren Arbeitswege ein Pluspunkt, aber auch die Nähe zu den Abnehmerinnen ist wichtig. « Wir haben sehr enge Beziehungen zu unseren Kunden », so die Unternehmerin. « Zürich ist unsere Heimat, und wir wollen der Stadt auch etwas zurückgeben », fasst sie zusammen.

 

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