Architekturpreis Winterthur entschieden
Zum vierten Mal hat der Verein Architekturpreis Region Winterthur seine Auszeichnung vergeben. 66 Projekte wurden eingereicht, acht Anerkennungen verliehen, fünf Bauten und eine Landschaft prämiert.
Zum vierten Mal hat der Verein Architekturpreis Region Winterthur seine Auszeichnung vergeben. Gesucht und auch gefunden hat die siebenköpfige Jury baukulturelle Leistungen in den Bereichen Architektur, Ingenieurwesen und Landschaftsarchitektur. Die prämierten Objekten bilden fast alle Themen der aktuellen Architekturdiskussionen ab: Wohnen und Weiterbauen im (geschützten) Bestand, Nachverdichten in Wohnquartieren, Landschaft in der (Garten)Stadt und Infrastrukturbauten mit architektonischem Anspruch. Vorbildlich war auch die Zusammenarbeit zwischen SIA, Forum Architektur Winterthur und der Stadt. Frühzeitige Koordination und Absprache machten möglich, dass alle eingegebenen Objekte im Rahmen des Architekturtags am Samstag 5. September zu besichtigen waren. Das Angebot wurde rege genutzt, teilweise Hunderte standen an, um etwa das Adeline-Favre-Haus, den Neubau der ZHAW auf dem Sulzerareal, zu besichtigen.
Hier die Auflistung aller sechs Auszeichnungen mit ihren Jurykommentaren.
Wohnüberbauung Oberzelg
In Sennhof formt der Aussenraum das Projekt. Er ist geschickt in verschiedene Stationen unterteilt, die jeweils auf ihre Lage bezogen sind: Eine Art Dorfplatz am Bahnhof, eine innere «grüne Gasse» als Spiel- und Bewegungsraum und ein ruhigerer, baumbestandener Pocketpark am Ende. Ein richtiges Quartier ist hier auf einer Restparzelle entstanden. Weil in dieser Siedlung viele Menschen auf wenig Raum leben, kommen den Übergänge zwischen privatem Wohnen und öffentlichem Freiraum besondere Bedeutung zu. Sie sind geschickt gestaffelt und gestaltet. Die Wohnungen sind gut organisiert, so dass auf wenig Fläche grosszügige Grundrisse entstehen. Vor allem
die luftigen Loggien vor den farbigen Fassaden verleihen den Wohnungen einen weiten Atem.
Kita und Kunstraum
Der pavillonartige Bau ist sorgfältig in die durchgrünte Gartenlandschaft gesetzt. Sein kreuzförmiger Grundriss schafft klare Beziehungen zu den Nachbarn und fasst stimmige, schöne und funktionale Aussenräume in dieser Quartiererhaltungszone. Die strenge Setzung des Gebäudes und die collagenhafte Architektur beissen einander nicht, sondern erzeugen vielmehr eine gewinnbringende Reibungswärme. Beton, Zementstein und Holz kommen wie selbstverständlich zusammen und bilden ein harmonisches, zusammenhängendes Ganzes. Trotz des grossen Fussabdrucks wirkt das Gebäude nicht monumental, ja sitzt schon fast selbstverständlich zwischen den Villen. Die Aussenräume, die entstehen, schaffen gesamtstädtische Bezüge, was das Haus noch fester an seinem Platz verankert.
Adeline-Favre-Haus
Der Neubau der Fachhochschule interpretiert die Tradition der alten Industriehallen neu und ist damit auf eine faszinierende Art ortsspezifisch: Wie nebenan schützt die hohe Fassade einen monumentalen Innenraum, doch nicht Stahl trägt die Hülle, sondern Beton und dieser wird erst noch zum Heizen und Kühlen aktiviert. Und drin entlockt einem nicht die Grösse und Weite des Raums ein «Wow!», sondern das überwätigende Luftraumgebilde. Die Architekten haben den Aussenraum nach innen gestülpt, quasi die Stadt in eine Halle verpackt. Sie haben auch Grösse und Komplexität gut gemeistert, inklusive Velozufahrt direkt ins Haus. Entstanden ist – bei aller Strenge – ein informeller und lustvoller Marktplatz für Studierende aus ganz unterschiedlichen Pflegeberufen.
Massnahmenplan Tösspark
Der Massnahmenplan für den Tösspark zeigt, wie mit wenigen Eingriffen viel Wirkung für die ganze Stadt erzielt werden kann. Der Park ist zwar noch lange nicht gebaut, doch zeigen die Landschaftsarchitekten sein Potential deutlich auf. Erste umgesetzte Bausteine wie Tössmöbel, Uferteppe oder Schwemmsteg sind einfach gemacht, aber sorgfältig gedacht und präzise gesetzt. Der Prozess war vorbildlich: Behörden und Landschaftsarchitekten haben das Leitbild mit Quartierorganisationen, Schwimmbadgenossenschaften, Naturschutzgruppen oder Fischern im kooperativen Planungsverfahren entwickelt. Das Projekt zeigt beispielhaft wie Stadt und Landschaft, Behörden und Quartier, Natur und Landschaftsarchitektur gewinnbringend zusammengeführt werden können.
Wohnhaus Bahnhof Töss
Das Wohnhaus beim Bahnhof Töss ist eine hochdichte, eigenständige Wohnmaschine, die sich an der Schiene und nicht an der Strasse orientiert. Das Haus ist gut in die Topographie eingepasst und reagiert auf alle Seiten angemessen, spezifisch und selbstverständlich. Die Erschliessung ist effizient und überraschend, die langen Terrassen verleihen der Grossform einen menschlichen Massstab. Hier passt alles zusammen: Die prägende Erschliessungsidee zur langgezogenen Grossform, die Verjüngung nach oben mit der Bebauungsstruktur des Quartiers und das Pistaziengrün der Fassade mit den sorgfältig gestalteten Gärten und Aussenräumen entlang der Bahn- und Strassenseite.
Wohnüberbauung Hagmannareal
Mit der Umnutzung der gut erschlossenen Gewerbebrache in eine Wohnanlage nach den Grundsätzen der 2000-Watt-Gesellschaft beweist eine private Bauherrschaft: Ausnutzungs- und Gewinnsteigerung und qualitätsvolle Räume und Nachbarschaften sind keine Gegensätze. Das Projekt ist sorgfältig aus der Geschichte des Orts und der Familie entwickelt, gut in die Topographie eingepasst, ökologisch materialisiert und durchdacht organisiert. Sorgfältig sind auch die vielfältigen Aussenräume und ihre Anschlüsse ans Haus gestaltet. Ihre «verkehrte» Nutzung – im Hof öffentlich, Aussen privat – schaffen Gemeinschaft und machen Rückzug trotzdem möglich.
Anerkennungen
Betriebstankstelle Toggenburger (BDE Architekten); Ersatzneubau Wartstrasse (Zach + Zünd Architekten); Wohnturm Grenzsstrasse (Wild Bär Heule Architekten); Bürogebäude Givaudan (Ernst Niklaus Fausch Partner); Einfamilienhaus Eidbergstrasse (Architektur Büro Marazzi Reinhardt); Umbau und Sanierung Lagerplatzareal (Gadolaringli Architekten); Neubauten Häuserzeile Siedlung Leimenegg (Bernath + Widmer); Neubau Restaurant Schwimmbad Wolfensberg (Bernath + Widmer)
Zur Wahl des Publikumspreises geht es hier. Die Umfrage läuft bis 25. September 2020.
Juryzusammensetzung
Adrian Streich, Architekt, Preisträger AW16, Zürich; Marcia Akermann, Architektin, Zürich; Sabine Kaufmann, Landschaftsarchitektin, Uster; Wolfram Kübler, Bauingenieur, Zürich; Christa Meier, Stadträtin, Vorsteherin Departement Bau; Urs Schäfer, Vorstandsmitglied Regionalplanung Winterthur und Umgebung (RWU, Schlatt); Jens Andersen, Stadtbaumeister.