Warum eigentlich nicht Fribourg
Kurz nach dem Studium gründete Charly Jolliet sein eigenes Architekturbüro in Fribourg. Austausch und Inspiration findet er bei befreundeten Berufsleuten und in der Fotografie.
Es ist Mittagszeit, und im Botanischen Garten der Universität Fribourg breiten Studierende und Büroangestellte ihr Picknick aus. Nur wenige Neugierige zieht es in den verborgenen Teil weit hinten im Garten, wo der letzten April eingeweihte Bereich ‹Bäume der Vergangenheit – Bäume der Zukunft› liegt. Kurvige Stege führen durch das hohe Gras zum dreieckigen Umbrella Pavilion, dem Kernstück des neuen Bereichs. Mit seinem um eine stufenhöhe angehobenen Bretterboden, den umlaufenden Sitzbänken und dem markanten Schindeldach erinnert das kleine Bauwerk an einen japanischen Teepavillon.
Im Schatten des Daches sind die Querschnitte verschiedener Baumstämme aufgebaut, auf Tafeln steht, was die Jahrringe über das Leben der Bäume erzählen. Wer mit Charly Jolliet hier ist, braucht jedoch nicht zu lesen. Der Architekt des Pavillons erklärt, welche Ringe auf Trockenheit hindeuten, oder dass die auffällige Störung in einem der Ringmuster von einer Lawine herrührt. Holz, das wird schnell klar, ist Jolliets Leidenschaft. Die Begeisterung für den Baustoff und die Liebe zum Konstruktionsdetail hat er von seinem Vater geerbt, der bis zur Pensionierung vor zwei Jahren eine Holzbaufirma im freiburgischen Montbovon führte. Und ihm verdankt er letztlich den Auftrag für den Pavillon.

Sein erstes Projekt, die Sanierung der ehemaligen Herberge Des Préalpes in Les Sciernes d'Albeuve realisierte Charly nämlich im väterlichen Unternehmen, wo eines Tages eine E-Mail in seinem Postfach landete: Ob die Firma für den Botanischen Garten einen einfachen Unterstand liefern könne? Sicher, antwortete Charly Jolliet, doch in einem so schönen Garten liesse sich doch etwas Besseres machen. Als er den Bauplatz besichtigte, fand er drei kranke Lärchen vor, deren Fällung beschlossene Sache war. Jolliet verband die Standorte der drei Bäume zu einem Dreieck – zur Form des neuen Pavillons. Die unteren Stücke der Baumstämme liess er schälen. Sie tragen als Eckstützen das Dach. Eine lokale Sägerei stellte aus dem restlichen Holz Bretter für Boden und Bänke her.
Viel Platz für Ideen
In der Altstadt von Fribourg steht ein zierliches Holzmodell des Umbrella Pavilions. Das dreieckige Dach scheint über dem Rest zu schweben – Jolliet hat es an einem Faden an die Decke seines Ateliers gehängt. An den Atelierwänden hängen reihenweise Pläne und Bilder, unter anderem die dreier Reihenhäuser, für die Jolliet kürzlich das Baugesuch eingereicht hat. Zurzeit arbeite er alleine hier, was gerade bei Wettbewerben manchmal hart sei, sagt er. Austausch findet er im Gespräch mit befreundeten Berufsleuten und beim Fotografieren, seiner zweiten grossen Leidenschaft. Über die Architekturfotografie lernt er die Arbeiten anderer Büros kennen, teilt mit ihnen Ansichten und Erfahrungen.

Dass er nur drei Jahre nach dem Architekturstudium an der ETH Zürich als Ein-Mann-Büro in seinem Heimatkanton starten würde, hatte Jolliet aber nicht gedacht. Nachdem er in einem Austauschsemester Tokio kennengelernt und als Praktikant bei Bruther in Paris gearbeitet hatte, wollte er sich erst einmal in einem grossen Zürcher Büro bewerben – bis zu dem Tag, als für ein Konzert auf der Belvédère-Terrasse nach Fribourg fuhr. Beim Blick über die Dächer der Altstadt dachte er plötzlich: Warum eigentlich nicht Fribourg?
Als sei es eine Absichtserklärung, steht ein langer Arbeitstisch im Atelier – viel Platz, der mit grossen Ideen, Projekten – vielleicht auch bald von ersten Angestellten – gefüllt werden will.
In der Rubrik ‹Wilde Karte› präsentieren Hochparterre, Zürcher Ziegeleien und Swisspearl jedes Jahr vier ausgewählte Architekturbüros, deren Gründerinnen und Gründer unter 40 sind. Am 21. September wetteifern die vier Büros im Architekturforum Zürich um einen Platz bei einem eingeladenen Architekturwettbewerb.