Am 1. Dezember fand das erste Wettbewerbslabor statt. Fotos: Raisa Durandi

Die einzige Konstante im Wettbewerb ist die Veränderung

CO2-Budget? Vereinfachtes Verfahren? Richtige Grad der Digitalisierung? Das erste Wettbewerbslabor bot viel Stoff für Diskussionen. Der ausgebuchte Kongress bekam viel Lob.

Ein Ort des Austausches und der Diskussion – das war das erste Wettbewerbslabor, das am 1. Dezember 2023 in einer ehemaligen Industriehalle in Zürich-Oerlikon stattgefunden hat. Offenbar bestand ein grosses Bedürfnis, über brennende Fragen im Wettbewerbswesen zu diskutieren, sonst wären die 150 Plätze am Kongress nicht ausgebucht und die Warteliste nicht mit 50 Namen gefüllt gewesen. Veranstaltet hat das Wettbewerbslabor 2023 die Stiftung Forschung Planungswettbewerbe zusammen mit Hochparterre. Aus der Wettbewerbsszene waren vor allem drei anwesenden Gruppen auszumachen: Organisator*innen, Teilnehmer*innen und Auslober*innen, wobei private Bauherrschaften kaum zu sehen waren.
 
Drei «Laborgruppen» hatten sich schon vor dem Kongress getroffen. Sie beschäftigten sich während eines halben Jahres mit dem steigenden Aufwand, dem digitalen Wettbewerb und der Klimakrise. Ihre Vorschläge zur Verbesserung der ausgemachten Probleme stellten sie in Workshops zur Diskussion.

Einer von neun Workshops: die «Klimagruppe» stellt ihr C02-Budget zur Diskussion

Zuerst fiel die Laborgruppe «Klimakrise und Wettbewerb» mit einem radikalen Vorschlag auf. Ginge es nach ihr, dann würden in Zukunft die Wettbewerbe nur noch mit einer einzigen Vorgabe ausgeschrieben, nämlich mit einem CO2-Budget. Die Übersetzung in ein Raumprogramm würde so zu einem wichtigen Teil der Wettbewerbsaufgabe. Denn «im Korsett eines architektonischen Raumprogramms werden echte Innovationen zu den Themen der Nachhaltigkeit und des Klimas verzwergt», meinte Architekt Claudio Meletta stellvertretend für die Gruppe. Dass das Resultat des Wettbewerbs in Zukunft nur ein Ausgangspunkt für einen Prozess und nicht ein fertiges Projekt sein könnte, stiess in der Schlussdiskussion auf dem Podium auf heftigen Widerstand. Warum den in der Schweiz so gut funktionierenden Planungswettbewerb so radikal verändern? Die Laborgruppe glaubt fest an ihren Vorschlag und hofft auf Bauwillige, die dieses neuartige Verfahren ausprobieren wollen.
 

Nilufar Kahnemouyi und Adrian Streich leiten einen Workshop zum «steigenden Aufwand»

 Als «rückwärtsgewandt» hat jemand  in den Diskussionen den Vorschlag der Laborgruppe «Steigender Aufwand» bezeichnet. Dabei will die Gruppe – der Schreibende war auch Mitglied – nichts weniger als den Wettbewerb retten. Denn die Aufwändungen haben sich in den letzten 20 Jahren vervielfacht: für die Organisator*innen, besonders aber für die Planungsteams. Vertreter*innen von Architekturbüros sehen den Wettbewerb tatsächlich in Gefahr, weil sie die Wettbewerbsaufgaben nicht mehr bewältigen können. Die propagierte Lösung: Zurück zum einfachen Wettbewerb! Weil die Gruppe mehrstufige Verfahren und Überarbeitungen als grösste Zeitfresser ausfindig gemacht hat, will sie beispielsweise nur noch einstufige Projektwettbewerbe ausgeschrieben sehen. Oder Spezialist*innen soll man wieder aus der Fachjury verbannen. Auch zum vereinfachten Verfahren war Kritik zu hören: Bauherrschaften bräuchten Sicherheiten, darum auch mehrstufige Verfahren. Und sie würde nachhaltige Projekte wollen, darum auch Nachhaltigkeitsspezialist*innen in der Jury. Und stehe darum der «Einfache Wettbewerb» nicht im Widerspruch zu Nachhaltigkeitszielen?

Welche Art von Digitalisierung im Wettbewerb?

Wohlüberlegt und differenziert ging die Digitalisierungsgruppe vor. Sie sieht viele Herausforderungen, aber auch Mehrwerte, die die zunehmende Digitalisierung bringt. Sie will Vorbehalte abbauen, aber den richtigen Grad an Digitalisierung treffen. Darum fragte sie auch nach dem Sinnvollen, nach dem Machbaren. In der Diskussion zeigt vor allem Organisator*innen und Auslober*innen einen Drang zu höherer Digitalisierung, während die Planungsbüros zurückhaltender waren und Digitalisierung nur annehmen, wenn sie auch Mehrwerte sehen. Der Gruppenleiterin Katja Köder ist wichtig, Standards zu setzen und die Aufwände im Griffe zu haben. Das sieht sie Parallelen zu den andern Laborgruppen.
 
Auf dem abschliessenden Podium tat sich ein Graben auf zwischen denjenigen, die die Klimakrise wirklich angehen wollen, und allen, die den heutigen Wettbewerb nicht grundsätzlich hinterfragen wollen, weil er in der Schweiz gut etabliert sei. Es seien nur wenige Veränderungen nötig. An der Bar gingen die Diskussionen bis spät in die Nacht weiter.

Die für das Wettbewerbslabor neu gebaute Bar

Mit freundlicher Unterstützung von Zumtobel, Zürcher Ziegeleien und Bundesamt für Kultur

close

Kommentare

Kommentar schreiben