Terrazzoboden, Betonputz und Holz holen den Aussenraum in die Kundenhalle. Fotos: Thomas Studhalter
Im Auftrag von Dobas AG

Nachbarschaftsgefühle

Ein Luzerner Innenarchitekturbüro setzt auf die Nähe zum Quartier, um den Anforderungen des Bankgeschäfts architektonisch Ausdruck zu verleihen.

Einst glichen Banken Kathedralen oder römischen Tempeln, mit imposanten Säulen, Kuppeln und prächtigen Hallen. Ihre grosszügigen Proportionen und ihre Materialität versprachen maximale Seriosität. Auch die Luzerner Kantonalbank logierte einst in einem neubarocken Prachtbau. Seine Schalterhalle war prunkvoll, aber auch so gross, dass sie sämtlichen Erweiterungswünschen im Weg stand. Als der Wirtschaftsboom der 1960er-Jahre neue Bedürfnisse weckte, riss man das Gebäude ab und ersetzte es durch einen Neubau des Zürcher Generalunternehmens Karl Steiner.

Der prägnante, u-förmig angeordnete Baukomplex mit Rasterfassade und orange verspiegelten Fenstern umfasst in seiner Mitte einen öffentlichen Platz. Er ist Teil einer Fussgängerpassage, die quer durch das Gebäude führt und die Neustadt mit der Altstadt verbindet. Obwohl sich der Bau einer völlig anderen visuellen Sprache bediente als sein Vorgänger, hatte er auch Gemeinsamkeiten: eine grosse, elegant gestaltete Schalterhalle. Mehrere «Facelifts» und Umbauten später – zuletzt im Jahr 2007 –, wurde dies erneut zum Problem. Denn seit Bankkunden ihre Überweisungen vom Küchentisch aus tätigen, bleiben Schalterhallen immer öfter leer. Während viele Schweizer Banken Filiale um Filiale schlossen, entschied die Luzerner Kantonalbank, ihren Hauptsitz mit einem Umbau zu stärken. Die unbelebt wirkende, kühle Halle sollte sich zu einem Ort mit persönlicher Atmosphäre entwickeln, der den Wandel von der Transaktions- zur Beratungsbank architektonisch widerspiegelt.  

Da sich die Bauherrin als Teil der Nachbarschaft positionieren wollte, erhielten Antonietty Architekten den Auftrag, Kundenhalle und Quartier miteinander zu verbinden. Die hochfrequentierte Lage und der parallele Betrieb von Baustelle und Bank machten den Umbau zur Herausforderung. Ende 2022 waren ein neuer Grundriss, die Zonierung, das Materialkonzept sowie technische Gestaltungsmittel wie etwa eine grosse Videowand definiert.

Obwohl 266 Quadratmeter von der Kundenhalle abgetrennt worden waren, erwies sich ihr enormes Volumen als Knacknuss. Die Bauherrin entschied deshalb, das Projektteam mit dem Luzerner Innenarchitekturbüro Dobas zu verstärken. «Üblicherweise sind wir von Anfang an in die Bauprojekte involviert», erklärt die Innenarchitektin Isabelle D’Angelo, «erst ein Jahr vor der Wiedereröffnung einzusteigen, war sportlich und erforderte einen engen Austausch aller Beteiligten».

Halboffene Pergolen und im Raum platzierte Arbeitsplätze orientieren sich an den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kunden.

Das Büro von Dobas liegt nur wenige Meter von der Kantonalbank entfernt an der Pilatusstrasse. D’Angelo und ihr Projektteam analysierten das Quartier Hirschmatt-Neustadt gründlich. Inspiration fanden sie vor ihrer Haustür: in Parks, Restaurants und Läden, den quartiertypischen Blockrandbauten sowie einer Vielfalt an Materialien. Innerhalb weniger Wochen erarbeiteten sie ein Konzept, um plane Flächen und Fronten aufzulösen und so den hallenartigen Raumcharakter zu verändern.

Zurückhaltende Farben und Tapeten holen die Natur in die genderneutrale Toilette.

Heute greifen Holzlamellen vor glatten Glasfronten die Strukturen von Schaufensterjalousien auf und schirmen die Darinsitzenden vor neugierigen Blicken ab. Anstelle weiss verputzter Wände imitieren Betonfassaden die benachbarte Umgebung. «Bis wir die richtige Struktur gefunden haben, waren etliche Versuche und viel Handarbeit nötig», sagt D’Angelo. Der Boden ahmt den Stadtraum ebenfalls nach: An Pflasterstein erinnernder Terrazzo bildet geschwungene Wege und grenzt öffentliche von privateren Bereichen ab. Und auch eine hölzerne Sitzwelle und eine Rundbank mit integriertem Baum greifen die Sitzmöglichkeiten öffentlicher Plätze auf – eine Einladung an die Besucherinnen und Besucher, sich niederzulassen, einen Espresso zu trinken und ihre Zeit hier zu verbringen.

Je nach Licht der Wolke verändert sich die Stimmung in der Kundenhalle.

Wie bei der Luzerner Kantonalbank heute gearbeitet wird, zeigt die Gliederung in drei Beratungsebenen: Im Raum platziert stehen vier Stehpulten, die sich mit wenigen Handgriffen verschieben lassen. Hier finden kurze Gespräche statt. Wer mehr Zeit braucht, sitzt in eine der sogenannten Pergolen, deren Pendelleuchten und Gartenmöbel auf sommerliche Terrassen verweisen. Sie sind von Kletterpflanzen umgeben, deren Ranken schon bald für Sichtschutz sorgen werden. Und schliesslich gibt es eine Reihe abgeschlossener Zimmer, in denen vertrauliche Beratungen stattfinden. Ihre Farbwelten widerspiegeln die aktuelle Banknoten-Serie. Fototapeten greifen für Luzern typische Orte auf, etwa den Strand an der «Ufschötti», den Gütschwald oder den Gletschergarten.

Teppiche, fotorealistisch bedruckte Tapeten und Pflanzen in den Beratungszimmern sollen für eine wohnzimmerartige Atmosphäre sorgen.

Kleine Bäume und Zimmerpflanzen lockern die Atmosphäre zusätzlich auf.

Um den Kontrast zwischen geraden Linien und den organischen Formen zu reduzieren und die statische Fläche der Decke aufzubrechen, entwarfen D’Angelo und ihr Team eine dreidimensionale Wolkendecke. Diese setzt sich aus 162 unterschiedlich geformten Papierstreifen zusammen, die im Abstand von 65 Millimetern an der Decke montiert sind. Über ihr ahmen vorprogrammierte LED-Elemente die Tageszeiten sowie das Spiel der Wolken nach. Am echten Wetter orientieren sie sich dabei nicht – immerhin ist Luzern eine der regenreichsten Städte der Schweiz. Zum Glück bleibt man im neuen «Quartierteil» auf jeden Fall trocken.

162 unterschiedlich geformten Papierstreifen ahmen die Struktur einer Wolke nach.

 

Die Rubrik Werkplatz ist eine Kooperation von Hochparterre mit ausgesuchten Firmen und Institutionen des Werkplatzes Schweiz.

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