Biberschwanzziegel auf dem sanierten Dach vom historischen Haus «Du Pont» in Zürich.
Im Auftrag von Zürcher Ziegeleien

Mit traditionellen Ziegeln neu eingedeckt

Bei der denkmalpflegerischen Instandsetzung von Bauten aus dem frühen 20. Jahrhundert spielt die Erscheinung des Dachs eine wesentliche Rolle. Neu gefertigte Biberschwanzziegel tragen zum Gelingen bei.

Seit über 130 Jahren produzieren die Zürcher Ziegeleien in ihrem Werk in Laufen Biberschwanzziegel. Heute wird der traditionsreiche Ziegel unter der Bezeichnung «Casta» in modernen Produktionsanlagen hergestellt – und erfreut sich wachsender Beliebtheit. Der bereits im Mittelalter verwendete Biberschwanz ist ein flacher Dachziegel, der dank seiner abgerundeten Unterkante an den Schwanz des namensgebenden Tiers erinnert. Mit der sogenannten «Nase» auf der Rückseite können Biberschwanzziegel einfach an der Dachlatte eingehängt werden. Kante an  Kante horizontal nebeneinander verlegt, die obere Reihe jeweils um einen halben Ziegel zur unteren verschoben, ergibt sich das typische Bild eines Biberschwanzziegeldachs. Es prägt viele Bauten des frühen 20. Jahrhunderts in der Schweiz.

 

Typische Dächer des gemeinnützigen Wohnbaus

Die baukulturelle Wende, die statt auf Ersatzneubauten auf Bestandserhalt und Sanierung setzt, hat auch die Nachfrage nach Biberschwanzziegeln steigen lassen. Beispielhaft dafür sind die zahlreichen gemeinnützigen und genossenschaftlichen Wohnbauten, die anfangs des 20. Jahrhunderts in Zürich entstanden sind. Vor nicht allzu langer Zeit noch Abbruch-Kandidaten, werden sie heute wieder vermehrt erhalten und instandgesetzt. Die notwendige Sanierung umfasst in den meisten Fällen auch das Dach, das bei diesen Bauten typischerweise aus Biberschwanzziegeln besteht. Der Ersatz der alten Ziegel durch neue unterliegt dabei nicht selten denkmalpflegerischen Auflagen: Das neu eingedeckte Dach soll dem Original so nah wie möglich kommen.

Mit dem Standardsortiment versuchen die Zürcher Ziegeleien, die gängigsten historischen Ziegel abzudecken. Es gibt die Casta Biberschwanzziegel in verschiedenen typischen Farbtönen und Formen. Das einfache Herstellungsverfahren bietet gleichzeitig Möglichkeiten zur spezifischen Einflussnahme. So können in der Casta Manufaktur auch eigens für den jeweiligen Bau gestaltete Biberschwanzziegel produziert werden. Dies ist gerade bei denkmalgeschützten Gebäuden häufig der Fall.

 

Standardziegel, Spezialanfertigungen und Dachdecker-Know-How

Ein Beispiel für den Einsatz von Casta-Biberschwanzziegeln aus dem Standardsortiment findet sich in der genossenschaftlichen Siedlung «Letten 4» in Zürich-Wipkingen. Zusammen mit den angrenzenden Siedlungen und dem benachbarten Schulhaus bilden die Wohnhäuser von «Letten 4», 1925 erbaut von Peter Giumini, ein wichtiges baugeschichtliches Ensemble. Im Zuge der umfassenden Sanierung der gut hundertjährigen Bauten mussten auch die zeittypischen Walm- und Mansarddächer erneuert wurden. Dafür konnten die Zürcher Ziegeleien einen originalgetreuen Biberschwanzziegel anbieten  – gewellt, rund, naturrot.

Typische Architektur mit typischen Ziegeln: Die Genossenschaftssiedlung «Letten 4» nach der denkmalpflegerischen Instandsetzung.

Der Ziegel allein garantierte allerdings noch keine gelungene Dachsanierung, denn die historischen Dachgeometrien sind komplex. Es galt zum Beispiel, die Übergänge von steileren zu flacheren Partien oder von Lukarnen auf Hauptdächer zu bewältigen. Auch Dachkehlen, die heute mit Blech ausgeführt werden, wurden früher mit Ziegeln verlegt. Hierfür braucht es Ziegel, die vor Ort auf die spezifische Situation zugeschnitten werden, es braucht aber auch das entsprechende historische Know-How. Dieses vermittelten Instruktoren der Zürcher Ziegeleien, die mit den Dachdeckern aufs Dach stiegen, Musterlösungen fertigten und diese von der Denkmalpflege abnehmen liessen.

 

Farben und Formen

Die Casta-Biberschwanzziegel kommen bei vielen Instandsetzungen historischer Bauten zum Einsatz. Neben der Siedlung Letten 4 wären als jüngste Beispiele zu nennen die Wohnsiedlung Bullingerhof in Zürich (Karl Kündig und Heinrich Oetiker, 1931), die Genossenschaftssiedlung Drei Linden in Basel (Mumenthaler & Meier, 1944) oder das ehemalige Kosthaus auf dem Bally-Areal in Schönenwerd (Karl Moser, 1919).

Wie heute nicht mehr gängige Dachformen und -details neu, aber denkmalpflegerisch korrekt eingedeckt werden können, zeigt auch die Sanierung des Hauses Du Pont unweit des Zürcher Hauptbahnhofs. 1913/14 von den Zürcher Architekten Haller & Schindler in Formen des Neobarocks und des Jugendstils erbaut, verfügt das Geschäftshaus mit Restaurant und ehemaligem Kino über eine vielfältige Dachlandschaft aus verschiedenen Kuppeln, Fledermausgauben und Dachkehlen. Der organische Fluss aus Kurven und Bögen, der das charakteristische Dach bestimmt, konnte auch hier dank speziell gefertigten, teils überlangen, konvex und konkav geformten Ziegeln nachgebildet werden.

Die geschwungene Dachlandschaft des Hauses «Du Pont»

Für das historisch adäquate Erscheinungsbild nicht unerheblich ist schliesslich die Farbigkeit, genauer: die Mischung verschiedener Farbtöne, die für ältere Dächer typisch ist. Historische Dächer vefügen oft über eine Mischung aus alten und neueren Ziegeln, da einzelne Ziegel über die Jahre mit neueren ersetzt wurden, die je nach Herkunft eine andere Farbe hatten und eine andere Patina entwickelten. Diese geschichtlich bedingte farbliche Varietät reproduzieren die die Zürcher Ziegeleien im modernen Werk, indem beispielsweise ein Teil der Ziegel in naturroter Farbe, ein anderer sandfarbig und ein dritter hellbraun hergestellt wird.

Notabene: Nicht immer werden bei einer Instandsetzung sämtliche Ziegel ersetzt. Je nach Zustand von Dach und Eindeckung werden sie auch heruntergenommen, gereinigt und wieder montiert. Dazwischen liegt die Prüfung der einzelnen Ziegel. Wie dieser Prozess durch maschinelle Prüfung zuverlässiger gestaltet und damit ein Beitrag zur Wiederverwendung von Produkten geleistet werden kann – darüber wird ein andermal zu berichten sein.

Die Rubrik Werkplatz ist eine Kooperation von Hochparterre mit ausgesuchten Firmen und Institutionen des Werkplatzes Schweiz.

 

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Kommentare

Andreas Konrad 30.10.2023 01:13
Die Schönheit der Dächer ! Herrliche Beispiele, wie wichtig bei feinen Renovationen das Dach was hermacht. Nach den Wahlen dürfte es den Solarpanel - Verschandlern deutlich schwerer fallen, solche Bijous zu zerstören. Ein Hoch auf den Biberschwanz !
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