Vom Zelt auf die Baustelle

Das Deckensystem des Hortus-Gebäudes in Allschwil bringt Herausforderungen mit sich. Blumer Lehmann und ‹Lehm Ton Erde› stellen sich diesen gemeinsam und vereinen die beiden Welten des Holz- und Lehmbaus.

Fotos: Stephan Rappo
In Zusammenarbeit mit Senn

Das Deckensystem des Hortus-Gebäudes in Allschwil bringt Herausforderungen mit sich. Blumer Lehmann und ‹Lehm Ton Erde› stellen sich diesen gemeinsam und vereinen die beiden Welten des Holz- und Lehmbaus.

Am Hegenheimermattweg in Allschwil wechseln sich Brachen, Baustellen und Neubauten ab, hinter einem Gerüst lugt bereits die erste Ecke des Hortus hervor. Vier einfache Zelte beherbergen die Feldfabrik für dessen Deckenelemente. Dorthin führt uns Bettina Baggenstos als Erstes. Für Blumer Lehmann koordiniert sie die Stampflehmarbeiten an den Holz-Lehm-Decken vor Ort. Zusammen mit ‹Lehm Ton Erde› hat sie die Feldfabrik aufgebaut, in der bis nächsten Frühling 800 Deckenelemente gestampft werden.

Der Lärm der Stampfer übertönt alle Erklärungen zur Konstruktion, wir flüchten ins Mock-up. Baggenstos beginnt bei den Grundlagen: Die Primärträger sind aus Buche, die Sekundärträger aus Fichtenvollholz. Diese stellen Blumer Lehmann in ihrem Werk in Gossau her. Das Standardelement erfordert 5.4 Meter lange Fichtenvollholzträger, was die Standardlänge der Rundhölzer übersteigt, die die Firma normalerweise verarbeitet. Durch die grossen Dimensionen fallen beim Zuschnitt mehr Reststücke an. Aus den Seitenbrettern fertigen sie deshalb die Fassadenlattung und die Fensterrahmen.

Die Nachbearbeitung der Elemente geschieht in Handarbeit.

Mit Handstampfer und Rüttelmaschine verdichten die Mitarbeitenden den Lehm.

Zwei Welten
Vor dem Produktionsstart mussten die beiden Firmen Grundsätzliches diskutieren. «In der Feldfabrik treffen zwei Welten aufeinander», erklärt Baggenstos. Wie lässt sich der saubere, automatisierte Holzbau mit der erdigen Handarbeit des Lehmbaus kombinieren? Sollen die Elemente in einer Produktionslinie oder an festen Arbeitsplätzen gefertigt werden? Das Gewicht der Elemente sprach für Letzteres. An verschiedenen Plätzen arbeiten zehn bis zwölf Menschen, gemeinsam produzieren sie sechs bis sieben Elemente pro Tag. Die eine Seite des Produktionszeltes gehört der Vor- und Nachbereitung der Elemente und damit der Handarbeit. Gerade kniet ein Mitarbeiter in einer der vier Elementbahnen und verdichtet sorgfältig den Lehm in den angeschrägten Ecken, die verhindern, dass der Lehm später aus dem Element rutscht.

Blumer Lehmann und ‹Lehm Ton Erde› haben sich für die Automatisierung der Prozesse eingesetzt und eine Befüllmaschine entwickelt. Diese verteilt auf der gegenüberliegenden Seite des Zeltes gleichmässig die richtige Menge Lehm in den Elementen, bevor er mit Handstampfer und Rüttelplatte verdichtet wird. Die Wendevorrichtung am Ende der Halle haben Blumer Lehmann geschickt aus Komponenten aus ihrem Lager für den neuen Zweck zusammengebaut. Soeben helfen zwei Mitarbeiter, das 3,5 Tonnen schwere, fertig gestampfte Element vom Gabelstapler präzis auf die Rollen zu verschieben. Doch der Stapler fährt wieder weg, das Element bleibt liegen. «Es darf keine Verzögerung an den Produktionsarbeitsplätzen geben» erklärt Baggenstos. «Dass es dort etwas zu tun gibt, hat oberste Priorität.» Der Stapler legt ein leeres Element bereit, die Haltevorrichtung fixiert es am Arbeitsplatz, die Befüllmaschine rauscht, wieder geht unser Gespräch im lauten Klopfen der Stampfmaschinen unter.

Der Gabelstapler legt ein leeres Element am Produktionsarbeitsplatz zum Stampfen bereit.

Innerhalb von nur wenigen Minuten versetzen die Mitarbeiter auf der Baustelle die Bodenelemente.

Alles vor Ort
Hinter dem Produktionszelt liegen auf dem Mischplatz mehrere Erdhaufen. Trotz der geringen Aushubmenge für die Punktfundamente kann längst nicht der ganze Aushub für die Elemente verwendet werden. Mit dem gleichmässigen und erst noch geeigneten Bodenaufbau hatten sie Glück: Unter der nicht verwendbaren Humusschicht liegt eine stark verlehmte Schicht, darunter lehmiger Schotter, dann sandiger Schotter. Zu gleichen Teilen haben sie die drei Schichten für die Lehmmischung genutzt. Insgesamt 75 Prozent des Lehms stammen aus dem Boden vor Ort, der Rest ist zugekaufter Mergel aus der Region.

Um die Schichten im richtigen Verhältnis mischen zu können, haben die Arbeiter den Boden sorgfältig in Zehn-Zentimeter-Schichten ausgehoben und die Anteile gesiebt. Einfache Dinge wie der Regen wurden dabei zum Hindernis, der schwere, nasse Aushub war kaum durch das Sieb zu bewegen. Die benachbarte Firma Habö hat den Aushub danach direkt neben der Baustelle gebrochen. So verkeilen sich die Körner besser, und später lösen sich keine grossen Steine aus der nur zwölf Zentimeter dünnen Lehmschicht. Alle paar Wochen mischt die Firma PNT die Anteile. Damit keine Fremdstoffe in die Mischung kommen, haben die Leute vorab sogar den Boden der Mischstelle mit dem richtigen Material vorbereitet. «Den Aushub wiederverwenden – das klingt so einfach, aber eigentlich sind ganz schön viele Schritte dafür nötig, und der logistische Aufwand ist gross», sagt Baggenstos.

Zwischen die Deckenelemente montieren sie die Buchenstützen des nächsten Geschosses.


Aufbau in Etappen
Für den Transport der schweren Elemente haben Blumer Lehmann eine Lösung mit Traktor und Spezialanhänger gefunden. So können vier Elemente pro Fahrt von der Feldfabrik zwei Baufelder weiter zur Baustelle transportiert werden. Zu Fuss nehmen wir die Abkürzung durch den Innenhof des Main Campus.

Der Polier von Blumer Lehmann führt uns auf die Baustelle. Wenn er erzählt, klingt alles ganz einfach. Die Arbeiter richten die Holzstützen auf, heben danach laufend die schweren Elemente mit dem Kran auf die Stützen und verschrauben sie. Innerhalb von nur 15 bis 20 Minuten versetzen sie ein Element. Nach den Stützen und Decken bauen sie die Bauzeitaussteifung ein: diagonale Holzstreben, fast so gross wie die tatsächlichen Verstrebungen. Das ist nötig, weil das Gebäude nicht geschossweise, sondern in sechs Etappen aufgerichtet wird.

Das Wetter diktiert das Tempo. Läuft alles gut, richten die Bauarbeiter innert zweieinhalb Tagen ein Geschoss auf. Bis Frühling werden sie alle Etappen gebaut, alle 800 Elemente versetzt haben. Dann wird sich auch das Gebäude selbst aussteifen, und die Bauzeitverstrebungen werden der Holzständerkonstruktion in den Bürogeschossen weichen.

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