Die vier Bausteine von Pratteln Mitte

Rund um den Bahnhof Pratteln entsteht ein neues Zentrum. Wer baut hier und mit welchen Ambitionen? Ein Spaziergang gibt Aufschluss.

Fotos: Christian Aeberhard
In Zusammenarbeit mit dem Kanton Basel-Landschaft und der Gemeinde Pratteln

Rund um den Bahnhof Pratteln entsteht ein neues Zentrum. Wer baut hier und mit welchen Ambitionen? Ein Spaziergang gibt Aufschluss.

Der ‹Sutter Begg› ist der Treffpunkt am Bahnhof Pratteln. In der Auslage locken Schoggiweggli und lachen Spitzbuben, am Stehtresen lesen die Gäste Zeitung oder schauen dem Treiben auf dem Platz zu. So weit, so unverdächtig für eine Schweizer Kleinstadt. Nicht recht ins Bild passen will der futuristische Turm, der sich über dem Café im Sockelgeschoss erhebt. Siebzig Meter ist er hoch und rautenförmig im Grundriss, die Fenster klaffen wie Messerschnitte in der feuerverzinkten Stahlhaut. Der ‹Aquila Tower› markiert seit 2016 den Bahnhofplatz. Er ist eine städtebauliche Absichtserklärung und ein Vorbote der urbanen, selbstbewussten Stadt, die Pratteln werden will.

Nicht sehr urban, aber immerhin schon Stadt ist Pratteln südlich der Bahngleise, wo beschauliche Wohnquartiere und Einkaufsmöglichkeiten liegen. Anders ist es im Norden, wo wenige Menschen wohnen und viele arbeiten. Hier besteht der öffentliche Raum vornehmlich aus von Mauern und Zäunen gesäumten Strassen und Schleichwegen, die über ihre Funktion als Verkehrsverbindungen hinaus kaum Qualitäten haben. Die Industrieareale hinter den Einfriedungen sind für die meisten Einheimischen unbekanntes Terrain.

Am Zugang zum Areal der Firma Rohrbogen direkt am Bahnhof verkünden ein violettes Herz und ein Herzlich-willkommen-Plakat am Zaun, dass sich dies bald ändern soll. Das Rohrbogen-Areal gehört, wie der östlich angrenzende Buss-Industriepark, seit 2022 dem Immobilienunternehmen Ina Invest. Der Spin-off von Implenia übernahm das Grundstück vom Luzerner Investor Hermann Alexander Beyeler – mitsamt Gebäuden, Mieterschaft, städtebaulichem Entwicklungsprojekt und Namen: ‹Bredella› heissen die 80 000 Quadratmeter, auf denen bald ein neues Stadtquartier wachsen soll.

 

 

Bredella

Visualisierung des Stadtquartiers Bredella.

Zwischen fünf- bis sechsgeschossigen Blockrandbauten gibt es baumbestandene Verkehrswege …

… und grüne Innenhöfe.

Promenaden für Zubringer und den Langsamverkehr machen das Areal durchlässig.

Facts & Figures
Arealgrösse: 80 000 m2
Wohnungen und Geschossfläche Wohnen: 900 Wohnungen auf rund 100 000 m2
Geschossfläche gewerbliche Nutzungen: rund 50 000 m2
Bewohner: 1400
Beschäftigte: 1000
Ausnützungsziffer: 2,0
Entwicklungszeitraum: 2020–2043
Nachhaltigkeitsziele: SIA 2040 Effizienzpfad gemäss Quartierplan und SNBS Gold je Gebäude
Investitionsvolumen: ca. Fr. 1,1–1,3 Mrd.

Beteiligte
Bauherrschaft: Ina Invest, Opfikon
Projektentwicklung: Implenia Schweiz, Basel
Masterplanung: Burckhardt + Partner, Basel
Freiraumplanung: Fontana Landschaftsarchitektur, Basel
Umweltverträglichkeitsbericht: EBP Schweiz, Zollikon
Nachhaltigkeit: Durable Planung und Beratung, Zürich
Lärmbeurteilung: Kopitsis Bauphysik, Wohlen
Verkehrsgutachten: Glaser Saxer Keller, Bottmingen
Mobilitätsgutachten: Kontextplan, Zürich
Nutzungskonzept: Zeugin-Gölker Immobilienstrategien, Zürich
Quartierplanung: Stierli + Ruggli Ingenieure + Raumplaner, Lausen


«Bredella war eine Trauminvestition», sagt Marc Pointet, CEO von Ina Invest. Gut hundert Firmen zahlen auf dem Areal Miete. Damit ist es heute schon profitabel und der Druck auf den Investor, rasch vorwärtszumachen, geringer als sonst. Zugleich sind die Zukunftsaussichten rosig: Im Rahmen eines Quartierplans wird Ina Invest auf dem Areal das Dreifache der bestehenden Flächen realisieren können – anders gesagt: Rechnerisch lassen sich zu den 50 000 Quadratmetern Gewerbefläche, die schon da sind, 100 000 Quadratmeter Wohnfläche hinzubauen. Bredella sei ein ideales Areal für die stark wachsende Schweiz, so Pointet. «Zentral gelegen, bestens erschlossen, bereits versiegelt und mit viel Ausnützungspotenzial.» Der Gemeinde versprach der Investor im Gegenzug einen neuen Stadtteil, der für alle zugänglich ist. Und er wird mit dem neuen Busbahnhof an den Gleisen das eigentliche Tor zum neuen Pratteln nördlich der Gleise bauen – mitsamt Hochhaus als städtebaulichem Gegenüber zum ‹Aquila Tower›.

All das ist im Masterplan, den Burckhardt & Partner für den früheren Eigentümer entworfen haben, bereits angelegt. Den Rest des Areals teilt der städtebauliche Entwurf in rechtwinklige Baufelder und füllt sie mit fünf- bis sechsgeschossigen Blockrandbauten. Dazwischen zeigt der Plan baumbestandene Verkehrswege, grüne Innenhöfe und Versatzstücke alter Industriehallen. In Ost-West-Richtung verläuft die ‹Neue Bahnhofstrasse›. Von Norden nach Süden machen Promenaden das Areal durchlässig für den Zubringer- und Langsamverkehr. Kleine Quartierplätze brechen das Raster auf. Ina Invest nutzt den Masterplan als Grundlage für die Transformation weiter. Für den westlichen Arealteil, das heutige Rohrbogen-Areal, ist das Quartierplanverfahren bereits weit fortgeschritten und es haben Architekturwettbewerbe für die ersten Baufelder stattgefunden.

Für den östlichen Arealteil, wo der Buss-Industriepark liegt, wollen sich die Investoren aber zehn bis zwanzig Jahre Zeit nehmen. Der Masterplan mache Tabula rasa mit dem Bestand, erklärt Pointet. «Das passt nicht unbedingt zu uns. Wir werden dessen Erhalt neu evaluieren und den Masterplan wo nötig anpassen.» Die Sorge von Ina Invest um den Bestand hat einen naheliegenden Grund: Das börsenkotierte Unternehmen erklärt, «eines der nachhaltigsten Immobilienportfolios der Schweiz halten und weiterentwickeln» zu wollen, und verfolgt deshalb eine ambitionierte Dekarbonisierungsstrategie.

Klimaschonendes Bauen als lukratives Investment – beweist das Unternehmen, dass das gelingt, könnte dies dem ökologischen Wandel der Bau- und Immobilienwirtschaft Vorschub geben. Für das Bredella-Areal erweisen sich die Ambitionen der Investoren ohnehin als Glücksfall, denn die bestehenden Hallenstrukturen bergen nicht nur räumliches Potenzial, sondern schaffen auch Kontinuität in einem Stadtteil, dessen Gesicht sich in naher Zukunft grundlegend verändern wird.

 

Gleis Süd

Inspiriert vom ehemaligen Industriecharakter, kombiniert der Entwurf verschiedene Typologien und Massstäbe.

In der Arealmitte liegt ein öffentlich zugänglicher Park. Visualisierungen: Nightnurse Images, Zürich

Im Norden bilden zwei lange Gebäudezeilen die Werkgasse mit Wohn- und Gewerbenutzungen.

Situationsplan des Areals Gleis Süd.

Facts & Figures
Arealgrösse: 28 000 m2
Wohnungen und Geschossfläche Wohnen: rund 350 Wohnungen auf 38 000 m2
Geschossfläche
gewerbliche Nutzungen: rund 16 000 m2
Bewohner: rund 800
Beschäftigte: rund 400
Ausnützungsziffer: 2,05
Entwicklungszeitraum: 2021–2032 ( inkl. Realisierung )
Nachhaltigkeitsziele: noch offen, verschiedene Standards in Prüfung
Investitionsvolumen: rund Fr. 250 Mio.

Beteiligte
Bauherrschaft: HIAG Immobilien
Bauherrenvertretung: Brühlmann Loetscher Architektur + Stadtplanung, Zürich
Städtebau / Architektur: Buchner Bründler Architekten, Basel
Landschaftsarchitektur: Berchtold Lenzin Landschaftsarchitekten, Basel
Verkehrsplanung: Rudolf Keller & Partner Verkehrsingenieure, Muttenz
Störfall / Klima: EBP Schweiz, Zürich
Lärm: Ehrsam Beurret Partner, Pratteln
Nachhaltigkeit: Durable Planung und Beratung, Zürich
Nutzungen: Intosens, Zürich
Wirtschaftlichkeit: Wüest Partner, Zürich
Kommunikation: Rihm Kommunikation, Basel


Auf dem ehemaligen Areal der Chemiefabrik Rohner, südlich der Bahngleise, stellt sich die Frage nach dem Erhalt alter Strukturen nicht mehr. «Wegen der hohen Schadstoffbelastung blieb uns nichts anderes übrig, als sämtliche Gebäude rückzubauen», erklärt Annette Hansen von HIAG Immobilien. Derzeit ist das rund 28 000 Quadratmeter grosse Rechteck zwischen Bahngleisen und Tramtrassee nichts als eine Asphaltfläche – die aufwendigen Untersuchungen des belasteten Untergrunds haben bisher auch Zwischennutzungen, welche die HIAG gerne anbieten würde, nicht zugelassen.

Dass das Areal für einige Zeit brachliegen würde, hatte die Entwicklerin nicht geplant. Mit Rohner als Mieter schien nach dem Grundstückserwerb 2018 genügend Zeit vorhanden, um die sorgfältige Transformation in ein durchmischtes Wohn- und Gewerbequartier in die Wege zu leiten. Doch schon im Folgejahr ging der Chemiehersteller in Konkurs, und die HIAG musste handeln. Sie band Kanton und Gemeinde ein und führte 2020 einen städtebaulichen Studienauftrag durch. Das siegreiche Team von Buchner Bründler Architekten und Berchtold Lenzin Landschaftsarchitekten hat seinen Entwurf inzwischen zu einem Richtprojekt als Grundlage für den Quartierplan weiterentwickelt. Dieser ist weit fortgeschritten und soll zeitnah in die öffentliche Mitwirkung. Danach wird der Quartierplan finalisiert und durch die Gemeinde zur Genehmigung eingereicht. Die HIAG beabsichtigt, sofort nach Rechtskraft des Quartierplans mit der ersten Etappe zu starten. Für die zwei höchsten Gebäude auf dem Areal wird sie ein weiteres qualitätssicherndes Verfahren durchführen. Von den Eigenheiten des alten Industrieensembles inspiriert, kombiniert das Bebauungskonzept unterschiedliche Gebäudetypologien und Massstäbe. Im Norden des Areals stehen zwei lange Hauszeilen parallel zu den Bahngleisen und fassen die enge ‹Werkgasse›. Dabei schützt die Gewerbezeile am Bahngleis ihr bewohntes Gegenüber vor Bahnlärm und vor möglichen Störfällen. Ein Wohnriegel mit einer Höhe von rund 43 Metern schliesst das Areal nach Westen ab. Dieser mächtigste der geplanten Neubauten orientiert sich in Lage und Grösse an seinem Vorgängerbau – dem ikonischen Produktionsgebäude der Firma Rohner aus den 1970er-Jahren. Im Osten schliesst ein rund 51 Meter hohes Wohngebäude an den Massstab der kürzlich erstellten Bauten an der Baslerstrasse an. Im Süden vermitteln Kleinbauten und eine offene Halle zum angrenzenden Wohnquartier, und in der Arealmitte liegt ein öffentlich zugänglicher Park mit einer Fläche von rund 2300 Quadratmetern.

Durch die Anlehnung an die industrielle Vergangenheit gelang den Architekten ein schlüssiges, spannendes Ensemble. Formal sind die Sheddächer und Stahlstrukturen sowie die industriell anmutenden Fassaden aber eine Gratwanderung, zumal das Areal nicht im rauen Kontext nördlich der Gleise liegt, sondern zweiseitig an brave Wohnquartiere anschliesst. In der Nachbarschaft sind viele erleichtert, dass die Chemiefabrik endlich weg ist. Warum also Industrieromantik rekonstruieren, statt Neues zu wagen? Auch Annette Hansen erachtet es als Vorteil, dass ihr Areal südlich der Bahngleise liegt, wo Wohnen als Nutzung etabliert ist und sich Läden, Restaurants und der Ortskern befinden. Mit ‹Gleis Süd› hat die HIAG ihr Areal inzwischen auch nach diesem Standortvorteil benannt.

 

 

Chuenimatt-Areal

Die zweite Etappe der Entwicklung (linkes Gebäude) umfasst rund 20 000 Quadratmeter Gewerbe-Geschossfläche. Sobald die Hälfte der Flächen vermietet ist, soll der Bau beginnen. Visualisierung: Züst Gübeli Gambetti

10 000 Quadratmeter Gewerbefläche sind bereits im Haus der Wirtschaft (oben) realisiert. Die Baubewilligung für die nächste Etappe (unten) ist erteilt.

Das Haus der Wirtschaft bietet seinen Mieterinnen und Mietern neben Büros auch flexibel zumietbare Räume.

Auf der Rückseite gibt es Grün und ruhige Sitzplätze. Fotos: Roger Frei

Facts & Figures
Arealgrösse: 12 000 m2
Wohnungen und Geschossfläche Wohnen: –
Geschossfläche gewerbliche Nutzungen: 30 000 m2, davon sind 10 000 m2 bereits realisiert
Bewohner: –
Beschäftigte: 875 gemäss Baueingabe
Ausnützungsziffer: 2,5
Entwicklungszeitraum: 2017–(2027)
Nachhaltigkeitsziele (Zertifikat, Label): Minergie
Investitionsvolumen: keine Angabe

Beteiligte
Bauherrschaft: Trinova Park, Pratteln
Bauherrenvertretung, Baumanagement, Totalunternehmung: Complex Bau, Muri BE
Auftraggeber: Bricks, Basel
Architektur: Züst Gübeli Gambetti, Zürich
Innenarchitektur: SBS, Pratteln
Landschaftsarchitektur: Fontana Landschaftsarchitektur, Basel
Statik: Jauslin Stebler, Muttenz
Bauphysik: Zeugin Bauberatungen, Münsingen
Elektroplanung: Eproplan, D-Stuttgart
HLKS: Energieatelier, A-Rum
Brandschutz: Febo Brandschutz, Münchenstein
Auftragsart Neubau: Studienauftrag mit Landkaufofferte

 

Vom Gleis Süd führt eine unwirtliche Unterführung unter den Bahngleisen hindurch zurück in den rauen Norden. Nach der Gleisquerung steigt die Strasse an, und über der Böschung tauchen die Sheddächer des Rohrbogen-Areals auf. Um Platz für die neuen Bredella-Bauten zu machen, wird die Firma bald ein paar Gemeinden weiter nach Aesch ziehen. Das Chuenimatt-Areal auf der anderen Strassenseite hat der Kanton 2016 an den Immobilienentwickler Bricks verkauft. Dieser will mit repräsentativen Bürogebäuden inklusive Tagungsräumen, Co-Working und Gastroangebot innovative Unternehmen anlocken und das Areal beleben. Den Entwurf für die Bebauung lieferten Züst Gübeli Gambetti Architekten und Fontana Landschaftsarchitektur. Die Innenarchitektur entwickelte die Firma SBS. Um ein langwieriges Quartierplanverfahren zu vermeiden, hielt sich das Projekt an die Regelbauweise. Anfang 2021 ging die erste Etappe in Betrieb.

Selbstbewusst empfängt das Haus jene, die von der Autobahn herkommen: Das sechsgeschossige, im Grundriss polygonale Gebäude dominiert den Kreisel kurz nach der Ausfahrt. Die Fassadenbänder aus dunklem Metall und Glas glänzen in der Sonne, die schmalen Stützen sind mit Klinkersteinen verkleidet. Die städtebauliche Geste und mehr als 200 Parkplätze im Untergrund machen klar, dass man hier auch mit autofahrenden Gästen rechnet – obwohl der Bahnhof Pratteln fünf Gehminuten entfernt ist. «HDW» steht in eleganten Buchstaben auf dem Dach: Haus der Wirtschaft. Der Name verweist auf die wichtigste Mieterin, die Wirtschaftskammer Baselland. Der 10 000 Mitglieder starke Verband füllt das Haus mit Menschen und Veranstaltungen. Davon profitieren auch andere hier angesiedelte Firmen, wie zum Beispiel das international tätige Chemieunternehmen Archroma, das sein gesamtes Management nach Pratteln verlegt hat und die nachhaltige Farbstoffproduktion weiterentwickelt.

Dass die erste Bauetappe bereits vor der Fertigstellung komplett vermietet war, bestätigt für Philippe Druel, Direktor der Basler Niederlassung von Bricks, das Konzept: «Unser Angebot an Tagungs- und Eventräumen ist in der Region einmalig. Dank der nahen Autobahn konkurrenzieren wir auch Orte in der Stadt Basel.» Um innovative Firmen und Gäste nach Pratteln zu locken, müsse man erstklassige Bedingungen bereiten. Tatsächlich bietet das Haus einiges: Die Mieterinnen der Büroflächen profitieren von einem Concierge-Service, es gibt ein Restaurant mit Aussenbereich und eine Bar, viele informelle Treffpunkte und eine ganze Reihe an flexibel zumietbaren Räumen – vom kleinen Sitzungszimmer bis zum Auditorium. Auch Aussenstehende können hier Räume buchen.

Die Innenraumgestaltung will mit begrünten Wänden und Loungemöbeln eine kreative Arbeitsatmosphäre schaffen und an der immer noch von Verkehr und Industrie geprägten Lage für Entspannung sorgen. Die Sitzungszimmer im ersten Obergeschoss sind nach Tourismusdestinationen gestaltet. Entwickler Druel argumentiert: «Die meisten Gewerbehäuser sind banale Wellblechkisten. Wir bieten eine einzigartige Umgebung und stossen damit auf viel Interesse.» Deshalb will Bricks weiterhin vorwärtsmachen. Die zweite und dritte Etappe wurden inzwischen planerisch und baulich zusammengefasst, die Baubewilligung ist erteilt. Sobald die Hälfte der Flächen vermietet ist, soll der Bau beginnen.

 

 

Zentrale

Wo Coop bis 2017 eine Verteilzentrale betrieb, planen heute sieben gemeinnützige Bauträger und Genossenschaften.

Situationsplan des Areals ‹Zentrale›.

Schnitt Shedhalle.

Die Hofrandbebauung hinter dem Gewerberiegel besteht aus sieben Wohnhäusern und umschliesst einen öffentlich zugänglichen Park.

Facts & Figures
Arealgrösse: 43 000 m2
Wohnungen und Geschossfläche Wohnen: 470 Wohnungen auf ca. 50 000 m2
Geschossfläche gewerbliche Nutzungen: 15 000 m2
Bewohner: 1200–1500
Beschäftigte: ca. 350
Ausnützungsziffer: keine definiert
Entwicklung und Realisation: 2016–2026
Nachhaltigkeitsziele: SIA Effizienzpfad Energie 2040
Investitionsvolumen: rund Fr. 250 Mio. (inkl. Land)

Beteiligte
Entwicklungspartnerin Gewerberiegel / Baustein West: Gewona Nord-West, Basel
Entwicklungspartnerin Baustein West: Terra Schweiz, Winterthur; Habitare Schweiz, Winterthur
Entwicklungspartnerin Baustein Ost: Wohnbau-Genossenschaft Nordwest (wgn), Basel
Entwicklungspartnerin Baustein Süd: Homebase Genossenschaft für selbstgestaltetes Wohnen und Arbeiten, Basel
Entwicklungspartnerin Baustein Ost: Genossenschaft Mietshäuser Syndikat, Basel
Entwicklungspartnerin Baustein West und Nord: Logis Suisse, Baden
Generalplanung / Baumanagement: S + B Baumanagement, Olten
Gesamtprojektleitung Bauherrschaft: Hämmerle Partner, Zürich
Städtebau Gesamtareal: Bachelard Wagner Architekten, Basel
Landschaftsarchitektur: Raderschall Partner, Meilen
Architektur Nordbaustein: Müller Sigrist Architekten, Zürich
Architektur Ostbaustein: Flubacher Nyfeler Partner, Basel
Architektur Westbaustein / Ostdeck: Bachelard Wagner Architekten, Basel
Architektur Südbaustein: Degelo Architekten, Basel
Holzbauingenieur: Pirmin Jung Schweiz, Sursee
Bauingenieur: Dr. Lüchinger + Meyer Bauingenieure, Zürich
Elektroplanung: HKG Engineering, Rotkreuz
HLKS: RMB Engineering, Basel
Brandschutz: Quantum Brandschutz, Basel
Bauphysik: Gartenmann Engineering, Basel
Verkehrsplanung: MoveIng, Basel
Störfallversorgung: EBP Schweiz

 

Auf dem Areal ‹Zentrale›, wo der Grossverteiler Coop bis 2017 eine Verteilzentrale betrieb, lassen improvisierte Pflanzbeete auf dem Vorplatz erahnen: Hier sind gemeinnützige Bauträger und Genossenschaften am Werk. wgenauso wie die dahinterliegende Shedhalle und ein freistehendes Zuckersilo. Die Zwischennutzungen in den übrigen Gebäuden gingen 2022 zu Ende, im Gewerbehaus haben einige Nutzungen bereits dauerhaft eine Bleibe gefunden. Bis 2026 werden nun rund 470 preisgünstige Wohnungen in Kostenmiete erstellt und dauerhaft vermietet.

«Finanziell haben sich die Zwischennutzungen zwar nicht gelohnt», sagt Marianne Dutli Derron von der gemeinnützigen Wohnbaugesellschaft Logis Suisse, die das Areal 2016 gekauft hat. «Doch sie füllten das Areal mit Leben und machten es über Pratteln hinaus bekannt. Das hilft uns später bei der Vermietung und prägt den Charakter des künftigen Quartiers.» Logis Suisse ging für die Entwicklung der 43 000 Quadratmeter eine Partnerschaft mit fünf gemeinnützigen Bauträgern ein, vier davon sind aus der Region. Dutli Derron ist überzeugt, dass die lokale Verankerung und die im Verbund entstehende Vielfalt dem künftigen Stadtquartier guttut. «Die Zentrale soll diverse Wohnkonzepte für möglichst unterschiedliche Menschen und Lebensformen bieten.»

Der städtebauliche Entwurf, auf welchem der Quartierplan basiert, stammt von Bachelard Wagner Architekten und Raderschall Partner Landschaftsarchitekten. Sie gewannen den Studienauftrag 2018 mit einer hinter dem Gewerberiegel liegenden Hofrandbebauung aus sieben Wohnhäusern, die einen öffentlich zugänglichen Park umschliesst. Die Vielfalt ist tatsächlich gross: Die Genossenschaft Mietshäuser Syndikat nutzt die Tragstruktur eines Lagergebäudes weiter und bietet Wohnraum vom Einzelapartment bis zur Halle. Homebase baut Module aus ökologischen Materialien für den Selbstausbau zum Wohnen und zum Arbeiten. Die Wohnbau-Genossenschaft Nordwest fokussiert auf die Bedürfnisse von Familien, die Gewona auf Wohnen in der zweiten Lebenshälfte, Logis Suisse und Terra / Habitare ermöglichen Mehrgenerationenwohnen. Im Atriumhaus von Logis Suisse sind zudem knapp geschnittene Stadtwohnungen zu finden.

Alle Bauträger planen mit ihren Architekturteams selbst, gleichen sich laufend ab und entscheiden übergeordnete Themen, wie Tiefgarage und Freiräume, gemeinsam. Die von ihnen beanspruchten Landanteile kaufen die Partner Logis Suisse ab, Umgebung und Einstellhalle bleibt im Miteigentum aller Parteien. Ein Spezialfall ist der Gewerberiegel am Gleis. Ihn hat die Genossenschaft Gewona bereits Anfang 2023 übernommen und entwickelt ihn gemeinsam mit den künftigen Nutzern weiter.

Zu den sozialen Ambitionen gesellen sich ökologische. Vier der sechs Partner werden ihre Gebäude mit Wärme aus einem gemeinsamen Eisspeicher beheizen. In Verbindung mit Photovoltaik und mit Solarkollektoren auf den Dächern werden sie im Betrieb klimaneutral sein. Der Südbaustein von Homebase soll fast ganz ohne Heizung auskommen. Zudem will die Entwicklergemeinschaft viel graue Energie einsparen, indem der Bestand um- und weitergenutzt wird. Die 0,5 Parkplätze pro Wohnung, welche die Gemeinde verlangte, liegen in den bestehenden Untergeschossen des Verteilzentrums, Fenster und Fassadenbleche der rückgebauten Gewerbebauten finden am Wohnhof und im Gewerberiegel neue Verwendung, und die bestehenden Aussenbeläge werden, wo gebraucht, mitsamt den eingegossenen Gleisen weitergenutzt. Wo der Asphalt entbehrlich ist, sollen Bäume und anderes Grün wachsen.

Viel Potenzial und einige Fragezeichen
Die Entwicklergemeinschaft der ‹Zentrale› hat sich in allen Bereichen der Nachhaltigkeit hohe Ziele gesteckt. Ihr Vorgehen macht glaubhaft, dass all das gelingen kann. Und doch besteht die Gefahr, dass die ‹Zentrale› eine glückliche Insel bleibt – schliesslich richtet schon die Form des Wohnhofes den Blick eher auf die gemeinsame Mitte als auf die Stadt rundherum. Einen Anknüpfungspunkt bietet der baumbestandene, von Gewerbeflächen gesäumte Stadtplatz, der an der Ecke zum Bahnhof geplant ist. Er lädt die Öffentlichkeit ein, und er wird mit dem Gewerberiegel und der Werkgasse die neue Front von Pratteln nördlich der Gleise prägen. Am östlichen Rand des Zentrale-Areals plant die Gemeinde zudem eine Primarschule als Ergänzung für die bestehende Schule auf der anderen Strassenseite, eine neue Passerelle über die Gleise ist geplant.

Um die neuen Quartiere untereinander und mit der bestehenden Stadt zu verweben, werden weitere solcher Anknüpfungspunkte vonnöten sein. Das gilt auch für das Areal ‹Gleis Süd›, das zwar an Wohnquartiere grenzt und sich im Süden zu ihnen öffnen will, aber durch Tramgleise und die Baslerstrasse von ihnen getrennt ist. Das städtebauliche Konzept der HIAG deutet einen Übergang über die Tramgeleise an. Ob er bewilligt wird und die Bevölkerung ihn sich auch wünscht, muss sich noch herausstellen.

Die Schlüsselrolle für den Brückenschlag zwischen dem südlichen und dem nördlichen Pratteln spielt aber Bredella, das grösste Entwicklungsareal. Der neue Bahnhofplatz auf dem Areal wird als Auftakt und Visitenkarte des Stadtteils nördlich der Gleise dienen. Mit den Promenaden durch das Quartier entstehen für den Langsamverkehr erstmals attraktive Verbindungswege in den Norden von Pratteln. Gelingt die Transformation in einen lebendigen Stadtteil, wird dies zweifellos auf die umliegenden Quartiere und bis über die Gleise ausstrahlen. Wie viele und welche Menschen nach Abschluss der Transformation auf dem Bredella-Areal leben und arbeiten werden, ist allerdings noch ungewiss – Ina Invest wird ihr Angebot nach dem Markt ausrichten.

Auch beim Chuenimatt-Areal ist es für ein Fazit noch zu früh. Erst mit der zweiten Etappe wird sich weisen, ob die Vision des Business-Parks aufgeht. Klar ist aber jetzt schon: In den vier Arealen ist viel Potenzial für eine dichte, klimaverträgliche Stadt mit kurzen Wegen, breitem Wohnraum-, Arbeitsplatz- und Freizeitangebot und gestalterischer Qualität angelegt. Die Bündelung privater, eidgenössischer, kantonaler und kommunaler Investitionen in Pratteln Mitte bietet zudem die Möglichkeit, die verschiedenen Ortsteile zu einem neuen Zentrum zu verbinden. Die geplanten Bahnübergänge werden der Gemeinde zugute kommen und den Bahnhof zur Drehscheibe für das Umsteigen zwischen Bahn, Bus, Velo und Auto machen.

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