Gute Proportionierung, freundliche Höfe, alte Bäumen, poetische Wandfresken und günstiger Wohnraum: Warum abreissen? Fotos: Frank Peter Jäger

Denkmalabriss für erschwinglichen Wohnungsbau?

In Zürich sollen zwei Genossenschaftssiedlungen der Neuen Sachlichkeit mit Neubauten ersetzt werden. Nicht die Bauten sind aus der Zeit gefallen, findet Frank Peter Jäger, sondern die Idee, sie abzureissen.

Merkwürdig eigentlich, dass sich darüber in Zürich niemand mehr aufregt und offenbar alle erfolgreich eingeschworen sind auf diese Formel: Bezahlbarer Wohnungsbau geht vor Denkmalschutz. Im Kreis 4 sollen im Bullinger Quartier bald zwei genossenschaftliche Wohnanlage der Neuen Sachlichkeit abgebrochen werden, damit die betreffenden Wohnbaugenossenschaften an ihrer Stelle in verdichteten Form neuen Wohnraum schaffen können. Die beiden viergeschossigen Ensembles wurden 1929 und 1930 von den Architekten Peter Giumini (Block der Baugenossenschaften des eidgenössischen Personals, kurz BEP) sowie von Otto Streicher (ABZ-Block) als «Wohnkolonie» für kleine Angestellte und Arbeiter errichtet und sind eng verknüpft mit der Geschichte der Arbeiterbewegung in der Limmat-Stadt. Die jetzigen Planungen reichen bis ins Jahr 2009 zurück. 2014 wurden die Büros Müller Sigrist Architekten sowie Harder Spreyermann Architekten mit dem 1. Rang für je einen Ersatzneubau ausgezeichnet. Visualisierungen zeigen eine geschlossene, 7-geschossige Gebäudewand zum Quartierrand an der Seebahnstraße. Zwar stuft sich die Bebauung zu den niedrigeren Blocks der Nachbarschaft hin etwas ab, dennoch sprengt sie den Maßstab des Quartiers. Die von den Bauherren der «Seebahn-Höfe» engagierte Kommunikationsagentur betont, man wolle keine Gentrifizierung des Quartiers. Doch schon der Duktus der Imagebilder auf der Projektwebsite, wo Neubauten in sattem Barbie-Rosa und davor Kaffeehaustischen und lässige Boule-Spieler zwischen bunten Schmetterlingen zu sehen sind, lässt eher Anderes erahnen.    Eigentlich wären die Ensembles längst abgerissen. Doch eine Klage des Schweizer Heimatschutzes gegen die Abrisspläne sowie anschliessend eine Verschärfung der kantonalen Lärmschutznormen führten zu einer mehrjährigen Projektverzögerung. Liegt darin die Chance, den geplanten Abriss noch abzu...
Denkmalabriss für erschwinglichen Wohnungsbau?

In Zürich sollen zwei Genossenschaftssiedlungen der Neuen Sachlichkeit mit Neubauten ersetzt werden. Nicht die Bauten sind aus der Zeit gefallen, findet Frank Peter Jäger, sondern die Idee, sie abzureissen.

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