Markus Buschor, der Architekt muss die Schuldirektion übernehmen

St.Gallen schafft die Kurve nicht

Ärger über die Sitzverteilung des neuen St.Galler Stadtrates. Der parteilose Architekt Markus Buschor muss die Schule übernehmen, statt die Direktion Bau und Planung. Er wollte dort der vermissten Baukultur neue Impulse geben.

Jahrelang beklagten breite Kreise in der Stadt St.Gallen den Mangel an Baukultur. Jetzt, wo es unter anderem um die Nachfolge der abtretenden SP-Baustadträtin Elisabeth Beéry ging, sahen viele kritische Geister einen Silberstreifen am Horizont. Sie wählten den parteilosen Architekten Markus Buschor in den Stadtrat, zusammen mit der CVP-Frau Patrizia Adam. Die SP ist deswegen in der Stadtregierung gar nicht mehr vertreten.

Buschor trat als engagierter und kritischer «Fachmann» an. Er wolle die Baukultur wieder aufs Gleis bringen, war sein wichtigstes Versprechen. Die Architektur-Fachverbände rührten denn auch für ihn die Werbetrommel. Weil er aber weniger Stimmen machte als seine CVP-Kollegin, durfte diese bei der Verteilung der Direktionen zuerst wählen und schnappte Buschor das Departement Bau- und Planung weg. Jetzt muss der Architekt sich mit der Schuldirektion abfinden.

Die CVP-Frau trat im Wahlkampf mit wenig klaren Aussagen auf. Die Kritiker an der bisherigen Baupolitik sind möglicherweise vom Regen in die Traufe geraten.

Die Reaktionen auf die Online-Meldung des «St.Galler Tagblatt» auf diesen Entscheid sind harsch: «Ein Eigentor erster Güte», «eine unwürdige, nur der Parteiräson unterworfene Entscheidung», «eines Stadtrats nicht würdig», «Ökonomie schlägt Ökologie», «absolute Frechheit» oder «ein Schlag mitten ins Gesicht der St. Galler Stimmbürger».

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Kommentare

Tom Weber 04.12.2012 08:57
Der Artikel von René Hornung ist nicht ganz korrekt. Frau Adam konnte Herrn Buschor nichts "wegschnappen", nur weil sie 300 Stimmen mehr gemacht hatte. Sie konnte einzug ihren Wunsch vor ihm äussern. Die Vergabe der Direktionen erfolgt nach Abstimmung im Gesamtgremium. Das heisst, dass neben Frau Adam mindestens zwei weitere bisherige Stadträte für diese Vergabe an sie waren. Damit ist dieser bedenkliche Entscheid kein "Fall Adam", sondern ein "Fall Stadtrat".
David Reich 03.12.2012 15:31
Und wieder der Vorwurf der "Finanzierung" eines "Immobilienbesitzers". Andere Kampagnen wurden finanziert durch den Hauseigentümerverband bzw. den Mieterverband. Auch Parteien haben ihre Quellen. Der Wahlkampf von Buschor war sichtlich billiger als der des SP-Duos oder der CVP-Frau, siehe Plakatstellen und Inserateaufkommen. Wenn Buschor von einem ach so bösen Grossgrundbesitzer ins Amt gepusht werden sollte, warum dann diese Zurückhaltung? Zur Vergabe selbst muss man nicht mehr sagen als das, was bereits gesagt wurde.
Fassbinder 02.12.2012 20:29
The art of muddling through Ein neues Mittelalter steht vor der Tür! Die kürzlich vollzogenen Stadtratswahlen bzw. das Sesselrücken hat dies eindrücklich gezeigt. Das Problem wird nicht so sehr darin liegen, dass viele von uns mit nicht gewollten und gewählten Tatsachen leben müssen, sondern, dass St.Gallen einem neuen Mittelalter entgegen tritt, woraus es nicht so einfach sein wird, eine Renaissance herbei zu führen. Wenn wir die Stadt St.Gallen als Erbschaft der Vergangenheit und nicht als utopi-sches Projekt sehen, gleichzeitig aber als Herausforderung für die Bewältigung der sich uns heute stellenden Aufgaben und nicht als denkmalpflegerische oder wirt-schaftliche Aufgabe ansehen, wäre es sogar für den bürgerlichen Geist klar, dass wir mit der Zuweisung der Direktion Bau und Planung an Patrizia Adam auf der Kippe zwischen Nostalgie, HEV und Verzweiflung stehen. Händeringend und frustriert sitzen die Stadtplaner/innen und Architekt/innen in ihren Büros und erinnern sich der guten alten Zeiten. Damals, als Bundesrat Furgler erklär-te, die Zukunft sei machbar und dass man das Kind nicht mit dem Badewasser aus-schütten sollte. Wie kann die Stadt mit dieser neuen Situation umgehen? Am wahrscheinlichsten ist wohl ein «Durchwursteln» innerhalb der zulässigen Aktionsbereiche der Politik, wie SP dies in Reinkultur beim Richtplan zelebriert, nämlich die Breite des Evolutionskor-ridors einer Stadtentwicklung auf das Reduzieren auf Punkte, Kommas und Ortho-graphie. Wenn wir diese Haltung nicht als Resignation, sondern als realistisches Ein-lassen auf die «Logik des Misslingens» verstehen, hat die Stadt vielleicht noch eine Chance, etwas daraus zu machen.
Gallus 01.12.2012 10:39
So funktioniert das System, aber es ist nicht im Interesse der Sache. Sondern Parteikalkül. Was dabei das Volk denkt, ist ja Wurst.
Egon 30.11.2012 20:03
Die Frage sei erlaubt, ob Baukultur in bürgerlich regierten Kantonen überhaupt eine Chance hat. Neben Filz und Renditegeilheit hat Kultur einen schweren Stand. Da kriegen die Wähler halt, was sie verdienen...
Charles Jeanneret 30.11.2012 18:36
Auf die Strasse für den Volkswillen - auf die Strasse für Fachkompetenz in Direktion Bau und Planung - auf die Strasse für eine weitsichtige Stadtentwicklung - organisiert vom BSA und dem Architekturforum!
Heinz Eggenberger 30.11.2012 15:08
Vor solchen Entscheiden stellt sich die Frage , ob dieses Amt ein politisches oder ein fachliches ist. Wenn die Architekten gut genug wären, könnte es ein politisches sein, weil diese es aber nicht sind, muss es ein fachliches sein. Politik bedeutet vernünftig zu handeln. Kann mir dieser Stadtrat bitte erklären, was an diesem Entscheid vernünftig ist?
Florian Eicher 30.11.2012 07:38
So sehr mich der Entscheid persönlich ärgert, er war vorauszusehen. Es ist halt auch ein bisschen naiv, einen von einem der grössten privaten Immobilienbesitzer finanzierten "Unabhängigen" zu wählen und zu erwarten, er bekomme dann das seit 20 Jahren von den Bürgerlichen gewünschten Baudepartement.
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