Der «Beobachter» berichtet zum Baukartell im Unterengadin. Fotos: Beobachter

Das Unterengadiner Baukartell

Der «Beobachter» berichtet zum Baukartell im Unterengadin. Und verspricht Belege für Korruption. Eine Geschichte mit Feuer, Rauch und Heiligenbild.

Der «Beobachter» zieht in seiner neuen Ausgabe die Geschichte um das Baukartell im Unterengadin weiter. Das Titelblatt passt zur Passionszeit. Adam Quadroni, der die Baumeister verpfiffen hat, wird als Schmerzensmann stilgerecht inszenziert im chiaroscuro, melancholischer Blick, die Ewigkeit hinter ihm im Dunkeln verschwindend. Baumeister Quadroni ist zweifellos schlecht behandelt worden, vor allem von Baumeistern im Unterengadin und ihren Kreisen, die die Wettbewerbskommission WEKO mit 7,5 Mio Franken gebüsst hat. Aber schmachten müssen wie der Schmerzensmann mit Blick auf das Kreuz?

Bekanntes

Das Auftaktbild im Heft zieht die Passions-Ikonografie weiter. Über Quadroni – gefaltete Hände, Blick nach unten links – verspricht die Schlagzeile «die geheimen Listen». Andrea Haefely, die Journalistin, fasst zusammen, was bisher geschehen ist: In gieriger Art haben die Baumeister sich abgesprochen und zwischen 2008 und 2012 bei einem Bauvolumen von 100 Mio bis zu dreissig Prozent überteuerte Offerten durchgesetzt. Das las man mehrfach in den letzten Monaten. Schon im Dezember 2017 übrigens schrieb der Architekt und Bündner  SP-Politiker Philipp Wilhelm über das Kartell ausführlich in Hochparterre. In der Beobachter-Reportage nun ist anschaulich, zu lesen, wie solcher Handel gelaufen ist, wie Adam Quadroni, einst selber Täter, zum Paulus wurde und auch wirtschaftlich und gesellschaftlich an den Rand gedrückt wurde von den Baumeistern, die er verpfiffen hat.

Neues

Als Neuigkeit kündet der Text Dokumente an, die mit handschriftlichen Einträgen auf Listen Korruption von Politikern und Beamten belegen würden. Gerne läsen wir im Detail, wer mit wieviel gekauft worden ist. Für welchen Preis wer wo Gratisbaumeisterei erhalten hat. Aufgelistet, geschaut im Faksimile. Doch damit ist nichts. Wir können immerhin lesen, dass alle sagen: «Ich nicht.» Bis die Untersuchungen des Kantons Graubünden allenfalls Licht bringen, werden die Gemeindepräsidenten von Zernez bis Martina, die Gemeinde- und Tiefbaumtsleute, die Mittelsmänner, ein Ständerat  und ein Regierungsrat nun mit mehr oder weniger kollektivem Verdacht geröstet. Das ist unangenehm und belastet einige wohl zu Unrecht.

Schreibtisch-Schreiber

Mit dem Kollektiv murmelt auch das Editorial. Martin Vetterli lobt zu Recht den späten Mut von Adam Quadroni. Und titelt wie Sergio Leone für einen seiner Western: «Wenn Verrat richtig ist». Dann schreibt Vetterli, dass «in den Augen vieler Einheimischer» Adam Quadroni und nicht die Chefs der Betrügerfirmen «auf die Anklagebank» gehören. Wer diese «vielen» sind, sagt er nicht. Keiner tritt im Heft weiter hinten namentlich auf. Mich stört die Schreibtischtat, dass «dort oben» vorab dumme Tröpfe leben, unbelehrbar, an Ketten ihrer mittlerweile ruinierten Baumeister.

Nun ein Monopol

Für eine Reportage über die Landschaften des Unterengadins war ich neulich länger «dort oben» und redete mit «vielen Einheimischen» über Kunst-, Architektur-, Hotel-, Dorf- und Bauernlandschaften. Auch über «das Kartell», aber nur nebenbei. Meine «vielen» – sie treten namentlich auf – waren die meisten entsetzt über ihre Baumeister, sie stellten dieselben Fragen wie «der Beobachter» zur Stummheit, ja Blödheit des Tiefbauamtes des Kantons Graubünden und der Bauämter der Gemeinden – Adam Quadroni aber klagte fast niemand an. Einige der «vielen» wollen bei den Kartell-Baumeistern Geld zurückholen. Sie wissen aber, dass es vergeblich ist, denn deren Firmen sind alle untergegangen. In der Pleite die einen wie Bezzola Denoth, im Verkauf an einen Grossbaumeister aus St. Moritz die anderen. So gilt zur Zeit zwischen Zernez und Martina für grössere Aufträge: Kein Kartell mehr, sondern ein Monopol. Immerhin – der grosse Betrug hat offenbar nicht viel zum langfristigen Gedeihen der Bauwirtschaft beitragen können. Die Täter haben ihr Heu wohl frühzeitig ins Trockene gebracht.

 

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Kommentare

Not Carl 15.04.2019 22:27
Kompliment Köbi Gantenbein ! Die Autorin Andrea Haefely hat vor 5 Jahren ein Buch publiziert mit dem Titel "Schweigen, Schummeln, Lügen". Im Vorwort weist sie auf Kapitel 3 hin, mit (Zitat) "konkreten Anleitungen zum Lügen. Dort … wo es sogar so richtig und sinnvoll ist, dass es legal ist", wie sie schreibt. Für mich hat Frau Haefely beim Schreiben ihres Beobachter-Artikels genau danach gelebt. Hingerissen von ihren Gefühlen, will sie mit fragwürdigen journalistischen Mitteln ihre Leser überzeugen, dass sie im Besitz der absoluten Wahrheit ist und greift dabei indirekt zur Lüge. Sie suggeriert den Lesern Zusammenhänge, von denen jeder Einheimische weiss, dass sie nicht stimmen. Das ist unfair, ja verwerflich, zumal es im Beobacher steht und nicht im Blick.
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