Symbol für den Wandel der Stadt: Prime Tower in Zürich West. Fotos: Christof Plümacher

Wie viel Stadt braucht Zürich?

Am Städtebaustammtisch von Hochparterre und Dyson Airblade wurde über Zürichs hohe Häuser, dichte Quartiere und grosse Wohnungen diskutiert. Dabei drehte sich die Debatte um eine Grundsatzfrage: Wie urban will Zürich überhaupt sein?

Das Podium fand im Rahmen der Themenwoche «Alles muss weg!» im Schiffbau statt. Mit einer begehbaren Stadtinstallation und täglichen Vorträgen widmet sich das Schauspielhaus dem «urbanen Ausverkauf». Mit «Berichten aus der Dichte von Zürich» eröffnete Hochparterre am Samstag die Veranstaltungsreihe und schloss den Tag mit einer Diskussion unter der Leitung von Rahel Marti.

Zürich wächst. Der Prime Tower, der diesen Sommer fertig gestellt wurde, veranschaulicht diese Veränderung wie kein anderes Gebäude. Für Kantonsrätin Carmen Walker Späh ist der Turm erst der Anfang: «Es dürfen noch mehr hohe Häuser wachsen», meinte sie euphorisch. Unter hoch versteht sie nicht 25 Meter, die Grenze ab der ein Gebäude als Hochhaus gilt. «Das ist ja nichts,» so Walker Späh. Bei allem Enthusiasmus erkannte sie aber an, dass die Verdichtung für viele schmerzhaft ist. Skeptischer sieht Hanspeter Guggenbühl die Entwicklung. Mit dem Erfolg der Stadt geht ein gesellschaftlicher Wandel einher. «Zürich ist heute weniger politisch, aber vergnügt sich mehr», bedauerte der Energieexperte.

Stadtrat André Odermatt freut sich über die Aufbruchsstimmung. Er mahnte aber, dass dichter nicht automatisch gleich besser ist. Entscheidend sei, wie man die Dichte städtebaulich umsetze und so öffentliche Orte schaffe. Sein Augenmerk gilt daher der Frage, wie der Turm in der Stadt fusst. «Ich will keine Trutzburgen», so Odermatt. Der Kunsthistoriker Philip Ursprung stiess ins gleiche Horn: «Ein Hochhaus ist per se nicht urban.» Nur weil ein Haus hoch sei, werde das Quartier noch lange nicht durchmischt. Denn mehr Beton heisst nicht unbedingt mehr Bewohner. Oft leben in den neuen Wohnungen weniger Personen auf mehr Quadratmetern. Die Stadt ist zwar baulich dichter, aber sozial entflochten. Guggenbühl plädierte deshalb für ein Anreizsystem, um den privaten Raumverbrauch zu reduzieren, zum Beispiel mit einer Steuer ab einem gewissen Wohnflächenverbrauch. Walker Späh winkte jedoch sofort ab und appellierte an die Eigenverantwortung der Menschen – auch wenn die Zahlen ganz anderes vermuten lassen.

In Zürich wird so viel gebaut wie schon lange nicht mehr. Für Walker Späh dürften sich die Betonmischer noch schneller drehen, was die bürokratische Bauordnung aber verhindere. Mehr Tempo ist laut der Architektin Annette Gigon nicht die Lösung. «Qualität braucht Zeit», meinte sie. Auch Odermatt will nicht stärker aufs Gaspedal drücken und warnte vor Schnellschüssen, die als Bausünden die Stadt verschandeln. Verlangt der Dichtestress also im Gegenteil mehr Gesetze? Laut Gigon sind auch mit zunehmender Dichte keine zusätzlichen Paragraphen in der BZO nötig. «Mehr Regeln brauch es nicht.» Neben den rigiden Baugesetzen drückt laut Walker Späh der Schuh noch an einem anderen Ort: Oft würde der Schutz der Bausubstanz die innere Verdichtung verunmöglichen, so die Juristin. Steht die Denkmalpflege also der Dichte im Weg? «Es gibt genügend Potential für Ersatzneubauten in der Stadt», entgegnete Odermatt. Es sei daher falsch, die Verdichtung gegen den Denkmalschutz auszuspielen. «Wir müssen gezielt verdichten, nicht einfach überall ein Geschoss draufpacken», so der Stadtrat.

Zürich wird höher, dichter, städtischer. Doch ist die Stadt überhaupt bereit für mehr Urbanität? Für Ursprung ist die Konzentration an Bauten und Ideen eine positive Entwicklung. Guggenbühl hingegen, der als einziger auf dem Podium nicht mehr in der Stadt wohnt, wünschte sich eine stärkere Dezentralisierung. Für Annette Gigon wiederum ist klar, dass viele ein urbaneres, weltoffeneres und grossstädtischeres Zürich begrüssen. Wenige Leute würden sich dagegen sträuben – ganz zur Freude der Architektin: «Zürich bewegt sich.»

Vor der Diskussion berichteten vier Referenten über die Dichte von Zürich. Hochparterre Redaktor Axel Simon erläuterte den Prozess der Ersatzneubauten von Wohnsiedlungen in der Stadt Zürich. Er verglich Wohnungsgrundrisse aus den 1960er Jahren mit jene, die heute «ersatzneugebaut» werden und machte damit augenfällig, dass die bauliche Verdichtung noch keine soziale Verdichtung ist, solange wir pro Kopf mehr Fläche konsumieren.
Die Gruppe Krokodil zeigte erstmals ihren vor Witz sprühenden Teaser-Film, in dem sich der Reporter Benoît auf die Suche nach der Stadt Glatt macht. Die Grossstadt im Glattal könnte eine Alternative zu Zürich werden und zur schwierigen Verdichtung Zürichs. Diese Stadt im Glattal ist am Werden, sie wächst rasant – die Frage ist nur noch, ob es auch eine gute Stadt wird. Daran arbeiten die Krokodile weiter, für nächstes Jahr sind eine Sommerakademie, ein Buch und eine Aussstellung geplant.
Benedikt Loderer machte in seiner Rede klar, dass die Zersiedelung weiter geht, so lange wir reich sind, reich bleiben und noch reicher werden wollen - und das wollen wir alle.
Und Christoph Gantenbein, Christ&Gantenbein Architekten, zeigte Projekte seiner Studierenden, die Bautypologien aus anderen, dichteren Städten nach Zürich transferieren. Sein Vortrag war eine Gedankenreise durch Hong Kong, Rom und Manhattan und liess den Hauch dieser Städte durch Zürich wehen. Der Eindruck blieb: Würden wir einen grösseren Massstab zulassen, hätten in unserem Zürich noch viel und viele Platz.

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Kommentare

hans fischer 05.10.2011 22:09
..........gähn..........
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