Redaktorin Mirjam Rombach findet, dass wir die Dinge so benennen sollten, wie sie sind, statt auf einfache Botschaften zu setzen.

Transparenz statt Schönfärberei

‹Ocean Plastic› klingt gut, doch was bedeutet es? Wenn schwammige Begriffe das Potenzial eines Materials überhöhen, schaden sie mehr, als dass sie nützen.

Als Adidas 2015 den ‹Ultra Boost› lancierte, schien die Welt ein Stückchen besser zu werden. In ihm steckten Plastikabfälle aus dem Meer, rezykliertes Polyamid und aus dem Meer geborgene Fischernetze, so Adidas. Der Turnschuh glich einem Versprechen: Wir können den Schlamassel lösen, den wir angerichtet haben. Und zwar, indem wir Dreck in strahlende neue Produkte verwandeln. Die Präsentation des limitierten Modells war gleichzeitig Debüt eines Begriffs: ‹Ocean Plastic›. Wer ihn erfunden hat, ist unklar. Fest steht: Adidas hat ihn gross gemacht. Seither hat er sich verbreitet wie Birkenpollen im April. An Designmessen, in Möbelhäusern und Supermärkten – überall sind ‹Ocean Plastic›-Produkte anzutreffen. Um welche Plastikart es sich handelt, woher sie stammt und wie hoch ihr Anteil ist, steht oft nirgends. Das ist auch gar nicht nötig, weil die Bilder von in Netzen verhedderten Schildkröten und Seevögeln, die mit plastikgefüllten Mägen verhungert sind, sich längst in unsere Köpfe gegraben haben. Mit dem Kauf dieser Produkte, so das übermittelte Bild, kämpfen wir dagegen an und entschärfen das Problem knapper werdender Rohstoffe. Doch die Formel Abfall = Ressource stimmt im Fall von Plastikmüll aus dem Meer nur bedingt. Riesiger Aufwand, mässiger Ertrag Sonne und Wellen beschädigen Kunststoff, sodass er sich zersetzt und in immer kleinere Teilchen aufspaltet. Allein im grössten Müllstrudel der Welt, im Great Pacific Garbage Patch, schweben laut Schätzungen 6400 Tonnen Mikroplastik. Dabei handelt es sich um weniger als zehn Prozent der gesamten Abfallmasse, der Rest besteht aus grösseren Teilen und Netzen. Damit zu arbeiten, hiesse, auf hoher See Material zu bergen, das verschmutzt, verheddert und degradiert ist. Der Grossteil bliebe unerreichbar, weil er zu kleinteilig und bereits abgesunken ist. Und da sich gemischte Plastikarten nicht miteinander...
Transparenz statt Schönfärberei

‹Ocean Plastic› klingt gut, doch was bedeutet es? Wenn schwammige Begriffe das Potenzial eines Materials überhöhen, schaden sie mehr, als dass sie nützen.

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