Ernsthafte Probleme erfordern ernsthafte Antworten, meint Redaktor Marcel Bächtiger.

Wir haben zu tun

Eine Parole geistert durch Architekturschulen und den politisch engagierten Diskurs: «Hört auf zu bauen!» Sie soll Fragen aufwerfen – und das tut sie auch.

Im Jahr 1966 malte der deutsche Künstler Jörg Immendorff in dicken Pinselstrichen die Worte «Hört auf zu malen» auf eine Leinwand – eine hübsche Paradoxie, wie sie vielleicht nur in der Kunst möglich ist. Spätestens seit der Moderne gehören Subversionen dieser Art zum Repertoire des Kunstbetriebs. Es ist wenig überraschend, dass der Aufruf, den Pinsel niederzulegen, immer dann neuen Auftrieb erhielt, wenn die gesellschaftlichen Zeichen auf Sturm standen. Auf einem anderen Gemälde von Immendorff, gemalt im Krisenjahr 1973, wird ein Maler aus dem Atelier auf die Strasse – genauer: zum Strassenkampf gegen politische Unterdrückung – gerufen. «Wo stehst du mit deiner Kunst, Kollege?» lautet hier die programmatische, mit grossen Lettern gemalte Bildunterschrift. Die Paradoxie wiederholt sich, die Botschaft jedoch ist eindeutig: Bilder zu malen, ist in Situationen der Krise nicht nur langweilig, sondern moralisch fragwürdig. Ein eitler Zeitvertreib. Sich den komplexen Fragen stellen Seit die Klimakrise im öffentlichen Bewusstsein angekommen ist, kennt auch der Architekturdiskurs den Verweigerungsmodus: «Hört auf zu bauen!» lautet der entsprechende radikale Imperativ. Formuliert wurde er 2020 im ‹Climate Action Plan› der Schweizer Klimastreik-Bewegung und kurze Zeit später in der Initiative ‹A global Moratorium on New Construction›, die im Umkreis der Architektin und EPFL-Assistenzprofessorin Charlotte Malterre-Barthes und des Architekten und ETH-Professors Arno Brandlhuber entstanden ist. Beide Initiativen fordern ein Moratorium für Neubauten; die erste fordert eins für die Schweiz, die zweite gleich für die ganze Welt. Der Grund dürfte allseits bekannt sein: Der Bausektor ist verantwortlich für einen massgeblichen Teil der weltweiten CO2-Emissionen. Der effektivste Klimabeitrag der Architektinnen und Architekten wäre also der, mit dem Neu-Bauen aufzuhÃ...
Wir haben zu tun

Eine Parole geistert durch Architekturschulen und den politisch engagierten Diskurs: «Hört auf zu bauen!» Sie soll Fragen aufwerfen – und das tut sie auch.

E-Mail angeben und weiterlesen:

Geben Sie uns Ihre E-Mail-Adresse und wir geben Ihnen unseren Inhalt! Wir möchten Ihnen gerne Zugriff gewähren, obwohl dieser Beitrag Teil unseres Abos ist.