Vom Baum zum Brett
Förster, Holzbauer und Architekten erklärten in der Baumuster-Centrale in Zürich, was mit Holz alles möglich ist. Material dafür geben die Schweizer Wälder mehr als genug her.
Die Schweiz ist ein rohstoffarmes Land. Doch ein Material wächst schneller nach, als wir es verbrauchen: Holz. «Wir könnten 50 Prozent mehr nutzen und der Abbau wäre immer noch nachhaltig», erklärte Roger Schmidt, Vorsteher des Amts für Wald im Kanton Bern, der von den jährlich nachwachsenden 1.7 Millionen Kubikmetern Holz nur 1.2 Millionen schlägt. Die Organisation Marketing Schweizer Holz, die dem Dachverband der Schweizer Holzwirtschaft Lignum angegliedert ist, hatte letzte Woche in die Baumuster-Centrale in Zürich geladen, um den «Nutzen der Nutzung» zu beleuchten. «Dem Schweizer Wald geht es gut», stellte Schmidt klar. Das ist wichtig, denn er übernimmt viele Funktionen: Der Wald fördert die Biodiversität, schützt vor Naturgefahren, dient zur Erholung – und liefert Rohstoff fürs Bauen. Zudem speichert der Wald CO2, weshalb manche dafür plädieren möglichst wenig abzuholzen. Sie sehen den Wald als «service public», der vom Staat finanziert wird. Doch für Roger Schmidt ist das keine zielführende Strategie. «Dann wird einfach mehr Holz aus dem Ausland importiert.» Dichter Wald sei zudem artenärmer und biete weniger Schutz vor Naturgefahren. Und: Wird das Holz verbaut, bleibt das CO2 weiterhin gebunden. Es brauche deshalb eine produktionsorientierte Regulierung und eine unternehmerische Waldwirtschaft. «Der Staat reguliert und fördert, hält sich aber sonst zurück.»
Auf dem freien Markt hat in den letzten dreissig Jahren eine Konzentration stattgefunden. Die Zahl der Sägewerke ist in der Schweiz seit 1991 von knapp 1000 auf 336 zurückgegangen, rechnete Katharina Lehmann vor, VR-Präsidentin der Holzbaufirma Blumer-Lehmann. Der «Einschnitt» – das gerodete Holzvolumen – sei aber gleich hoch geblieben. Der Grund: «Ein Sägewerk zu betreiben, ist teuer.» Zudem kämpft die Branche mit dem starken Franken. Trotzdem sehen die Zahlen laut Lehmann nicht so schlecht aus, wie manche behaupten. Vom Nadelholz wird 14 Prozent exportiert, beim Laubholz sind es 32 Prozent. Der Import-Anteil wiederum liegt bei 27 Prozent. «Holz ist der älteste Baustoff der Schweiz», sagte Lehmann. Manche Holzhäuser stehen sei über 1200 Jahren. Was heute mit dem Material alles möglich ist, zeigte die Unternehmerin an einigen Beispielen, die von der spektakulären Freiform bis zum genormten Modulbau reichen. Mit der technischen Entwicklung verlagert sich der Fokus von Massivholz zu Holzwerkstoffen wie Brettschichtholz, Grobspanplatten oder neuerdings sogar 3d-gedrucktem Holz. Die Möglichkeiten werden immer breiter.
Traditionelles Wissen
Zurück zur Natur und zur Tradition geht der Holzbauer Stephan Küng. «Viel traditionelles Wissen ging verloren.» Früher wusste man: Bäume kommunizieren miteinander, Eichen wachsen am liebsten auf Wasserandern, Holunder hält den Blitz ab, erklärte Küng. Seine Spezialität ist Mondholz, das um Weihnachten herum bei abnehmendem Mond geschlagen wird. Die Bäume, die Küng zusammen mit den Bauherren individuell auswählt, sind hundert und mehr Jahre alt. Bevor sie gefällt werden, schlagen die Förster eine Kerbe in die Rinde. «Wir müssen den Bäumen Zeit geben, damit sie sich von der Erde und vom Wasser lösen können.» Nachdem das Holz ein Jahr lang getrocknet hat, wird es mit Buchendübeln zu Vollholzelementen verbunden. Bei einem Einfamilienhaus in Alpnach, das beim Prix Lignum 2018 mit einem Sonderpreis Schweizer Holz ausgezeichnet wurde, setzte Küng durch und durch auf Holz. Selbst der Beton für das Fundament ist mit Bambus armiert. So spart der Bau graue Energie und schneidet laut Küng 30 Prozent besser ab als ein Minergie-P-Gebäude. Und das alles mit der Kraft der Natur.
Den Bogen von der Vergangenheit bis in die Gegenwart schlug schliesslich auch Daniel Lischer von ALP Architektur. Die Pfahlbauer beweisen: Holz ist der «Urbaustoff des Menschen», wie einst Walter Gropius schrieb. In Erstfeld plante Lischer mit dem Material für die Mobilität des 21. Jahrhunderts: Für eine Autobahnraststätte an der Gotthardstrecke verbaute er rund 15 Kilometer Lamellen. Das Resultat sei weder Swissbox noch Chalet, sondern eine «moderne Scheune». Ein Spagat, der dem vielseitigen Material Holz spielend gelingt.
«Der Nutzen der Nutzung»: Das Fachgespräch zur Wald- und Holzwirtschaft war eine Gastveranstaltung von Lignum in der Baumuster-Centrale in Zürich.