Marcel Bächtiger ist Redaktor der Zeitschrift Hochparterre und war zuvor mitverantwortlich für ‹Hochparterre Wettbewerbe›. Fotos: Jonas Weibel
In Zusammenarbeit mit Kanton Zürich, Theo Hotz Partner, HRS

PJZ kontrovers: «Städtebauliche Durststrecke»

Im Themenheft zum Polizei- und Justizzentrum in Zürich setzen sich zwei Hochparterre-Redaktoren mit dem Städtebau auseinander. Marcel Bächtiger findet: Das Volumen ist zu gross für diesen Ort.

Vielfalt und Verschiedenheit sind für eine Stadt essenziell, das ist wahr. Und zur städtischen Vielfalt gehört, dass ein Stadtbaustein auch einmal uniform sein darf, sowohl was Aussehen wie Programm angeht – bekanntlich ist die Stadt mehr als die Summe ihrer Teile. Ähnlich verhält es sich mit Kriterien wie Grösse oder Öffentlichkeit. Die Verschiedenartigkeit einer Stadt ergibt sich notwendigerweise aus unterschiedlichen Dimensionen, aus dem Nebeneinander von kleinteiligen Strukturen und grossmassstäblichen Bauten, aus dem Kontrast von öffentlich zugänglichen und privaten oder abgesonderten Bereichen. Erst aus der Präsenz solcher Widersprüche und Reibungen entwickelt die Stadt ihr erzählerisches Potenzial.

Wenn ich die Realisierung des PJZ auf dem Areal des ehemaligen Güterbahnhofs trotzdem für einen städtebaulichen Fehler halte, dann deshalb, weil auch das Plädoyer für Heterogenität kein Freipass für ein urbanistisches Anything goes ist. Anders gesagt: Auch wenn im Grundsatz nichts gegen die Präsenz eines grossen Polizei- und Justizgebäudes auf städtischem Gebiet einzuwenden ist, entbindet dies nicht von kritischen Fragen zum Wie und Wo, zum Ort, zur Massstäblichkeit, zum Ausdruck und zum Angebot an die städtische Öffentlichkeit.

Sicher, das ehemalige Güterbahnhofareal bot sich geradezu an, dazumal, vor gut zwanzig Jahren, als man den Masterplan ausheckte. Das Areal war gross und man konnte es mehr oder weniger problemlos leerräumen. Es lag zentral, aber gehörte nicht wirklich zur Stadt. Ausserdem konnte im Gegenzug das Kasernenareal für eine öffentliche Nutzung freigespielt werden.

Und doch muss man sich aus heutiger Sicht über den kurzsichtigen Pragmatismus der damaligen Stadtplanung wundern: Weder erkannte sie das Potenzial und den Identitätswert des historischen Güterbahnhofs noch die Relevanz des Areals für die zukünftige Stadtentwicklung.

Zentrales Verbindungsstück verschenkt
Markierte noch Ende des 20. Jahrhunderts das Langstrassenquartier den letzten Vorposten urbanen Lebens, bevor die Atmosphäre ins Vorstädtisch-Genossenschaftliche kippte, so hat sich diese Grenze in den letzten Jahren schrittweise stadtauswärts verschoben. Liest man nun die Abfolge von Idaplatz und Lochergut über Bullinger- und Hardplatz nach Zürich West als bemerkenswerte Kette neu entstandener städtischer Orte im Westen, so wird gleichzeitig klar, dass mit dem Bau des PJZ eines der zentralsten Verbindungsstücke zwischen altem Langstrassenquartier und neuen Hotspots verschenkt worden ist. Das Güterbahnhof-Areal hätte zum einem Ort werden können, der gleichzeitig in die Vergangenheit und in die Zukunft, nach Osten und nach Westen blickt, zu einem vielschichtigen Stadtbaustein, der dem Quartier um den Bullingerplatz den Zugang und den Blick auf die Weite des Gleisfelds eröffnet hätte. Stattdessen erwartet die Zürcherinnen und Zürcher nun an bester Lage eine städtebauliche Durststrecke – ein anonymer, langweiliger Ort.

Daran wird auch die weitere Entwicklung im Westen des Areals, wo eine Kantonsschule geplant ist, nicht mehr viel ändern. Das PJZ ist nämlich – und das ist das zweite städtebauliche Problem – nicht einfach nur gross, sondern sprengt mit seinen Dimensionen den gewohnten und verträglichen Massstab. Mit entsprechender Dominanz wird es seinen Kontext auf Jahrzehnte hinaus prägen – es bleibt schwer zu integrieren. Dass die schiere Grösse auf die politisch ohnehin umstrittene Zusammenlegung von Polizei, Staatsanwaltschaft und Zwangsmassnahmengericht zurückzuführen ist, sei nur am Rande vermerkt.

Kein öffentlicher Ort
Städtebaulich erklärbar wäre eine solche Massstäblichkeit an diesem Ort jedenfalls nur mit einer eminent öffentlichen Nutzung. Das PJZ – und das ist das dritte städtebauliche Problem – kann genau diese Öffentlichkeit nicht bieten. Ein Polizei- und Justizzentrum inklusive Vernehmungszimmer und Gefängniszellen ist aus naheliegenden Gründen kein für die Bevölkerung attraktiver Ort. Es ist auch kein gewöhnliches Büro- oder Verwaltungsgebäude. Die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen in und um das Gebäude sowie Monotonie und Introvertiertheit der Fassade sprechen eine deutliche Sprache.

Ein übertrieben grosses und maximal geschlossenes Bauwerk an bester Lage aber ist kein gelungener Beitrag zur städtischen Vielfalt.

Dieser Beitrag stammt aus dem Themenheft «Imposanter Stadtbaustein», das Hochparterre in Zusammenarbeit mit dem Kanton Zürich, Theo Hotz Partner Architekten und HRS realisiert hat. Es liegt der abonnierten November-Ausgabe von Hochparterre bei und kann im Shop bezogen werden.

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