Fulvio Chiavi, Gian Peter Niggli, Roderick Hönig (Moderation) und Mario Angelo Tempini (v.l.n.r.) diskutiererten in Samedan über Baukultur. Von Patrick Blarer sind leider nur die Füsse zu sehen. Fotos: Alice Bisaz

«Und wenn sich der Einheimische sein Engadinerhaus nicht mehr leisten kann?»

Am Freitagabend diskutierte in Samedan ein Podium über Baukultur. Anlass war das neue Büchlein «Bauen und Architektur in Samedan».

Es ging auf dem munteren Podium vor allem um historische Bauten und wie sie ins 21. Jahrhundert gerettet werden können: «Was, wenn sich ein Einheimischer den Umbau seines Engadinerhauses nicht mehr leisten kann, weil die Anforderungen der Bauberatung und der Baukommission zu hoch sind?» fragte Gian Peter Niggli, Landwirt und Kantonsrat, gleich zu Beginn in die Runde. «Baukultur ist keine Frage des Geldes, sondern der Sensibilität», konterte der Architekt und Architekturdozent Mario Angelo Tempini. Selbstverständlich liessen sich historische Häuser an die Ansprüche des 21. Jahrhunderts anpassen, es sei bloss eine Frage des «wie», so Tempini. Diese beiden Positionen machten die Lager des Abends klar: Patrick Blarer, Architekt in Samedan und Baukommissionpräsident sowie Tempini als «Bewahrer» auf der einen und der ebenfalls lokale Architekt Fulvio Chiavi mit dem Landwirt und Grossrat Gian Peter Niggli als liberale «Weiterbauer» auf der anderen Seiten. Einig waren sich allerdings alle Teilnehmer des Podiums, dass Erhalt und Weiterentwicklung keine Gegensätze sein dürften. Doch schnell wurde offensichtlich, dass bei den Vertretern des «möglichst hürdenlosen Bauens» der Schutz der Baukultur hinter der Fassade aufhört. «Der Bauherr will und kann doch nicht wie vor 100 Jahren in einem Engadinerhaus leben», so Fulvio Chiavi, für den etwa die Aussendämmung seines eigenen Engadinerhauses inklusive Sgraffito nicht im Widerspruch zur Baukultur steht. Patrick Blarer musste seine Arbeit als Baukommissionspräsident mehrmals verteidigen: «Wir sind kein Verhinderer-Gremium, sondern wollen «Schlechtes» minimieren und «Gutes» maximieren», so Blarer. Der Architekt verwies aufs kulturelle Erbe, das es zu schützen gelte und das der nächsten Generationen nicht auf «Disney-Niveau» zu übergeben sei.

Nach engagierten Voten aus dem Publikum zur heiklen städtebaulichen Zukunft des Gross-Dorfes unter Zweitwohnungs-Druck, einigten sich spätestens beim Apéro Podiumsteilnehmer und Publikum auf ein höheres Niveau der «Sensibilität» – und zwar auf Bauherren-, Architekten- und Behördenniveau.

close

Kommentare

Regula Bohrer-Caduff 01.11.2011 09:29
Jesses, nicht nur, dass es im Engadin keine Häuser für Einheimische mehr hat, die Frauen sind, so scheint es auf dem Foto jedenfalls, auch alle abgehauen! Mackertum im Engadin, ein anderes grosses Problem?
Kommentar schreiben