Antiseefeldisierung
Am Wochenende stimmen die Zürcher über den Bau der Wohnsiedlung Hornbach ab. Die einen bekämpfen sie als subventionierte Luxuswohnungen, die anderen feiern sie als Weg zur sozialen Durchmischung im teuren Seefeld. Was das Projekt vor allem ist: städtebaulich und architektonisch bemerkenswert.
Vom Getöse der Diskussion könnte man meinen, die deutsche Kette Hornbach wolle im Zürcher Seefeld einen Baumarkt errichten. Aber nein, es geht um eine schmucke Wohnsiedlung gleichen Namens. Der Hauseigentümerverband, die SVP und FDP und in ihrem Gefolge die NZZ finden das Grundstück mit Seesicht zu schade für gemeinnützige Wohnungen. Für alle anderen ist das Projekt ein Akt der Antiseefeldisierung und damit so oder so gut; sie freuen sich über 122 neue Wohnparteien mit normalem bis niedrigem Einkommen – 122 Ausnahmen in diesem Teil der Stadt, der immer teurer wird.
Aber wer redet in dieser Diskussion von Stadtraum? Von Architektur? Die Stadtzürcher stimmen am 14. Juni nicht über eine wohnbaupolitische Grundsatzfrage ab, sondern über die Realisierung eines ganz konkreten Projektes. Und das hat grosse Qualitäten, jenseits der moderaten Mietzinse.
Geradezu hymnisch schrieb die Jury nach dem Wettbewerb vor drei Jahren von einer «fundamentalen Lektion, die das Thema Wohnen vom Stadtviertel bis zum Haus abhandelt». Überrascht und anerkennend rieben sich viele Architekturkollegen die Augen: Das Siegerprojekt der Architekten Knapkiewicz & Fickert erfüllt die knebelnden Vorgaben von knappen Wohnungen (4,5 Zimmer unter 100 Quadratmeter), die aber gut funktionieren (mit einem eigenen Raum für die Küche und Balkonen Richtung See) und wenig kosten. Es erfüllt den Strassenlärmschutz und Minergie-P. Mit seinen massstäblichen und farbigen Häusern heilt das Projekt den bisherigen Unort mit traditionellen aber auch selbstverständlichen Stadträumen: Kanal, Baum- und Hausreihen und ein kleiner Platz als Auftakt an der Bellerivestrasse entlang des Sees.
Gebildet werden diese Stadträume von Häusern, die vor Bildern nur so sprühen: Pariser Stadtpalais, deutsche Reformarchitektur, belgischer Jugendstil – man kann vieles darin sehen, oder man sieht einfach nur schmucke Fassaden mit weich geformten Wohnräumen dahinter – '1001 Nacht' war das Wettbewerbsmotto. Gemeinnütziges Wohnen kann sich heute durchaus wieder (und wo, wenn nicht im Zürcher Seefeld?) mit den Insignien eines europäisch-bürgerlichen Wohnens schmücken. Wie schon vor hundert Jahren bei der städtischen Riedli-Siedlung oben am Zürichberg. Luxuswohnungen? Wenn einfache, stimmige und schöne Räume heute schon Luxus sind, dann ja. Luxus für jeden!
Am Sonntag abstimmen!