Gibt es die Schweizer Architektur?
«Swiss Architecture Does Not Exist». Keine Frage, Andreas Ruby kann schlagzeilen. Es ist der Titel des Essays, den der Direktor des Schweizer Architekturmuseums eines von ihm kuratierten Magazins voranstellt.
Nicht eine Schweiz gebe es, erläutert Ruby der Welt in der Einleitung zum japanischen a+u über «Emerging Architects Under 45 in Switzerland», sondern viele. Ihre Namen: Zürich, Basel, Genf, Lausanne und Lugano. Viele kleine Architekturszenen, überall im kleinen Land. Die Swiss Box? Eine Deutschschweizer Erfindung und ausserdem tot. Die Jungen emanzipierten sich mehr und mehr vom «überwältigenden Erbe des Schweizer Minimalismus». Sie wollen nicht nur neu-, sondern auch umbauen. Wohnexperimente interessieren sie. Und Bürochefs seien heute auch mal -chefinnen. Sie haben, so der Basler Experte, eine post-heroische Vorstellung von Architektur. «They are interested to explore the seeming banality oft he everyday rather than trying to colonize it esthetically by high-stakes design». Grosses A? Nein Danke. Glücklich sieht der Autor ein weiteres Goldenes Zeitalter heranbrechen.
Zitternd blättert man weiter, in Erwartung der Jungen Wilden. Und hat mit den Bündnern Angela Deuber und Raphael Zuber erstmal das ultimative A vor sich. Beton, so hart, wie er dem Leser erst wieder ganz am Schluss begegnet, mit den Tessinern Inches Geleta. Vatermörder sehen anders aus. Die tatsächlich noch jungen Tessiner berufen sich auf die Tendenza und die schon sattsam gesehenen Bündner kommen unverkennbar aus dem Stall mit dem grossen O. Bei den drei Büros aus Basel ist sowieso klar, wer sie geprägt hat (Rahbaran Hürzeler und Sauter von Moos, alle mit Verbindungen zu H&deM), ausser vielleicht HHF, aber sind die noch jung? Aus Zürich darf lediglich Duplex mit rein – Wohnungsbau! – und dann gibt es da noch das Architektenpaar AM aus Luzern; jung, ja, sie aus Korea, aber eigenständig? Bei der Romandie wird es dann interessant und (für uns Deutschschweizer) weniger bekannt: BUREAU machen zwar eher Kunst, aber Gay Menzel und Mijong zeigen endlich das, was Ruby anfangs versprach: post-heroische Umbauten. Geht doch!
Klar, wir würden über jede Auswahl nörgeln. Und die Mini-Interviews mit allen Büros («Do you consider yourselfes Swiss architects?») geben einen Mini-Einblick in deren Köpfe. Doch wenn man die Latte dermassen hoch legt, wie Andreas Ruby in der Einleitung zu seinem a+u, dann sollte man mit den ausgewählten Projekten doch etwas höher springen. Mindestens in den Architektenhimmel.