«Mehr Baukultur aus dem Hochbauamt Appenzell Ausserrhoden!»

In einem offenen Brief an den Kantonsbaumeister Otto Hugentobler fordert eine Appenzeller Architektengruppe mehr Baukultur aus dem Kantonalen Hochbauamt Appenzell Ausserrhoden. «In Gesprächen haben wir mehrmals auf die unbefriedigende Situation hingewiesen und haben versucht, Verständnis für unsere Anliegen zu finden. Leider ohne Resultate. Wir haben nun beschlossen mit diesem offenen Brief unsere Kritikpunkte und Forderungen aufzulisten.»

In einem offenen Brief an den Kantonsbaumeister Otto Hugentobler fordert eine Appenzeller Architektengruppe mehr Baukultur aus dem Kantonalen Hochbauamt Apenzell Ausserhoden. Der Brief wird hier in Auszügen publiziert. Der vollständige Text kann unter www.architekten-ar.ch als PDF-Datei bezogen werden.

Offener Brief an den Kantonsbaumeister Appenzell Ausserrhoden


Sehr geehrter Herr Hugentobler,
 
In Ergänzung zum Zeitungsartikel “Ausschreibungen sind ein Hohn”, Tagblatt vom 08.06.2011 und zum Leserbrief „Nicht einmal annähernd den Richtlinien entsprechend“, Tagblatt vom 15.06.2011 möchten wir Ihnen nochmals im Detail erläutern, weshalb wir an Architekturwettbewerben und Studienaufträgen des Kantonalen Hochbauamtes Appenzell Ausserrhoden seit mehreren Jahren nicht mehr oder nur widerwillig teilnehmen, obwohl wir von der Wichtigkeit des Auftraggebers Kanton AR und der architektonischen Bedeutung der Bauten in dessen Portfolio überzeugt sind.
 
Uns ist als ortsansässige und hier verwurzelte Architekten die “lokale Architektur” aber auch die noch umfassendere “Baukultur im Kanton“ eine Herzensangelegenheit. Wir setzen uns aktiv für die Erhaltung und Förderung von „Architektur“ und “Baukultur” ein. Wir arbeiten nebst der beruflichen Bautätigkeit parallel in regionalen und lokalen Baukommissionen, Fachverbänden, Normenverbänden, Eidgenössischen Kommissionen, an Schulen, an Austellungsprojekten und an Publikationen mit. 
 
Leider werden unsere Bemühungen vom kantonalen Hochbauamt nicht unterstützt. Man könnte auch sagen, dass wir kein fruchtbares Klima spüren, welches wir als Voraussetzung für unsere Arbeit benötigen. Seit vielen Jahren macht sich eine sehr grosse Unzufriedenheit breit.
 
In Gesprächen haben wir mehrmals auf die unbefriedigende Situation hingewiesen und haben versucht, Verständnis für unsere Anliegen zu finden. Leider ohne Resultate. Wir haben nun beschlossen mit diesem offenen Brief unsere Kritikpunkte und Forderungen aufzulisten. Wir sind zudem in Kontakt mit den Fachverbänden SIA und BSA und bauen als Ergänzung unter der Homepage „www.architekten-ar.ch“ eine öffentliche Informationsplattform auf.  Weitere Aktivitäten und öffentliche Diskussionen sind geplant.
 

1. Wettbewerbsverfahren „Optimierung“ von Machbarkeitsstudien

 
Unsere Kritik richtet sich zuerst an die Art der vom Kantonalen Hochbauamt AR durchgeführten Architekturwettbewerben und Studienaufträgen. Diese werden konstant, also seit mehr als zehn Jahren, als „Optimierung“ auf Basis einer vorangehenden Machbarkeitsstudie ausgeschrieben und abgewickelt. Es wird nie ein ganzheitliches architektonisches Vorprojekt über die gestellte Bauaufgabe gefordert, sondern es soll jeweils nur ein Teilbereich der Machbarkeitsstudie „verbessert“ werden. Salopp gesagt, wird von den Architekten und Fachplanern ein „Kreuz im Plan“ gewünscht, wo der neue Liftstandort sein soll!
 
Im Fall des aktuell ausgeschriebenen Wettbewerbs „Optimierung und Erneuerung Rathaus Trogen“ hat der Studienauftrag gemäss Ausschreibung „in erster Linie eine optimale Lösung für den Einbau, bzw. einen geeigneten Standort für den Lift„ vorzuschlagen. Dabei geht es vor allem um die Berücksichtigung der denkmalpflegerischen Substanz, Gestaltung der neuen Eingriffe und die verschiedenen Erschliessungsbereiche wie invalidengerechter Zugang, Treppenhaus, Lift und Gangzone.“ (...) Die Form des aktuell ausgeschriebenen Studienauftrages wird den baulichen, denkmalpflegerischen und kulturellen Anforderungen dieser Bauaufgabe in keiner Weise gerecht.
 
Wir fordern den sofortigen Verzicht auf „Optimierungen“ von Machbarkeitsstudien.
Wir fordern ganzheitliche Architekturwettbewerbe.
Wir fordern den Abbruch des aktuellen Wettbewerbsverfahrens „Rathaus Trogen“ und die Erstellung einer revidierten Ausschreibung zum Architekturwettbewerb.
 

2. Wettbewerbsnorm SIA 142

 
Wir im Appenzellerland tätigen Architekten sind der Ueberzeugung, dass die Normen des SIA (Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein) und die Honorierungsgrundlagen des KBOB (Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren) für Architekturleistungen, Architekturwettbewerbe und Studienaufträge eine für die am Bau Beteiligten professionelle Grundlage und korrekte Entsprechung an die geforderten Leistungen bildet.
 
In der gesamten Schweiz sind die „Wettbewerbsnorm SIA 142“ sowie die alljährlich vom Kantonalen Hochbauamt AR verteilte „Empfehlung zur Honorierung für Verträge mit Architekten und Ingenieuren KBOB“ bekannt und bilden eine sichere und verlässliche Grundlage für Architekturleistungen.
 
Wir fordern, dass auch der Kanton Appenzell Ausserrhoden die in der Schweiz allgemein anerkannten und praktizierten Normen des SIA, aber auch die eigenen Empfehlungen zur Honorierung von Architekturleistungen akzeptiert und anwendet.
 

3. Honorierung von Architekturleistungen

 
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft den zweiten Bestandteil der „optimierten“ Architekturwettbewerbe und Studienaufträge des kantonalen Hochbauamtes Ausserrhodens. Diese müssen vom teilnehmenden Architekten verbindlich gerechnet, offeriert und abgegeben werden, ohne dass im Wettbewerb die ganze Bauaufgabe bearbeitet wurde. Doch was darf offeriert werden? Hier der Originaltext der Ausschreibung Studienauftrag Rathaus Trogen: “...Als Basis für die Honorarberechnung der Architekturleistungen dient die Ordnung für Leistungen und Honorare der Architektinnen und Architekten 102, Ausgabe 2003 des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA), wobei von honorarberechtigten Bausummen (exkl. MWST) von 3.5 Mio. Franken sowie einem mittleren Stundenansatz von Fr. 115.-  und einem Umbauzuschlag von 1.1 ausgegangen wird. Die Vergütung der Nebenkosten erfolgt nach den entsprechenden Grundsätzen des KBOB...“
 
Am 12. Januar 2011 hat die Kantonale Baudirektion AR die vom KBOB herausgegebene „Empfehlungen zur Honorierung“ in „Verträgen mit Architekten und Ingenieuren“ mit einer „Weisung“ ergänzt und an die Planer im Kanton abgegeben. Der maximale Mitteltarif KBOB ist in dieser Empfehlung mit Fr. 160.- exkl. MWST aufgeführt. Im aktuellen Studienauftrag Rathaus Trogen liegt der vorgegebene Ansatz mit Fr. 115.- exkl. MWST rund 28% unter den Empfehlungen. 
 
Wer in der KBOB Empfehlung nachschaut, welcher Qualifikationsstufe ein Stundenansatz von CHF 115.- entspricht, wird erkennen, dass sich dieser nur unwesentlich über der „Tarifstufe E“ von CHF 110.- exkl. MWST. befindet. Die „Tarifstufe E“ bedeutet für das projektierende Architekturbüro eine Einstufung als „Bautechniker“ bis „Zeichner“, der sich auf der gleichen Qualifikationstufe wie „leitendes administratives Personal“ befindet. Wir betrachten dies als eine sehr geringe Wertschätzung unserer ganzheitlichen, komplexen, kulturellen und technischen Arbeitsleistung. (...)
 
Wir fordern eine der Leistung entsprechende Honorierung von Architekturleistungen nach den gängigen Empfehlungen des KBOB.
 

4. Wettbewerbsjury

 
Das Resultat eines korrekten Architekturwettbewerbs überzeugt qualitativ nur, wenn auch eine qualifizierte Jury die Projekte beurteilt. Unserer Erfahrung in den letzten Jahren zeigen, dass Sie in den meisten Wettbewerbsverfahren eine Jury zusammengestellt haben, die mehr- oder weniger eine schwache und profillose Jongliermasse zu ihrer dominanten Meinung war. Die Jurymitglieder kommen in der Regel aus Ihrem persönlichen Umfeld und können nach
Wunsch von ihnen dominiert und manipuliert werden.
 
Wir fordern eine profilierte, fachlich gut ausgerüstete und breit abgestützte Wettbewerbsjury, die entsprechend der Aufgabe sorgfältig ausgewählt wird. Wir fordern Persönlichkeiten, die auch eine „eigene Meinung“ vertreten können.
 

5. Anonymität in Wettbewerben

 
Das Kantonale Hochbauamt Ausserrhodens hält sich seit Jahren nicht an die anonyme Durchführung bei Architekturwettbewerben und Studienaufträgen, obschon die Anonymität offizieller Bestandteil dieser Ausschreibungen ist. So ist es oftmals üblich, dass die Wettbewerbsbeiträge der teilnehmenden Architekten auf dem Sekretariat des Kantonalen Hochbauamtes eingereicht werden müssen, und die Abgabe unter Namensnennung im Sekretariat erfolgt. Dies auch bei offenen Bürotüren und auch unter Anwesenheit des Kantonsbaumeisters. (...)
 
Wir fordern die lückenlose Garantie der Anonymität in Wettbewerben und Studienaufträgen. 
 

6. Kantonale Denkmalpflege

 
Ein lange existierender Kritikpunkt ist die mangelnde oder gar verweigerte Zusammenarbeit des Kantonalen Hochbauamtes mit der Kantonalen Denkmalpflege. Die im Programm zum Studienauftrag “Rathaus Trogen” aufgeführte “Berücksichtigung der denkmalpflegerischen Substanz, Gestaltung der neuen Eingriffe und die verschiedenen Erschliessungsbereiche” bedingt eine frühe Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege. Zum einen geht es um eine sachliche Beurteilung der Eingriffe und Massnahmen im Studienauftrag, zum anderen aber auch um eine frühe Planungssicherheit für den Architekten und den Auftraggeber. (...)

Wir empfinden diese Streiterei als unprofessionellen Zustand. Wir fordern eine sofortige Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen kantonalem Hochbauamt und kantonaler Denkmalpflege.
 

7. Bilanz der letzten Jahre

 
Wir sind unzufrieden mit den „architektonischen Leistungen“, die unter der Hand des Kantonalen Hochbauamtes AR in den letzten Jahren und Jahrzehnten entstanden sind. Die Bilanz sieht im Vergleich zu anderen Kantonen und Städten sehr mager aus. Es wird Zeit, die architektonischen Defizite der letzten Jahre aufzuholen. Wir Appenzeller Architekten würden ihnen gerne dabei helfen. Wir fordern bessere architektonische Resultate aus dem kantonalen Hochbauamt AR.
 

8. Besseres Arbeitsklima

 
Unsere Kritikpunkte und Forderungen sind nicht neu. Verschiedene Aussprachen, Briefe, Mails sowie offene Einzelgespräche haben in der Vergangenheit zu keinen erkennbaren Verbesserungen geführt. Wir bedauern diese Beratungsresistenz unseres Kantonsbaumeisters. Wir erfahren hingegen eine systematische und jahrelange Nichtbeachtung unserer Architekturbüros bei Submissionen und Direktaufträgen des Kantonalen Hochbauamtes. Wir leben und arbeiten hier. Wir bezahlen unsere Steuern und möchten dafür endlich entsprechende Arbeitsbedingungen.
 
Wir fordern die sofortige Verbesserung des Arbeitsklimas für unsere Architekturbüros.
 

9. Baukultur AR

 
„Baukultur AR“ beinhaltet aus unserer Sicht, dass auch das kantonalen Hochbauamt AR an einem entsprechenden Umfeld arbeitet. Die kulturelle Aufgabe „Architektur“ soll zukünftig auch im Appenzellerland auf fruchtbaren Boden fallen können.
 
Wir fordern mehr Respekt für unsere Arbeit und unser Fachwissen.
Wir fordern mehr Baukultur aus dem Kantonalen Hochbauamt Appenzell Ausserrhoden.
 
Unterzeichner in alphabetischer Reihenfolge:
 
Kerstin Auer, dipl. Architektin ETH SIA, Speicher
Alex Buob, dipl. Architekt HBK SIA, Heiden
Adrian Ebneter, dipl. Architekt HTL, Heiden
Peter Hubacher, dipl. Architekt ETH SIA, Herisau
Eva Keller, dipl. Architektin HBK BSA, Herisau
Piet Kempter, dipl. Architekt ETH SIA, Trogen / St. Gallen
Paul Knill, dipl. Architekt BSA, Herisau
Beat Müller, dipl. Architekt ETH SIA, Herisau
Markus Schmid, dipl. Architekt BSA SIA, Herisau / St. Gallen
Ueli Sonderegger, dipl. Architekt ETH SIA, Heiden

close

Kommentare

Markus Fischer 06.08.2011 12:52
Gratuliere den Architekten zu diesem offenen Brief. Das Rathaus in Trogen ist einer der bedeutendsten Profanbauten, die um 1800 in der Schweiz gebaut wurden und verdient höchste denkmalpflegerische Sorgfalt.
Kommentar schreiben