Zuhören, verstehen, umsetzen

Standardisierte Grossserien gibt es bei Huber keine. Bei der Entwicklung individueller Lösungen setzen die Fensterbauer alles um, was technisch machbar ist.

In Zusammenarbeit mit Huber Fenster

Standardisierte Grossserien gibt es bei Huber keine. Bei der Entwicklung individueller Lösungen setzen die Fensterbauer alles um, was technisch machbar ist.

Fenster, so weit das Auge reicht, in allen Grössen und Formen. Im 1000 Quadratmeter grossen Showroom von Huber Fenster in Herisau findet sich alles: kleine Fenster im historischen Stil mit sichtbaren Beschlägen, mehrere Meter breite verglaste Hebeschiebetüren, die sich gerade noch von Hand oder motorisiert bewegen lassen, Klappfenster, Kippfenster, gebogene Fenster, runde Fenster, Vertikalschiebefenster, Drehflügel, Schwingflügel, Rahmen in verschiedensten Hölzern von einfacher Tanne bis zum edlen Nussbaum, Verkleidungen aus eloxiertem Aluminium oder gar Baubronze. Die rund 80 Fenster sind keine Präsentation des aktuellen Sortiments, sondern zeigen das Schaffen der Firma in den vergangenen gut 20 Jahren. «Wir entwickeln keine Fenster auf Halde, sondern nur, wenn wir einen konkreten Auftrag haben», sagt CEO Pascal Huber. Viele der ausgestellten Fenster sind denn auch Prototypen, die auf der Basis von Kundenwünschen gebaut, danach weiterentwickelt und schliesslich in einer kleinen Serie für einen einzelnen Auftrag hergestellt wurden.

Die individuelle Fensterfertigung nach den Wünschen von Architektinnen und Bauherrschaften geht bei Huber zurück auf das Jahr 1984, als Architekt Ernst Gisel den Neubau der Kantonalbank in Herisau plante siehe ‹Haute Couture statt Standard›, Seite 5. «Wir merkten rasch, dass uns diese Art des Fensterbaus Spass macht, weil dabei das Können zählt und weniger der Preis unten rechts auf der Offerte», sagt Geschäftsleitungsmitglied Martin Huber.

Fenster in Möbelqualität
Im selben Gebäude wie der Showroom befindet sich die hochmoderne Werkstatt. Hier gibt es keine endlos langen, voll automatisierten Fertigungsstrassen wie in Fensterfabriken mit Massenproduktion. In einer Ecke werden die Hölzer zugeschnitten, im Raum daneben werden sie verleimt, danach geölt, lackiert oder gespritzt und schliesslich verglast und für den Transport bereit gemacht. Gewisse Arbeitsschritte werden von computergesteuerten Maschinen erledigt, etwa der Zuschnitt der aus Einzelstücken verleimten rohen Hölzer. Auch die Profilierung und die Lackierung sind automatisiert. In Handarbeit erfolgen zum Beispiel der Zusammenbau der Rahmen aus den zugeschnittenen Einzelteilen, das Befestigen von Beschlägen oder die Oberflächenbehandlung. Die fertigen Produkte sind das Resultat eines Zusammenspiels von modernen Maschinen und handwerklichem Können der erfahrenen Mitarbeiter.

Stünden am Ende der Produktion nicht fertige Fenster für den Abtransport bereit, würde man sich in den Hallen eher in einer Möbelschreinerei wähnen. «Ein Fensterbauer wie Huber ist wie ein Fensterschreiner. In ihrer Präzision und Qualität erinnern die Produkte an massgeschneiderte Möbel», sagt Rainer Schlumpf, Partner bei Marques Architekten. Das Büro aus Luzern gehört seit vielen Jahren zur Kundschaft der Herisauer Fensterspezialisten. Für Marques hat Huber etwa grossformatige Schiebefenster für Villen entwickelt.

Erfindergeist ist gefragt
Auch andere Schweizer Architekturbüros wie Herzog & de Meuron oder Diener & Diener arbeiten teilweise seit Jahrzehnten mit Huber zusammen. Die Projekte decken hauptsächlich zwei Segmente ab: Sanierung oder Nachbau von historischen Fenstern für Denkmalobjekte wie zurzeit für den Südflügel des Hauptbahnhofs Zürich siehe ‹Historisches am Hauptbahnhof›, Seite 12 oder aber Fenster für Neubauten, bei denen Standardprodukte den Ansprüchen von Architekten und Bauherrschaften nicht genügen.

Besondere Wünsche an Fenster kommen nicht von ungefähr: «Die Anordnung sowie die Proportionierung und Detaillierung von Fenstern bestimmen den Eindruck eines Gebäudes massgeblich und beeinflussen die Wahrnehmung des Innenraums», sagt Christian Severin, Architekt bei Diener & Diener in Basel. Entsprechend wichtig seien Fenster, die exakt auf das Gebäude und die Wünsche der Architektinnen abgestimmt sind. «Spezialisten wie Huber eröffnen uns Architekten ganz andere Möglichkeiten für die Gestaltung von Gebäuden», so Severin. Für das Basler Büro hat Huber vor drei Jahren 3,7 Meter hohe Flügelfenster aus lasiertem Eichenholz entwickelt, die beim Baloise Park beim Bahnhof Basel zum Einsatz kamen – Fenster, deren Grösse die Grenzen des technisch Machbaren erreichte.

Um solche Wünsche umsetzen zu können, braucht es immer wieder neue Erfindungen. In den vergangenen Jahrzehnten haben die Fachleute von Huber Dutzende Neuerungen entwickelt. Dazu zählen drei Basisvarianten von Hebeschiebetüren, die an verschiedene Situationen angepasst werden können. Das Modell ‹Mini› mit einer Flügelprofilbreite von 51 Millimetern, einer bündig eingelassenen Griffrosette sowie Stoppern aus Chrom-Nickel-Stahl kommt besonders filigran daher. Es wurde 2017 mit dem Red Dot Design Award ‹Best of the Best› ausgezeichnet und ist auch im Hauptsitz von Huber verbaut. Damit konstruierte Hebeschiebeflügel dürfen maximal 400 Kilogramm wiegen. Bei den Modellen ‹Midi› und ‹Maxi› mit etwas breiteren Rahmen liegt das Höchstgewicht bei 600 Kilogramm bei manueller Bedienung und bei 1500 Kilogramm, wenn das Öffnen und Schliessen durch Motoren erfolgt. Für die Sanierung von historischen Bauten aus den 1940er- oder 1950er-Jahren, bei denen oft Vertikalschiebefenster eingesetzt worden waren, hat Huber eine Lösung mit verdeckter Seilführung und Führungsschienen ohne Kunststoff konstruiert.

Luege, lose, lehre, mache
Das Augenmerk der Entwicklungsabteilung liegt auch auf den Details, die am Ende entscheidend sind für den Gesamteindruck eines Fensters. Hauseigene Erfindungen sind etwa die filigrane, runde Nanorosette für die Befestigung des Fenstergriffs oder Schwellen aus speziell gezogenen Aluminiumprofilen, die den Vorgaben bezüglich Witterungsschutz und Dauerhaftigkeit genügen und die Holzoptik erhalten. Auch für den Schutz vor Mücken und anderem Getier hat Huber eine elegante Lösung gefunden: Fliegengitter aus einem feinen Stoffgewebe, die sich bei Nichtgebrauch seitlich im Rahmen des Hebeschiebefensters versenken lassen. Aus dem eigenen Haus kommen zudem seit einigen Jahren Haustüren – ein Produkt, das Fensterbauer üblicherweise nicht herstellen. «Vielen Architekten ist es wichtig, dass Haustüren und Fenster aus einem Guss kommen. Durch die Entwicklung eigener Türen können wir diesem Bedürfnis nachkommen», sagt Pascal Huber.

Der Aufwand für die speziellen Anfertigungen ist oft gross. Nicht selten bauen die Fachleute von Huber bereits in der Offertphase einen Prototyp, um zeigen zu können, dass ihre Idee für die gewünschte Fensterlösung funktioniert. «Einen Grossteil der Entwicklung machen wir hier im Haus», so Pascal Huber. Für einzelne Bereiche hole man sich Unterstützung von einem externen Ingenieurbüro. Wichtig ist auch die enge Zusammenarbeit mit den Zulieferern, etwa der Gläser oder der Beschläge. «Da braucht es oft viel Beharrlichkeit, um Lösungen zu erhalten, die von den Standardbauteilen abweichen.» Überzeugt das Ergebnis nicht, entwickelt Huber Metallbauteile auch mal selbst und lässt diese extern produzieren.

Erfindergeist, hochstehende Technik und der Wille, neue Wege zu gehen, sind drei Bausteine, die zum Erfolg beigetragen haben. Für die Zusammenarbeit insbesondere mit den Architektinnen und Architekten hat Martin Huber in Anlehnung an den bekannten Slogan der Beratungsstelle für Unfallverhütung ein Credo entwickelt: «Luege, lose, lehre, mache.» «Luege» und «lose» heisst: Nach einer Anfrage setzen sich die Spezialisten von Huber erst einmal in Ruhe mit den Architekten zusammen, hören ihnen zu und schauen sich die Pläne genau an. «Wir versuchen stets, genau zu verstehen, was das gestalterische Ziel des jeweiligen Projekts ist und welche Ansprüche an die Fenster daraus abgeleitet werden», sagt Pascal Huber. Mit «lehre» ist gemeint, dass aus dem Gehörten und Gesehenen die richtigen Schlüsse für die Konstruktion der Fenster gezogen werden, um die Wünsche der Architekten möglichst exakt zu erfüllen. «Mache» schliesslich bedeutet zu schauen, ob und auf welchen vorhandenen Fenstern aufgebaut werden kann, und fehlende Details, Elemente oder komplette Fenster neu zu entwerfen. Huber baut Prototypen, testet sie zusammen mit den Auftraggebern und entwickelt sie weiter, bis der definitive Entwurf in der Werkstatt und vor Ort umgesetzt wird. Die Architekturbüros schätzen dieses Vorgehen, etwa Herzog & de Meuron: «Wir legen Wert auf hohe Qualität und entwickeln bisweilen auch Bauteile gemeinsam mit Handwerkern wie Huber Fenster. Wir erachten diese Art des gegenseitigen Austauschs als wertvoll.» Das Basler Büro hat mit Huber etwa die Fenster für die Sanierung von acht Villen in Castagnola bei Lugano realisiert (siehe ‹Schwergewichte am Luganersee›).

Individuell, aber normgerecht
«Alles, was technisch irgendwie geht, setzen wir auch um», sagt Pascal Huber. Um die Grenzen des Machbaren auszuloten, gehen die Herisauer Fensterbauer weit, wie die Villen von Herzog & de Meuron im Tessin zeigen. Dort hat Huber gleich mehrfach bewiesen, was möglich ist, wenn alle an einem Strick ziehen. Allein schon die schiere Grösse der Fensterflügel mit einer Breite von 4,75 Metern, einer Höhe von 3,05 Metern und einem Gewicht von rund 1,5 Tonnen war eine Herausforderung. Dazu kamen Teakholz als Material und ein Motorantrieb, um die schweren Flügel überhaupt öffnen zu können. Huber schaffte eine Trennbandsäge an, um das harte Holz bearbeiten zu können, und die Fachleute eigneten sich das nötige Know-how für den Umgang mit Teak an. Danach bauten sie einen Prototyp des Fenstersystems, beschwerten ihn mit Stahlgewichten und bewegten ihn 44 000-mal, um zu prüfen, ob alles wie berechnet funktioniert. Eine weitere Herausforderung war der Transport der Fenster über die San-Bernardino-Route. Damit die riesigen Gläser durch den zweimaligen Druckunterschied aufgrund der Höhenverhältnisse keinen Schaden nahmen, brauchte es ein spezielles Ventil im Glas und einen Druckausgleichbehälter. In Castagnola angekommen mussten die Fenster über eine schmale, nur zeitweise befahrbare Strasse angeliefert und mit dem Kran eingehoben werden.

Auch wenn das Team von Huber Fenster erst dort richtig warmläuft, wo andere Fensterbauer die Segel streichen, sind Normen oder technische Empfehlungen für das Herisauer Unternehmen sakrosankt: «Unsere Fenster erfüllen alle Sicherheitsvorschriften und bauphysikalischen oder statischen Vorgaben. Da machen wir keine Abstriche», sagt Pascal Huber. Wert wird darauf gelegt, der Bauherrschaft und den Architektinnen – etwa bei sehr grossen Fenstern – vor der Bestellung klarzumachen, dass ein späterer Austausch schwierig oder je nach Grösse und Position im Gebäude sogar schlicht unmöglich ist. Grenzen setzen dabei die Zugänglichkeit der Fenster nach Abschluss der Bauphase oder die Tragfähigkeit von Unterlags- und Fussböden. Solche Punkte würden auch in den Verträgen explizit erwähnt, so Pascal Huber.

Obwohl Huber Fenster laufend neue Bauteile und Lösungen erarbeitet, lässt das Unternehmen diese nicht patentieren. «Wir stecken unsere Energie lieber in die Entwicklung neuer Lösungen, anstatt ein Patent auf bestimmte Fenstersysteme einzutragen», sagt Martin Huber. Zu den im Showroom des Fabrikationsgebäudes in Herisau ausgestellten Fenstern dürften sich in den kommenden Jahren also weitere Objekte gesellen. Zusammen mit den älteren Modellen werden sie dann den passenden Rahmen für erste Gespräche mit Bauherrschaften und Architekten bilden – getreu dem Motto: «Luege, lose, lehre, mache.»

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