«Kategorisches Nein zur Tieflegung des Trams in der Innenstadt»
In der Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe von Hochparterre entwirft ETH-Professor Ulrich Weidmann die Vision vom unterirdischen Tram in Zürich. Das meinen VBZ, Verkehrsplaner und Patrick Gmür vom Amt für Städtebau dazu.
«Ich begrüsse die Initiative zur Diskussion einer zukunftsgerichteten Ausgestaltung des öffentlichen Nahverkehrs und teile die Situationsanalyse und Stossrichtung des Lösungsansatzes. Mit unserem Projekt Netzentwicklungsstrategie 2030 arbeiten wir in eine ähnliche Richtung, wenn auch etwas weniger visionär. Die Mobilitätsbedürfnisse und Ansprüche an den Strassenraum können langfristig, insbesondere beim Hauptbahnhof und in der Innenstadt, mit den bisherigen Ansätzen nicht mehr bewältigt werden. Unsere Fahrgäste schätzen aber sichere und leicht zugängliche Haltestellen auf der Strassenebene, d.h. die Anzahl unterirdischer Haltestellen muss minimiert werden.»
Guido Schoch, Direktor Verkehrsbetriebe Zürich VBZ
«Kategorisches Nein zur Tieflegung des Trams in der Innenstadt. Das Tram ist stadtverträglich. Eine der Qualitäten des öffentlichen Verkehrs in der Stadt Zürich ist seine engmaschige Vernetzung. Eine räumliche Trennung in unten und oben führt zwangsweise zu einer Verminderung der Attraktivität.
Paradox, dass die Übung unter dem Titel „beschleunigen“ stattfinden soll. Natürlich führe das Tram im Boden und mit längeren Haltestellenabständen schneller. Aber die längeren Anmarschwege würden dies mehr als kompensieren. Zürich braucht auch in der Innenstadt neue Tramachsen. Aber bitte auf den Strassen. Und auf Kosten des Auto.»
Paul Romann, Müller, Romann & Schuppisser, Verkehrsplanung, Raumentwicklung, Zürich
«Aus städtebaulicher Sicht ist die Anbindung künftiger Verdichtungsräume mit dem öffentlichen Verkehr wünschenswert. Gleichzeitig überzeugt die Idee, den Knoten Innenstadt mit einer visionären Lösung zu entlasten. Gemäss der Skizze besteht eine Chance die Verkehrsführung beim Hauptbahnhof neu zu gestalten oder die Ausdehnung der Fussgängerbereiche zu ermöglichen. Andererseits werden die Verdichtungsgebiete besser ans Zentrum angeschlossen.»
Patrick Gmür, Direktor Amt für Städtebau der Stadt Zürich
«Das Tram gehört zu Zürichs Stadtbild, auch und gerade in der Innenstadt. Pendler und Touristinnen in der visuell so attraktiven Innenstadt in den Untergrund zu verbannen, ist sowohl verkehrstechnisch als auch städtebaulich ein grober Fehler, der bereits in den 1960er Jahren an der Urne abgelehnt wurde. Eine Beschleunigung des Trams muss oberirdisch erfolgen, etwa durch den Ausbau von Quai- und Bahnhofbrücke auf vier Geleise. Das darf ruhig auf Kosten von Autospuren erfolgen.»
Richard Wolff, Stadtforscher, INURA Zürich Institut
«Die unterirdische Führung wichtiger Tramlinien im Stadtzentrum gibt dem öffentlichen Raum die Qualität zurück, die ihm durch die rücksichtslose Beanspruchung unserer schönsten Plätze und Strassenzüge durch den ÖV abhanden gekommen ist. Die Vergrösserung der Haltestellenabstände zu Gunsten kürzerer Fahrzeiten und die Verlängerung der Tramlinien in die Vororte ist sinnvoll, aber die Trasseeführung enthält diverse Knacknüsse.»
Hans Naef, GSP Gesellschaft für Standortanalysen und Planungen, Zürich
«Der Vorschlag zielt in wesentlichen Punkten am Problem vorbei: In der Innenstadt von Zürich haben wir relativ gute Verkehrsverhältnisse und auch bezüglich der urbanen Qualität des öffentlichen Raumes wurde viel getan. Eine Grossinvestition im Untergrund drängt sich nicht auf, zudem könnte das vorgeschlagene Tunnelsystem niemals die Kapazitäten des heutigen Netzes erreichen. Die radiale Verlängerung der Stadtlinien in die Vororte ist wenig zielführend. Die Stadtregion sollte sich stärker polyzentrisch entwickeln und das kann eher mit tangentialen Stadtbahnausbauten und gut mit der S-Bahn vernetzten Linien unterstützt werden.»
Willi Hüsler, IBV Hüsler, Ingenieurbüro für Verkehrsplanung, Zürich
«Mit der Bildung mehrerer „Polyzentren“ innerhalb der Stadt (Zürich Nord, Zürich Süd, Zürich West, Letzi/Altstetten) kann das Stadtzentrum entlastet werden. Dies wird in der Liniennetzstudie 2025 der VBZ festgehalten. Zwischen diesen „Polyzentren“ soll die Verbindung des öV auf Eigentrassees stattfinden. Die Verlängerung der Haltestellenabstände ist eine interessante Idee, muss jedoch genau geprüft werden. Weil mehr Leute ein- und aussteigen dauern die Halte länger. Die unterirdische Führung wird möglicherweise wieder aktuell. Aber es stellt sich die Frage des grossen Platzbedarfs (Infrastruktur, Auf- und Abgänge) und der Kosten. Ausserdem ist auch das Tram Teil des öffentlichen Raums und dies macht auch die Attraktivität des Feinverteilers aus.»
François Aellen, Direktor Tiefbauamt Stadt Zürich
«Busse und Postautos sind Landvehikel, in der Stadt nicht zu gebrauchen (eine Temperamentsfrage). S-Bahnen sind Massenverkehrsmittel für die Agglomeration (sie machen Vorstädte erst möglich), schnell und anonym. Das Tram aber ist städtisch! Wo ein Tram fährt, ist Stadt, wo eine neue Tramlinie gelegt wird, entsteht Urbanität – zumindest der erbärmliche Rest davon, den wir im 21. Jahrhundert noch zu erzeugen in der Lage sind. Das Tram muss nicht schnell sein, denn es fährt nur kurze Strecken, führt dafür mitten in die Kernstadt. Eine unterirdische Linienführung im Zentrum, was für eine Schnapsidee – unbezahlbar, undurchführbar und unnötig für die «Kleinstadt Zürich». Hängen wir lieber wieder (wie früher) die Tramtüren aus, so dass man etwas vor dem Halt schon abspringen bzw. nach dem Anfahren noch aufspringen kann.»
Martin Hofer, Wüest & Partner, Zürich
«Sie sprechen mir aus der Seele. Es ist grauenhaft, wenn man sich an der Bahnhofstrasse befindet, die Strassenseite wechseln möchte und dabei fast vom Tram überrollt wird. Bei der unterirdischen Führung im Stadtzentrum bin ich völlig dabei. Aktuelle verlegt Karlsruhe gerade das Netz unterirdisch und ist damit ein gutes Beispiel dafür, dass es so auch funktionieren kann. Den politischen Prozess von 15 Jahren sollte man jedoch verkürzen.»
Marc-Christian Riebe, Gründer, CEO und Präsident der Location Group