Villensbildung in Hurden, Kanton Schwyz. ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Müller, Benjamin

Die Villensnation

Von Villensbildung, steuerdümpelnden Seeufern und Eichenverantwortung – eine Glosse zum Montagmorgen von Christof Brassel, Autor und Rechtsantwalt.

In der Schweiz gibt es – vom Gebäudebestand her gesehen - verhältnismässig viele Villen, vor allem natürlich in den Villenvierteln, vorzugsweise an schönen steuerdümpelnden Seeufern. Da denkt man wohl zunächst einmal an die serienmässigen Villenansammlungen von Herrliberg-Geldmeilen oder Villerau. Wenn es um sehr teure Villen geht, sind sodann die palastartigen Anwesen am Genfersee zu erwähnen, z.B. jene von Cologny, die vor allem von «Oligarchen» aller Art «colognysiert» werden. Ganz nett und keineswegs billig sind da aber auch die hübschen Hergisvillen oder Walchvillen am Innerschweizer «Privilago Maggiore».

Angesichts des beachtlichen helvetischen Villenbestandes bestätigt sich einmal mehr, dass die Schweiz ganz offensichtlich eine Villensnation ist, eine Nation, die vom freien Willen der Villenbesitzer geprägt ist. Natürlich leben nicht alle Bewohner dieses Landes in Villen, die meisten Schweizer und Schweizerinnen sind vielmehr völlig villenlos. Da gilt dann halt der Sinnspruch «ohne Villen, kein Weg», und umgekehrt: «wo eine Villa ist, ist auch ein Weg», und nicht nur ein Weg, nein, eine komfortable geteerte Zufahrt zur Villengarage.

Doch zu den Villen gehören nicht nur monströse Betongaragen, sondern auch lauschige Gärten mit mächtigen Bäumen, sogenannten «Supereichen». Die Superreichen sind denn auch die wahren Villenbesitzer, und das «Eichentum» ist diesen bekanntlich heilig, ebenso die «Eichenverantwortung». Wer keine Villen hat, ist selber schuld, denn alles ist eine Frage der «Villenskraft». Nur mit harter «Erbeit» schafft man Wohlstand, und ohne Villen als Grundvoraussetzung gibt es auch keine anständige Erbschaft und «Villensvollstreckung». Doch dank starker politischer «Villenskraft» gibt es heute immerhin keine nennenswerte Erbschaftssteuer mehr. 

Zu den prächtigen «Supereichen» kommen in den Villengärten sodann auch noch die «Superbuchen» hinzu. Neben der «Eichenverantwortung» ist nämlich auch eine geschickte Buchhaltung von unschätzbarem Wert; ja es gehört gerade mit zur «Eichenverantwortung», die «ereichten» Gewinne in einem steuergünstigen Umfeld zu verbuchen. Neben der «Eichen- und Buchenverantwortung» tragen die freien Villenbesitzer/innen in unserem Land auch noch eine weitere, ganz besondere, Verantwortungslast: Sie müssen dafür sorgen, dass der politische Wille des meist villenlosen Volkes für sie immer die richtige «Villigkeit» annimmt.

Dafür stehen den freien Villenbesitzern verschiedene «bereitvillige» Parteien, Villensbildungs-Organisationen und PR-Firmen zur Verfügung, aber mental bleibt die ganze Last letztlich doch an ihnen selbst hängen. Denn wie schon der Name sagt, stellt man den politischen Willen des Volkes ganz bewusst und «villentlich» immer in den Villenvierteln her. Und so berauscht sich denn auch der politische Wind wie eh und je an den Blättern der prachtvollen «Supereichen» und «Superbuchen» und weht dann, wie er will, hinaus in die weite villenlose Landschaft.

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