Die Gartenseite der Villa dall’Ava bei Paris. Ihr Eingang liegt ein Geschoss tiefer auf Strassenniveau. Fotos: Gaston François Bergeret

Das Haus des Monsieur Boudet

Dominique Boudet schreibt über den genossenschaftlichen Wohnungsbau in Zürich. Architekt ist er nicht, aber einer der ersten Bauherren von Rem Koolhaas. Ein Besuch in Paris.

Gelber Backstein, grüne Gärten und laubgesägte Giebel hinter schmiedeeisernen Zäunen. Behütet blickt man vom Vorstadthang in Saint-Cloud auf Paris hinab. Doch vor einer der Gartenmauern kommt die Sicherheit der bürgerlichen Existenz ins Wanken. Eine Collage aus Wellblech und Glas ragt dahinter auf, gehalten von einem Dutzend schiefer Stahlstützen und einer Betonscheibe. Als unverschämte Krönung dieser Mischung aus Villa Savoye und Deux-Chevaux schmückt ein Baustellenzaun aus orangem Plastik das grüne Dach. Diese Zumutung ist eines der bekanntesten Häuser des 20. Jahrhunderts: die Villa dall’Ava, ein Frühwerk von Rem Koolhaas. Ich drücke auf den Klingelknopf am fleckigen Putz der Mauer. Ein schmales Männchen nähert sich über den Plattenweg, durchkurvt ‹Mon Oncle›-artig den Stützenwald. Dominique Boudet lächelt. Seit 25 Jahren wohnt er in einer Ikone.Bilder im KopfWir lernten uns letzten Sommer kennen. An der Eröffnung des Hunziker-Areals sprach er mich an, er schreibe ein Buch über den genossenschaftlichen Wohnungsbau in Zürich. Danach besuchte er immer wieder diese Stadt, traf sich mit Architekten, sprach mit Bauherrschaften und Behörden. Auch mir sass der kultivierte Mann oft im Café gegenüber, blätterte euphorisch durch die neusten Fahnen seines Buches, erfragte mit wachen Augen meine Meinung. Seine dünnrandige Brille sass auf markanten Ohren, und die grossen, feinen Hände begleiteten jeden Satz mit einer Geste. Er wollte alles wissen über das ‹System Zürich›, lobte dieses Haus und jenen Architekten, rief immer mal wieder «wow!», als sei er nicht 78 Jahre alt, sondern 18. Einmal fragte ich ihn beiläufig, wo er eigentlich wohne. Ach, sagte er bescheiden, etwas ausserhalb von Paris. Rem Koolhaas habe ihm dort einmal ein Haus gebaut. Als der Name des Hauses fiel, hatte ich sofort Bilder im Kopf: Die Giraffe zwischen den schiefen Stützen. Das hal...
Das Haus des Monsieur Boudet

Dominique Boudet schreibt über den genossenschaftlichen Wohnungsbau in Zürich. Architekt ist er nicht, aber einer der ersten Bauherren von Rem Koolhaas. Ein Besuch in Paris.

E-Mail angeben und weiterlesen:

Geben Sie uns Ihre E-Mail-Adresse und wir geben Ihnen unseren Inhalt! Wir möchten Ihnen gerne Zugriff gewähren, obwohl dieser Beitrag Teil unseres Abos ist.