Wer spielt mit? Bei ‹Chaos Cuisine› muss man sich durch das Chaos navigieren. (Foto:Bamna Dadashzadeh)

Inszeniertes Chaos für gute Beziehungen

‹Chaos Cuisine› ist ein Rollenspiel, das Beziehungen am Arbeitsplatz fördern will. Was Design mit Kollaboration zu tun hat, erzählt die Interaction-Design-Diplomandin Bamna Dadashzadeh im Campus-Interview.

Wofür steht Chaos Cuisine?
Bamna Dadashzadeh*: ‹Chaos Cuisine› ist ein Rollenspiel voller Abhängigkeiten. Ziel ist es, dass alle Spieler:innen ihre gewünschte Tafel Schokolade kriegen, die sie aber zuerst herstellen müssen. Die Rollen sind ‹Chef›, ‹Translator› und ‹Recipe Holder›. Diese Rollen haben klare Grenzen, beispielsweise sieht der ‹Chef› nichts oder der ‹Recipe Holder› darf nicht sprechen. So müssen sich die verschiedenen Rollen durch das inszenierte Chaos navigieren.

Wo liegt die Schwierigkeit darin?
Es ist unmöglich, die Schokolade allein herzustellen. Also müssen die Spieler:innen zusammenarbeiten. Sie müssen ihre Blindspots erkennen, mit Ungewissheit umgehen lernen, gegenseitiges Vertrauen aufbauen und zusammen eine Sprache finden, um den Prozess zu ermöglichen. Das Spiel ist eine Problemsituation und diese müssen die Spieler:innen gemeinsam lösen. Jede Person hat Fähigkeiten, aber auch Limitationen – beispielsweise Vorurteile oder Diskriminierungstendenzen. Es geht also um die Frage, wie Zusammenarbeit gut und gesund funktioniert.


Hier spielt man ‹Chaos Cuisine› am lxDa Education Summit. (Foto: Duy Bui)

Was konntest du während des Spiels beobachten? Wo haben die meisten Menschen Schwierigkeiten?
Die grössten Schwierigkeiten sind kommunikative Missverständnisse, wie falsche Annahmen oder auch Ängste, beispielsweise im Zusammenhang mit Vertrauen. Das alles kennen wir auch aus der Arbeitswelt. Doch bei ‹Chaos Cuisine› sind die Aufgaben und Rollen ganz neu. Fehler sind unumgänglich und die gegenseitige Toleranz ist hoch. Genau deshalb entsteht ein Klima der Verantwortung und Unterstützung. Wenn jemand nicht kollaboriert, wirkt sich das unmittelbar auf das Gesamtresultat aus.

Wie kann Design diese Kollaboration fördern?
Ganz klar bei den Rahmenbedingungen des Spiels: ich erschaffe als Designerin ein kollaboratives Erlebnis für Spieler:innen. Der kulinarische Teil macht es zugänglich und einladend.

Wo soll dein Spiel Anwendung finden?
Ich habe im Vorfeld viel über kollektive und gesellschaftliche Probleme recherchiert. . Stress am Arbeitsplatz ist weit verbreitet, auch bei jungen Menschen. Solche Probleme liegen nicht nur beim Individuum selbst, sondern in der Gesellschaft und in Organisationen. Mit meiner Arbeit habe ich mich auf die Kollaboration in der Arbeitswelt beschränkt. Es ist wichtig, dass wir funktionierende und gesunde Beziehungen am Arbeitsplatz haben. Das sind oft Beziehungen, die wir uns nicht aussuchen, die aber dazu beitragen, wie viel wir gemeinsam leisten können.

Was war deine Motivation, dich mit diesen gesellschaftlichen Problemen auseinanderzusetzen?
Ich komme eigentlich aus der Zukunftsforschung und dem Industrial Design. Ich habe mich gefragt, was mit uns passiert, wenn alle unsere Alltagsservices und Produkte sehr individualistisch sind. Überall heisst es, individualistisch sein ist gut und effizient. Doch was passiert langfristig mit einer Gesellschaft, die immer wieder ihre eigenen Bedürfnisse und Sichtweisen bestätigt? Das ist nicht verwerflich, ich hinterfrage einfach gerne Trends und Entwicklungen.


In jedem Schokoladenei verbergen sich die Tools für die verschiedenen Rollen. Das aufgebrochene Ei wird im mitgelieferten Glas geschmolzen und das Spiel beginnt. (Foto Bamna Dadashzadeh)

Was genau befürchtest du, wenn der Trend sich fortsetzt?
Zum Beispiel interessiert mich das Phänomen ‹Echo Chambers›, wenn wir digitale Medien oder Social Media konsumieren: Wir sehen nur das, was die eigene Meinung bekräftigt. Wir sitzen in einer Bubble fest, da die eigenen Annahmen ständig bestätigt werden.. Mit ‹Chaos Cuisine› möchte ich das Gemeinsame fördern und die Vorteile eines Designbegriffs aufzeigen, der sich auf Beziehungen konzentriert.

Möchtest du dein Rollenspiel weiterentwickeln?
Unbedingt. Ich habe eine Evaluation durchgeführt und die Spieler:innen interviewt. Das Feedback und die Beobachtungen motivieren mich weiterzumachen. Praktisch alle konnten sich noch Monate später gut an ihr Spielerlebnis erinnern und Rückschlüsse auf ihr Berufsleben machen. Heute biete ich ‹Chaos Cuisine› als Workshop an.

Konflikte sind nie einfach. Gab es unter den Teilnehmenden auch mal Streit beim Schokolade machen?
Zum Glück bis jetzt noch nicht. Einmal hat jemand nicht genügend Anweisungen gegeben und der Chef hat dann den halben Salzstreuer in die Schokolade gekippt. Das war dann aber eher lustig und ein bleibendes Learning.
 

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