«Geruch ist schuldig, bis seine Unschuld bewiesen ist»

Die Architektin Tatiana Kulminska alias Tanski erforscht, wie Städte riechen. Zurzeit nimmt sie an der Designbiennale Zürich teil. Ein Gespräch über die Macht des Dufts.

Fotos: Joel Hunn

Die Architektin Tatiana Kulminska alias Tanski erforscht, wie Städte riechen. Zurzeit nimmt sie an der Designbiennale Zürich teil. Ein Gespräch über die Macht des Dufts.

Sie sind Architektin und Parfümeurin. Wie bringen Sie diese eigenwillige Kombination zusammen? Tatiana Kulminska: Architektur sollte alle Sinne ansprechen. An Schulen wie der ETH wird das zwar unterrichtet, doch es findet im Arbeitsalltag nicht statt. Ich versuche deshalb, das Bewusstsein für den Geruchssinn zu stärken. Bei Wettbewerbsprojekten zum Beispiel sprechen wir mit Landschaftsarchitektinnen oft nur über Technisches, etwa darüber, wie tief die Wurzeln eines Baumes reichen oder wie viel Schatten er spenden wird. Wenn ich auf seinen Duft hinweise und vorschlage, ihn in die Planung einzubeziehen, reagieren viele irritiert. Weil Geruch als unwichtig gilt? Das Thema ist willkommen, solange es im Rahmen eines Kunstprojekts bleibt. Sobald man es ernsthaft in die Architektur integrieren will, gibt es ablehnende Reaktionen. Ich habe meine Masterarbeit an der ETH über den Geruchssinn geschrieben. Trotz der Unterstützung durch meinen damaligen Professor musste ich feststellen: Geruch ist stets schuldig, bis seine Unschuld bewiesen ist. Wie meinen Sie das? Ich musste ständig beweisen, warum etwas das Recht haben sollte, auf eine gewisse Art zu riechen. In den vergangenen Jahrzehnten haben wir uns von schlechten Gerüchen in Städten gelöst, doch wir haben dabei die positive Rolle vergessen, die Düfte einnehmen können. Wir sollten also Gerüche in urbanen Landschaften bewusster einsetzen? Unbedingt. Sie sind ein starkes Instrument. Anstatt Städte laufend intelligenter zu machen, könnten wir uns fragen, was zum Glück der Bewohnerinnen und Bewohner beitragen könnte. Für eine Biennale in Lugano arbeitete ich gemeinsam mit anderen Architekten an einem Projekt, das einen utopischen Garten der Zukunft darstellte. Im Park der Villa Saroli installierten wir Diffuser, die nach Jasmin, Magnolie, Pflaume und Kamille rochen. Das sind alles Pflanzen, die den Klimawandel wegen ihrer hohe...

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