Vor fünfzig Jahren, am 1. Oktober 1970 um 9 Uhr, wurde das Shop-Ville eröffnet. Die Bahnhofpassage ist gut im Schuss, der Platz darüber ist eine Verkehrswüste. Darum müssen Tabus über Bord geworfen werden.
Fünfzig Jahre und kein bisschen weiser
Vor fünfzig Jahren, am 1. Oktober 1970 um 9 Uhr, wurde das Shop-Ville eröffnet. Die Bahnhofpassage ist gut im Schuss, der Platz darüber ist eine Verkehrswüste. Darum müssen Tabus über Bord geworfen werden.
Fotos: Michael Wolgensinger (Baugeschichtliches Archiv), Pläne: Werner Huber
Am 1. Oktober 1970 um 9 Uhr morgens begann in Zürich die Zukunft. Die Polizeimusik spielte, Stadtrat Ernst Bieri hielt eine Rede, sagte «Shop-Ville ahoi!» und schnitt das blau-weisse Band durch. Die Bahnhofpassage sei «ein Schmuckstück für Zürich und die ganze Schweiz», ja, sie sei «die schönste ihrer Art in ganz Europa». Davon wollte sich das Publikum sogleich überzeugen und fuhr zahlreich über eine der 19 Rolltreppen in den Untergrund. Die neue Welt suchte ihresgleichen. Die Bahnhofpassage, in einem Publikumswettbewerb ‹Shop-Ville› getauft, war nicht nur eine Unterführung, sondern ein H-förmiges Netz von Hallen und Passagen, das sich, von Läden gesäumt, unter der ganzen Fläche des Bahnhofplatzes erstreckte. Die Passage trug die Handschrift der Gebrüder Pfister – nicht der legendären Otto und Werner, sondern jene von Ottos Söhnen Hans und Kurt. Mit dem rötlichen, bald ‹Schwartenmagen› genannten Kunststeinboden, den gläsernen Ladenfronten und der markanten Decke aus Blech- und Lichtpaneelen hatten die Architekten eine Atmosphäre geschaffen, die zwischen innen und aussen oszillierte.
Um zu ermessen, welchen Eindruck das Shop-Ville damals machte, muss man sich das Zürich jener Zeit vor Augen halten. In den Boomjahren nach dem Zweiten Weltkrieg wurde gebaut wie nie zuvor: Wohnungen und Bürohäuser, Fernstrassen und Autobahnen. Das passierte hauptsächlich an den Rändern der Stadt. Für die Innenstadt wälzte man zwar grosse Pläne für einen autogerechten Umbau, doch vorerst passierte nichts. Die Blechlawine überrollte das Stadtzentrum und verdrängte die Fussgänger an den Rand. Der Hauptbahnhof galt als Abbruchobjekt, sein Zustand war entsprechend. Alle warteten auf seinen Neubau, und das Shop-Ville war der erste Mosaikstein der Zukunft. Nahtlos sollte es dereinst an den neuen Bahnhof anschliessen, und unter dem Passagenboden waren schon die SeitenwÃ...
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