Baukunst statt Kunst am Bau

Karl Moser ist in aller Munde: Vor 150 Jahren wurde er geboren, vor 100 Jahren wurde das von ihm erbaute Kunsthaus in Zürich eröffnet, 2010 erschien im gta Verlag eine auch im Wortsinne schwergewichtige, doppelbändige Monographie und bis gestern Sonntag lief im Kunsthaus die Ausstellung «Architektur und Kunst» über Karl Moser.



Als Abschlussveranstaltung hielt am Freitag Stanislaus von Moos einen Vortrag mit dem Titel «Karl Moser und die Synthese». Darin thematisierte von Moos die Affinität Mosers zur Kunst, die schon in dessen frühen Jahren bestanden hatte und, genährt von der Gesamtkunstwerkidee der Arts & Craft-Bewegung, ins Zentrum seines Schaffens gerückt war. Synthese umschrieb von Moos in diesem Zusammenhang als Integration des Vielgestaltigen in eine Form und stellte diese Suche nach Einheit, die gerade in Mosers späteren – unter anderem von Ferdinand Hodler beeinflussten – Gedanken klar zum Ausdruck kommt, seinem «Stilsynkretismus» gegenüber. Denn nicht umsonst war Karl Moser einst von Peter Meyer als Stilchamäleon bezeichnet worden.

Neben dem «Stilsynkretismus» sprach von Moos auch über die «Raum-Biologie» Mosers im Sinne atmosphärischer Themen, über den für Moser lange Zeit uninteressanten Lackmustest der Moderne namens «Rationalismus» als Streben nach Materialeffizienz, über das Primat konstruktiver Logik sowie über die von Moser praktizierten «Einheit durch Massstabssprung». Des weiteren stellte von Moos die Elektrotechnik als Gleitmittel des Übergangs vom Historismus zum Jugendstil dar und kehrte schliesslich zu den sozialen Prozessen der Synthese aller Künste zurück: Soll die Architektur als Führerin der Künste deren weitgehende Autonomie befördern und das Zusammenwirken sicherstellen oder soll sie noch stärker auftreten und die Kunst inkorporieren?

In Mosers Werk zeigen sich beide Tendenzen und so meinte von Moos, dass gerade seine späteren, brünstigen Architekturformen eine Entwicklung andeuten, die von Moos auch in Le Corbusiers plastischem Spätwerk in Ronchamp oder in Frank Gehrys Oeuvre manifestiert sieht. Letzten Endes sprach sich von Moos für das Neben- und Miteinander der Künste aus und bezeichnete das Kunsthaus selbst als Geniestreich, bei welchem die grossen Metopen von Carl Burckhardt nicht von den Ordnungslinien der Architektur kontrolliert werden und trotzdem durch die Rückbindung in die Fläche «verarchitekturisiert» sind. Heute dagegen bedeutet «Kunst am Bau» allzu oft nur eine im Nachhinein in einen öden Lichthof gehängte Installation und so brannte die Frage zum Schluss, wie die Gegenwart die damalige Meisterschaft mit den ihrigen Verfügung Mitteln erreichen kann.

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Kommentare

Stanislaus von Moos 03.03.2011 02:25
Danke, Palle Petersen, für diese ebenso sorgfältige wie bündige Zusammenfassung eines Vortrags, der - entsprechend dem Ort (Kunsthaus) und dem Anlass (Abschluss der Moser-Ausstellung) - wohl in mancher Hinsicht etwas kapriziös geraten war. Umso erfreulicher (für den Referenten), dass das Publikum Geduld zeigte und der Rezensent neben der Sachkenntnis (wofür Hochparterre ja bekannt ist) auch Verständnis für die Situation. Nochmals Danke!
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