Zuoberst verschwindet der Baukörper aus dem Blick und den Gedanken. Zwölf letzte Stufen führten vom Obergeschoss aufs Dach. Es scheint, als könnte man wie von einem Sprungbrett ins Grün der umstehenden Baumwipfel hineinhüpfen. Und es wird klar, was der Architekt Jachen Könz meint, wenn er sagt: «Das Haus ist von oben nach unten entworfen worden.» Hier oben, auf der Dachterrasse der Casa Sciaredo, öffnen sich die Sinne. Hier hat die Textilkünstlerin und Violinistin Georgette Klein (1893–1963) viele Tage und im Sommer auch Nächte verbracht. Hierhin hat sie sich zurückgezogen, um ihre Gedanken zu sammeln und sich der Musik zu widmen. ###Media_4### Im Geschoss darunter wird geschlafen. Die Tageszone ist im Erdgeschoss: Wohnzimmer, Küche und ein schmales, langgezogenes Atelier, in dem Klein ihre Textilkunstwerke und Marionnetten schuf. Jedes Zimmer hat direkten Zugang zum Garten: kreatives Schaffen im Dialog mit der Natur. Die Winterthurer Künstlerin hatte das Haus 1932 selbst entworfen. «Dieses Haus ist wie ein Kleid, das mir passt», schrieb sie in ihr Tagebuch. Gebaut hat es ihr Mann Luigi Tentori, ein Tessiner Elektriker. Ohne Architekturausbildung, aber beeinflusst von Le Corbusier und dem Neuen Bauen in der Deutschschweiz schufen sie gemeinsam das erste moderne Wohnhaus im Tessin. ###Media_3### Mit minimalen Mitteln wurde das Gebäude 1999 renoviert. Weil die Materialien nicht optimal gewählt waren, zeigten das Blechdach und die Fassade bald erneut Schäden. Eine zweite Sanierung war unumgänglich; diesmal mithilfe der Denkmalpflege, weil das Haus seit einigen Jahren unter Schutz steht. «Es war eine Spurensuche», erinnert sich Jachen Könz. An einer Hausecke entdeckten er und die Denkmalpflegerin einen letzten Rest der ursprünglichen Fassadenfarbe: Die zweite Sanierung nimmt das hellere Gelb wieder auf. Bei den Fenstern fanden sie Farbschichten in unterschiedli...