Im Konservieren kommt sowohl ein Konzentrieren als auch ein Nicht-Loslassen-Wollen zum Ausdruck.

Festhaltendes Teilen

Eva Grüninger studiert ‹Vermittlung von Kunst und Design› an der HGK Basel und hat sich mit dem Festhalten und Teilen von Erinnerungen auseinandergesetzt – anhand von eingemachten Lebensmitteln.

Mit dem Einmachen von Lebensmitteln wird eine momentane Situation eingefangen und festgehalten. Im Konservieren kommt sowohl ein Konzentrieren als auch ein Nicht-Loslassen-Wollen zum Ausdruck. Inhalte werden von der Gegenwart in die Zukunft getragen. Die Verben ‹festhalten› und ‹teilen› können als Antonyme gelesen werden – und doch stehen sie sich in meinem Projekt nicht gegenüber, sondern sind vereint. Beides, das Festhalten und das Teilen kommen als zentrale Aspekte in meiner Arbeit ‹festhaltendes teilen› zusammen, die im Rahmen meines Studiums der Vermittlung von Kunst und Design an der HGK Basel FHNW entstanden ist.


Das Faltblatt animiert, über den Moment, die Erinnerung und das Festhalten nachzudenken.

Intuitiv und dem saisonalen Angebot entsprechend entscheide ich, welche Lebensmittel ich einlegen, kochen oder einmachen möchte. Die gefüllten Gläser teile ich samt dazugehörenden Faltblatt mit meinen Freund:innen. Anhand von Fragen auf dem Faltblatt werden diese dazu animiert, über den Moment, die Erinnerung und das Festhalten nachzudenken und ihre Antworten zu notieren. Erst das Teilen schafft die Gelegenheit, dass mir diese individuellen Gedanken mitgeteilt werden. Wenn meine Freund:innen ihre Gedanken in Wörter fassen, halten sie wiederum einen Moment fest und teilen diesen bei der Rückgabe des leeren Glases mit mir. Demzufolge wiederholt sich der Akt des Teilens im Verlauf des Prozesses.

Während des Einmachens der Lebensmittel kommen mir Erinnerungen und Gedanken in den Sinn, die ich mit den Produkten verbinde. Diese halte ich fest. So schreibe ich Sätze wie: «Rosmarin erinnert mich an Südfrankreich. Jetzt, rund 900 Kilometer nördlicher, hänge ich den Erinnerungen jenes Ortes nach. Ich frage mich, ob mich der Geschmack des Gelees dorthin zurücktragen kann.» Oder auch: «Das Aus-der-Hand-geben finde ich schwierig. Abwarten, den Dingen Zeit geben und dabei Randperson sein.»


Dem saisonalen Angebot entsprechend entscheidet Eva Grüninger, welche Lebensmittel sie einlegt, kocht oder einmacht.

Ich lasse das Ende des Projektes bewusst offen. Es ist davon abhängig, ob und wann mir meine Freund:innen das leere Glas und ihre Notizen zurückgeben möchten. Es gibt keine Vorgabe, das Eingemachte innerhalb einer bestimmten Frist zu gebrauchen. Ich möchte es zudem den Empfänger:innen überlassen, ob sie ihre Gedanken auch wirklich mit mir teilen möchten.

Zwar wäre der Prozess für mich bereits in sich geschlossen, wenn ich die eingemachten Produkte lediglich teilen würde. Allerdings möchte ich meine Freund:innen durch den Akt des Teilens dazu einladen, etwas von sich selbst mit mir zu teilen. Das Teilen der Gedanken lässt mich in der Vergangenheit liegende Momente in der Gegenwart ein Stück weit miterleben und es entsteht eine neue Version dieses Momentes in meiner Vorstellung. Die Erinnerungen anderer Menschen werden dadurch auch ein wenig zu meinen.

Ich bin der Meinung, dass Momente des Festhaltens und des Teilens auch in der Vermittlungsarbeit von grundlegender Bedeutung sind. Bestehendes aus den Bereichen Kunst und Design wird wahrgenommen, aufgegriffen und wiederum mit anderen Menschen geteilt. Es geht darum, Zugänge zu schaffen – in einem sich ständig in Bewegung befindenden Prozess, der von den daran partizipierenden Personen gestaltet wird. Die Arbeit ‹festhaltendes teilen› versucht, eigene Erinnerungen vom Inneren ins Äussere zu tragen, ihnen Raum zu geben und sich über deren Bewahrung bewusst zu werden.

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