«Im Stadtraum sind Solaranlagen an Fassaden sehr präsent»

Katrin Gügler, die Direktorin des Amts für Städtebau, zu den Herausforderungen, die der solare Ausbau für den Städtebau in Zürich mit sich bringt.

Mit Unterstützung von EnergieSchweiz

Katrin Gügler, die Direktorin des Amts für Städtebau, zu den Herausforderungen, die der solare Ausbau für den Städtebau in Zürich mit sich bringt.

Die Potenzialstudie, die der Photovoltaik-Strategie der Stadt Zürich zugrunde liegt, hat ermittelt, dass sich auf Zürichs Dächern jährlich rund 500 GWh Solarstrom produzieren liessen. Zurzeit sind es magere 39 GWh, bis 2030 will die Stadt immerhin 120 GWh pro Jahr erreichen. Was bedeutet dieser Ausbau für das Stadtbild? Wie wird Zürich 2030 aussehen und wie 2050?

Katrin Gügler: Wir entwerfen zwar keine räumlichen Zukunftsbilder in Bezug auf die Solarenergie, aber es ist klar, dass der Ausbau der Photovoltaik sich beschleunigen und die Dachlandschaft von Zürich verändern wird. Diese wird – je nach Ausgestaltung der Anlagen, besonders auf Satteldächern – heterogener. Und aufgrund der Topografie der Stadt wird diese Veränderung auch sichtbar sein. Die negativen Auswirkungen auf die Dachlandschaft, auf die ‹fünfte Fassade›, wird sich aber in den meisten Quartieren in Grenzen halten. Artikel 32a der Raumplanungsverordnung fordert eine genügende Anpassung der Anlagen, und zudem beraten und sensibilisieren wir die Bauherrschaften. Auch Photovoltaik-Anlagen an Fassaden werden häufiger geplant und realisiert. Sie sind im Stadtraum sehr präsent, und deshalb ist – wie bei jeder Fassade – neben wirtschaftlichen Aspekten auch die Gestaltung zentral. Der Kanton Zürich hat für den Bau Mindestanforderungen im Meldeverfahren festgelegt, aber es ist noch nicht klar, wie sich das auswirken wird. Oft genügen verhältnismässig kleine Anpassungen an den Anlagen, etwa die Farbe oder die Materialisierung von Modulen, Rahmen und Leitungen, um sie deutlich besser einzuordnen. Was sich bereits jetzt zeigt: Es ist wichtig, Solaranlagen an Fassaden von Anfang an als integralen Bestandteil mitzudenken, sorgfältig zu gestalten und zu planen. Nachträglich aufgesetzte Photovoltaik-Anlagen lassen sich in der Regel schlechter in den Stadtraum einpassen.

Seit September 2022 verlangt das kantonale Energiegesetz bei Neubauten, dass sie einen Teil der benötigten Elektrizität selbst erzeugen. Wie wirkt sich das in Zürich aus?

Katrin Gügler: Bei Neubauten lässt sich eine Solaranlage zur Eigenstromerzeugung in der Regel gut in das Gesamtkonzept integrieren. Für Fassadenanlagen fehlt allerdings sowohl bei Bauherrschaften als auch bei Architektinnen oft noch die Erfahrung. Auf den Dächern wiederum können in der Stadt mit ihren eher hohen baulichen und sozialen Dichten Konflikte mit anderen Nutzungsansprüchen auftauchen: Nicht nur im Sommer nutzen die Menschen die Dächer gerne als Freiräume. Weiter braucht es Platz für technische Aufbauten. Da und dort gibt es noch Vorbehalte, ökologisch wertvolle Dachbegrünungen und Solaranlagen zu kombinieren. Aber es gibt auch Hinweise auf Synergien: So kann die Leistungsfähigkeit einer Anlage im Sommer durch kühlende Dachbegrünung steigen – wie sehr, muss sich erst noch zeigen. Ähnliche Herausforderungen sind bei den Fassaden zu erwarten.
 

Tatsächlich haben wir durch die gesetzlichen Erleichterungen nun kaum noch Einfluss im Planungsverfahren.

 

Seit Januar 2023 genügt im Kanton Zürich auch für Anlagen an Fassaden eine Meldung an die zuständige Baubehörde statt einer Baubewilligung. Lässt sich der solare Ausbau städtebaulich noch lenken?

Katrin Gügler: Auch im Baubewilligungsverfahren hat Zürich in der Vergangenheit kaum Solaranlagen verweigert. Tatsächlich haben wir durch die gesetzlichen Erleichterungen nun kaum noch Einfluss im Planungsverfahren. Es wird deshalb wichtiger, dass wir Bauherrschaften und Architekten beraten und in Leitfäden gute Beispiele vermitteln. Da steht auch der Kanton in der Verantwortung. Darüber hinaus muss die Stadt bei ihren eigenen Bauten und Anlagen ihrer Vorbildfunktion auch bezüglich Gestaltung und Integration von Solaranlagen gerecht werden. Eine neue Herausforderung aus gestalterischer Sicht sind Plug- & Play-Photovoltaik-Anlagen an Balkonen, die Mieterinnen und Mieter in der Regel nachträglich und ohne Koordination installieren. Da ist die Einordnung in ein architektonisches Gesamtkonzept nicht steuerbar.

Die Stadt als solares Kraftwerk? Noch weiss niemand, wie sie aussehen wird. Die Fotografen Jojakim Cortis und Adrian Sonderegger haben schon mal angefangen, an ihr zu basteln. Das Themenheft «Solaris #7 zeigt ihre augenzwinkernden Collagen.

 

Frei stehende Solaranlagen in der Stadt mit ihrer Bevölkerungsdichte sehen wir äusserst kritisch und auch im Widerspruch zu einer haushälterischen Bodennutzung.

 

Wie verknüpft das Amt für Städtebau den solaren Ausbau mit den laufenden Planungsprozessen zur baulichen Verdichtung, zur Verbesserung des Stadtklimas und mit weiteren Aufgaben gemäss kommunalem Richtplan?

Katrin Gügler: Wegen der genannten Erleichterungen sind die Berührungspunkte zu übergeordneten planerischen Aufgaben in der Stadt Zürich und auch die Steuerungsmöglichkeiten relativ gering – solang es sich um Solaranlagen auf Dächern und an Fassaden handelt, die Anforderungen gemäss Raumplanungsverordnung erfüllt sind und auf Gebiete und Objekte mit erhöhten Anforderungen an die Einordnung, also Schutzobjekte oder das Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), Rücksicht genommen wird. Hingegen möchten wir die Freiräume, die für eine qualitativ hochwertige Umsetzung der Siedlungsentwicklung nach innen so wichtig sind, auch bei einem Ausbau der Solarenergie konsequent schützen. Frei stehende Solaranlagen in der Stadt mit ihrer Bevölkerungsdichte sehen wir äusserst kritisch und auch im Widerspruch zu einer haushälterischen Bodennutzung.

Wie verläuft die Zusammenarbeit zwischen dem Amt für Städtebau und dem Energieversorger EWZ?

Katrin Gügler: Dafür haben wir die Arbeitsgruppe Photovoltaik-Strategie gebildet. Durch ihre breite Abstützung kann sie definieren, welche Kriterien für Vorbildprojekte gelten und wie diese überprüft werden sollen. Sie kann Energie- und Klimaziele, Wirtschaftlichkeit und Gestaltung integral betrachten.

Auf welcher Grundlage beurteilt das Amt für Städtebau Solaranlagen an Fassaden und auf Dächern heute und in Zukunft, falls sie in der BZO zur Pflicht werden?

Katrin Gügler: Zurzeit wählt die Arbeitsgruppe Photovoltaik-Strategie ‹Best-Practice›-Beispiele für Fassadenanlagen aus. Daran testen wir dieselben Kriterien, die wir auch in der übergeordneten Betrachtung ‹Bauen an der Stadt› anwenden. So können wir transparent und systematisch beurteilen. Die sechs Kriterien lauten: städtebaulicher Kontext; Baukörper; Topografie; Erschliessung; architektonischer Ausdruck; Farbe / Material. Sie bilden die Grundlage für die Beurteilung der «befriedigenden Gesamtwirkung» gemäss Paragraf 238.1 des kantonalen Planungs- und Baugesetzes, die in einem Baubewilligungsverfahren eine hoheitliche Aufgabe des Amts für Städtebau darstellt.

 

Katrin Gügler

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