Theorie des ‹Muubeeri›

Berns wunderlichstes Hallenbad ist nicht mehr. In Anlehnung an Alfred Polgars berühmte ‹Theorie des Café Central› hat der Architekt Martin Klopfenstein einen literarischen Nachruf verfasst.

Fotos: Marco Frauchiger

Berns wunderlichstes Hallenbad ist nicht mehr. In Anlehnung an Alfred Polgars berühmte ‹Theorie des Café Central› hat der Architekt Martin Klopfenstein einen literarischen Nachruf verfasst.

Das ‹Muubeeri› nämlich war kein Bad wie andere Bäder, sondern vielmehr: viel mehr. Mindestens aber eine Weltanschauung, und zwar eine, deren innerster Inhalt es war, die Welt nicht anzuschauen (dafür lagen die Fenster zu hoch). Denn so viel steht erfahrungsgemäss fest: dass niemand im ‹Muubeeri› war, in dem nicht ein bisschen ‹Muubeeri› zurückgeblieben wäre, das heisst, in dessen Blut nicht etwas ‹Muubeeri›-Serum vorkäme, eine Mischung aus Schweiss, Kalklöser und Klinkerstaub – doch davon später. Ob der Ort sich den Menschen, die Menschen sich dem Ort angeglichen hatten, das ist strittig. «Nicht du bist in dem Ort, der Ort, der ist in dir», sagt der cherubinische Wandersmann bei Angelus Silesius. Wenn man alle Anekdoten, die von diesem Bad erzählt werden, auf kleiner Flamme kocht, wird sich ein trübes, irisierendes, schwer nach Chlor riechendes Süppchen entwickeln; das sogenannte Fluidum des ‹Muubeeri› oder des ‹Hallenbads Hirschengraben› (wie es offiziell hiess). Es war ein ganz besonderes Fluidum, nämlich jenes einer absoluten (und relativen) Unzeitgemässheit. Man konnte sicher sein, dass eine Nicht-Renovation die nächste Nicht-Renovation nach sich ziehen würde, ganz zu schweigen von den vorvergangenen Nicht-Renovationen. Das bestimmte das Klima dieses Raums, ein Klima, in dem das Lebensunfähige dieses Bauwerks bei voller Wahrung seiner Lebensunfähigkeit gedieh. Ganz erfassen wird das nur der richtige ‹Muubeeriist›, die richtige ‹Muubeeriistin›, der, die – nun aus dem Bad ausgesperrt – die Empfindung hat, ins raue Leben hinausgestossen zu sein, preisgegeben den wilden Zufällen, Anomalien und Grausamkeiten der Fremde. Einer Fremde, die sich fortan ‹Schwimmhalle Neufeld› nennt, furchtbar abgelegen und schrecklich zeitgenössisch (siehe ‹Noch mehr Wellen für Bern›). ###Media_2### Wie die Fische im Aquarium lebten die S...

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