Die Stadt über dem Dorf

Einst ratterten in den grossen Fabrikgebäuden die Textilmaschinen, jetzt wird hier gewohnt. Stoffel Mels heisst das Ensemble aus Alt und Neu, das hoch über der Gemeinde Mels im Sarganserland thront.

Fotos: Roman Keller

Einst ratterten in den grossen Fabrikgebäuden die Textilmaschinen, jetzt wird hier gewohnt. Stoffel Mels heisst das Ensemble aus Alt und Neu, das hoch über der Gemeinde Mels im Sarganserland thront.

Genau 32 Sekunden Liftfahrt liegen die beiden Welten auseinander: unten, in der Talebene, das Dorf Mels, oben, auf der ersten Geländestufe, Stoffel Mels, ein Ensemble aus umgenutzten Fabrikbauten und neuen Wohnhäusern. Den Schräglift, der das Unten mit dem Oben verbindet, belächelten anfangs alle. Schliesslich gibt es ja eine Strasse und einen Bus, der nach oben führt. Doch heute wird der Lift viermal häufiger benutzt als erwartet. «Gut, dass wir den Schräglift an die Gemeinde abtreten konnten», sagt David Trümpler. Er ist Geschäftsleiter der Alten Textilfabrik Stoffel AG (ATS), die das Projekt initiiert und gemeinsam mit den Architekten Michael Meier und Marius Hug umgesetzt hat. Aus der Ferne betrachtet, erinnern die Bauten hoch über dem Dorf an den Potala-Palast in Lhasa, an die Akropolis einer griechischen oder den Kreml einer russischen Stadt. Und das Bild verleitet dazu, die Geschichte von mächtigen Fabrikherren zu erzählen, die hier ihren Einfluss durch wuchtige Bauten manifestieren, das Dorf beherrschend, die Arbeiterinnen und Arbeiter unterdrückend. Doch die Wahrheit ist profan: Hier gab es die Wasserkraft der Seez, die der Fabrikant Jakob Schuler-Heer für seine Spinnerei und Weberei benötigte. Mit der Aussicht auf Arbeitsplätze sagten die Melser 1867 Ja zu Schulers Plänen. 1875 drehten sich in der Spinnerei 20 000 Spindeln, zwei Jahre später standen 140 Webstühle bereit. Bald arbeiteten hier 600 Melserinnen und Melser, aber auch Auswärtige. Ihnen gab die Fabrik ein Auskommen, das sie sich durch harte Arbeit an langen Tagen und für niedrige Löhne verdienen mussten.   ###Media_2### So profan wie der Anfang war auch das Ende der Fabrik. 1920 hatte der St. Galler Beat Stoffel die Textilfabrik übernommen und ausgebaut. In den 1960er-Jahren wurde ein amerikanischer Konzern Mehrheitsaktionär. Zunächst wurde noch investiert, doch bald leiteten weitere...

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