Das Forschungszentrum in Kemptthal gibt aussen wenig von sich preis. Im Innern bauen die Architekten auf den Dialog zwischen verspieltem Atrium und gläsernem Forschungslabor.
Das Maggi-Areal in Kemptthal ist im Umbruch. Begrenzt von Kanal und Gleisen auf der einen und der Strasse auf der anderen Seite haben sich die Bauten des Industrieareals ab 1886 in Längsrichtung ausgedehnt. Einen neuen Abschluss am südlichen Ende bildet das Zurich Innovation Center von Givaudan, bestehend aus drei Bauteilen: aus einem wenig schmucken Laborbau aus den 1980er-Jahren und aus zwei neuen länglichen Baukörpern, die zusammen ein fünfeckiges Atrium generieren. Das Ensemble greift die Geometrie des Ortes auf: Der Flusslauf ist für den Knick zwischen Alt- und Neubau verantwortlich, der im talseitigen Gebäudetrakt wiederholt wird.
Mit ihrer strengen, vertikalen Gliederung sowie den grossformatigen Fenstern schafft die Fassade Bezüge zu den historischen Fabrikbauten auf dem Areal mit ihren Backsteinfassaden. Die Architekten verwendeten für die Hülle dasselbe Material. Nur wurden die Backsteine fürs Forschungszentrum zweifach gebrannt, was ihnen eine dunkle Färbung verleiht und sie gleichzeitig widerstandsfähiger macht. Das Material und die Backsteinform schafft Verbindung, die Veredelung bringt zum Ausdruck, dass eine neue Gebäudegeneration ins Areal Einzug hielt.
Erschliessung, Begegnung, Veranstaltung
Auf Einladung kann man einen Blick auf die 300 hochtechnologischen Forschungs- und Büroarbeitsplätze werfen, die hinter dem schlichten Klinkerkleid liegen. Im gedrungenen, eher dunklen Empfangsbereich lenken zwei hohe Pflanzensäulen den Blick nach oben ins weite, helle Atrium, wo sich Lichtbänder kreuzen und Tageslicht durch ein grosses Oberlicht fällt. Eine einläufige Treppe führt ins erste Obergeschoss. Dort beginnt das Atrium, das sich über drei Geschosse ausdehnt. Es nimmt die Geometrie der verschiedenen Gebäudeteile auf. Kunstlichtbänder, die die geschwungenen Balkone, Treppenläufe und Brücken nachzeichnen, verleihen dem Luftraum Dynamik.
Drei Höfe durchdringen das Atrium, das Erschliessungsfläche, Begegnungszone, Arbeitsort und Veranstaltungsraum zugleich ist. Die Pflanzsäulen und die lineare Beleuchtung schaffen eine artifizielle innere Welt. «Das Atrium bringt am besten zum Ausdruck, dass in diesem Haus etwas Neues passiert, dass sich an diesem Ort ein Wandel vollzieht», erklärt der Architekt Peter C. Jakob. «Zudem kommt ihm eine wichtige Integrationsfunktion zu: Es bindet den Neubau und den bestehenden Laborbau zusammen und lässt so alle Angestellten an den Qualitäten dieses Raums teilhaben.»
Hinter und vor dem Glas
Dieser weite Luft- und Lichtraum ist das Herzstück des Gebäudes. Rundherum sind Labors und Büros angeordnet. Die gläsernen Wände tragen die Tätigkeiten der Mitarbeiter ins Atrium, machen deutlich, dass die Forschung im Zentrum steht. Besucher oder auch Angestellte sehen, wie Forscherinnen und Laboranten zwischen den raumhohen, mit Fläschchen, Trichtern und allerhand chemischen Substanzen bestückten Zeilen arbeiten. Auf der anderen Laborseite, zur Aussenseite orientiert, befinden sich Computerarbeitsplätze, an denen Mitarbeiter Messungen und Resultate festhalten und vergleichen. Es sind helle Arbeitsplätze, denn durch die grossen Fenster fällt Tageslicht – bis tief in die beidseitig verglasten Labors.
In Weiss- und helle Grautöne getüncht präsentieren sich – im Kontrast zur Atmosphäre des Atriums – sowohl die Labors als auch die Büros bewusst kühl. Sie stehen für sauberes Arbeiten und effizientes Forschen. Farbakzente setzen höchstens die vielen Gerätschaften. «Die Büros und die Labors sind auf das konzentrierte Arbeiten ausgerichtet», sagt Peter C. Jakob. «Die Angestellten werden dazu animiert, mehrmals pro Tag den Arbeitsplatz zu wechseln.» Das fördere die Bewegung und den Austausch, so Jakob. Im Atrium herrscht eine warme Atmosphäre, erzeugt vom dunklen Eichenholz der Böden und Möbel. Die streng aufgereihten, langen Tische mit ihren kleinen goldfarbenen Lämpchen sind als Erweiterung der Büroarbeitsplätze gedacht. Sie erinnern deshalb nicht zufällig an eine Bibliothek. Auch die Treppenkaskaden sind mehr als eine raumwirksame Erschliessung: Sie laden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein, Treppen zu steigen und auf den Lift zu verzichten.
Farben statt Düfte
Wer sich in die gegenüberliegenden Enden des Atriums begibt, trifft auf kleinere Ausstellungs- und Aufenthaltsbereiche. Die Farben der Sitzmöbel erinnern an einige Duft- und Aromastoffe, die im Forschungszentrum entwickelt werden. Hocker in der Form hellgelber und grüner Punkte wecken Assoziationen an Zitrusfrüchte. Die fast geschlossenen, runden Sitznischen sind mit dunklen roten und grünen Stoffen ausgekleidet – Farben, die an ein Erdbeerfeld im Sommer erinnern. Nur eines sucht, wer in diesem Haus der Nase nach geht, vergebens: Woran in den Labors geforscht wird, lässt sich nicht durch Riechen erraten. Hochtechnische Duft- und Aromaforschung tritt an die Stelle der Maggi-Suppenküchen, die dem ganzen Kemptthal immer wieder eine würzige Duftnote verliehen.
Dieser Artikel ist Teil des Themenfokus «Sinnliche Forschung», den Hochparterre in Zusammenarbeit mit Bauart Architekten und Planer zum Forschungszentrum von Givaudan in Kemptthal erstellt hat.
Studienauftrag, 2014
Für das Zurich Innovation Center hat Givaudan 2014 einen Studienauftrag an sechs Architekturbüros vergeben: Das Unternehmen für Riechstoffe und Aromen mit weltweit mehr als 9500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zentralisiert auf dem ehemaligen Maggi-Areal in Kemptthal seine Forschungsarbeitsplätze. Die eingeladenen Architekturbüros sollten einen Vorschlag für die Architektur und die Organisation der rund 20’000 Quadratmeter Geschossfläche für rund 300 Mitarbeitende aus den Bereichen Riechstoffe und Aromen sowie für die Administration machen. Explizit war im Studienauftrag formuliert, dass das neue Gebäude Kreativität und Zusammenarbeit zwischen Teams und Disziplinen fördern soll. Bauart Architekten und Planer konnten die Konkurrenz mit einem Projekt für sich entscheiden, das den bestehenden Bau aus den 1980er-Jahren geschickt mit zwei neuen Gebäuden und einem alle Baukörper verbindenden Atrium in der Mitte zu einem Ensemble verwebt. Die kompakte Anordnung und der im Vergleich zu anderen Projekten geringe Flächenverbrauch versprachen zudem tiefe Kosten. Weitere Teilnehmer des Studienauftrags: Boltshauser Architekten, Zürich; Christ & Gantenbein Architekten, Basel; Fawad Kazi Architekt, Zürich; Peter Märkli Architekt, Zürich, und Nissen Wentzlaff Architekten, Basel.
Givaudan Zurich Innovation Center, 2018
Kemptpark 50, Kemptthal ZH
Bauherrschaft: Givaudan Schweiz, Dübendorf
Generalplaner und Architektur: Bauart Architekten und Planer, Zürich, Bern und Neuenburg
Verantwortliche Partner: Peter Jakob, Yorick Ringeisen
Gesamtleiter Generalplaner: Stefan Fuchs
Projektleiter Planung: Roland Stadelmann
Mitarbeit: Gina Baur, Miguel Gomez, Urs Meili, Pascal Plüer, Caroline Scholtze, Benjamin Schütz, Jeanette Vernale
Auftragsart: Studienauftrag, 2014
Baumanagement: Demmel Bauleitungen und Beratungen, Wagen
Kostenplanung: PBK, Zürich
Landschaftsarchitektur: Krebs und Herde, Winterthur
Bauingenieure: Schnetzer Puskas, Zürich
HLKKS-Ingenieure: Beag Engineering, Winterthur
Elektroingenieure: Schmidiger + Rosasco, Zürich
Laborplanung: Dr. Heinekamp, Basel
Bauphysik und LEED-Zertifizierung: Intep, Zürich
Brandschutzplanung: Wälchli Architekten, Bern
Innenbegrünung: Schrämmli Landschaftsarchitektur, Brugg
Fassadenplanung: Atelier P3, Zürich
Gastroplanung: Hpmisteli und Partner, Bern
Audio- und Videoanlagen: Tingo, Muri
Lichtplanung: Lightsphere, Zürich
Signaletik: Hinder Schlatter Feuz, Zürich
Werkleitungen und Verkehr: EWP, Effretikon
Türengineering: QSB, Schaffhausen
Baukosten (BKP 1–9): Fr. 120 Mio.