Während die Chemikerinnen und Laboranten neue Düfte und Aromen entwickeln, sorgt im Forschungszentrum in Kemptthal eine aufwendige Belüftungsanlage für ein geruchs- und geschmacksneutrales Arbeitsumfeld.
Rund 30’000 Riechzellen in unserer Nase und an die 4000 Geschmacksknospen in unserem Mund sorgen dafür, dass wir riechen und schmecken können. Diese Zellen und Knospen stehen im Mittelpunkt der Arbeit der Duft- und Aromaspezialisten von Givaudan. Sie sorgen dafür, dass wir ein Parfüm anziehend finden, die Zahnpasta frisch oder das Joghurt nach Erdbeere schmeckt. Bei der Arbeit in den Laboratorien des Zurich Innovation Center in Kemptthal dürfen die Riechzellen und Geschmacksknospen der Chemikerinnen und Laboranten nicht von fremden Düften und Aromen abgelenkt werden. Möglichst frische und neutrale Luft ist deshalb nötig. Bis zu 175’000 Kubikmeter davon werden pro Stunde ins Gebäude hineingeblasen und wieder abgesaugt. Sieben Kilometer Leitungen sowie fünf Steigzonen verteilen die Luftmengen, mehr als 2000 Sensoren überwachen laufend Qualität und Menge.
Unterdruck schafft Sicherheit
Ihre Reise beginnt die Frischluft fünfzig Meter vom Gebäude entfernt im 14 Meter hohen Aussenluftkamin. Der Abstand war wegen der Nähe zur Autobahn, zur Zugstrecke und zu den bestehenden Abluftanlagen nötig. Die Kaminhöhe und die Lage versprechen möglichst saubere Luft. Vom Kamin gelangt sie durch grosse Schächte und Feinstaubfilter ins Untergeschoss in die Lüftungszentrale. Diese ist 70 Meter lang, 20 Meter breit und 6 Meter hoch. Über zwei Ebenen steht hier je eine Anlage für die Zu- und die Abluft. Diese sogenannten Monoblocks enthalten alle für den Lüftungsbetrieb notwendigen Anlagen wie Ventilatoren, Filter und Einrichtungen zur Konditionierung der Luft. In den Zuluft-Monoblocks wird sie gekühlt oder erwärmt sowie befeuchtet und über die unterirdischen Energiekanäle in die fünf Hauptsteigzonen weitergeleitet. Diese versorgen die drei Gebäudetrakte. Pro Stockwerk und Trakt erschliessen jeweils horizontale Kanäle, die unter der Decke hängen, die Büro- oder Laborflächen. Zu- und Abluftkanäle verlaufen in zwei klar getrennten Ebenen übereinander. Das vereinfacht spätere Anpassungen bei Umbauten. «Diese schlüssige und flexible Lösung war nur dank dem grossen Verständnis der Architekten für unsere Arbeit und den Platzbedarf möglich», sagt Marcel Gisler, Ingenieur und Mitinhaber des laborerfahrenen Büros Beag. An den horizontalen Versorgungskanälen docken Stichleitungen für die einzelnen Räume an. Volumenstromregler und – je nach Nutzung des Raums – zusätzliche Filter sorgen dafür, dass an jedem Ort die richtige Luftmenge in der gewünschten Qualität ankommt. Durch andere Stichleitungen wird die verbrauchte Luft wieder zurück in die Zentrale befördert und gelangt schliesslich über einen Steigschacht nach draussen.
Während die Grobverteilung der Luft in allen drei Gebäudetrakten analog funktioniert, unterscheidet sich die Feinverteilung im Detail – je nachdem, ob es sich um Büros oder Labors handelt. In den Büros genügt ein einfaches Konzept mit Zu- und Abluftöffnungen in den abgehängten Deckenbereichen. In den Laborbereichen hingegen ist der Luftaustausch auch wichtig für die Sicherheit. Im Mittelpunkt stehen dabei die Kapellen – so heissen die durch Schiebefenster geschützten Arbeitsbereiche in den Labors. Damit die Mitarbeitenden darin gefahrlos experimentieren können, werden die dort entstehenden, potenziell gefährlichen Dämpfe möglichst rasch abgesaugt und die gleiche Menge Frischluft ins Labor wird nachgeführt. Eine spezielle Herausforderung war zudem die Nähe der Labors zum Foyer mit der Caféteria. Einzig Glaswände trennen die beiden Bereiche. Damit keine heiklen Stoffe ins Foyer gelangen, herrscht in den Labors Unterdruck. Dadurch könnte aber umgekehrt Kaffeeduft in die Laborräume strömen und dort die Forschungsarbeit stören. Deshalb wird der Kaffeeduft direkt über den Maschinen in der Caféteria abgesaugt, und die warme Küche ist in einem separaten Raum untergebracht.
Vorhandene Energie nutzen
Die grossen Luftmengen, ihre Verteilung und Konfektionierung benötigen viel Energie. Deshalb haben die Ingenieure besonders effiziente Ventilatoren verwendet, die mithilfe der 2000 Sensoren gesteuert werden und nur dort und nur so viel blasen und saugen, wo und wie es nötig ist. Andererseits kommt ein ausgeklügeltes Energiemanagement zur Anwendung: «Oberste Priorität hat die Weiternutzung der vorhandenen Energie», sagt Marcel Gisler. Die Wärme aus der Abluft beispielsweise wird deshalb mittels Wärmetauscher für die Temperierung der Zuluft verwendet. Reicht die Wärme der Abluft nicht aus, kommt eine Wärmepumpe zum Einsatz, die ein Feld mit 72 Erdsonden als umweltfreundliches Medium für die Raumheizung nutzt. «Aufgrund der vielen technischen Geräte in den Räumen muss oft eher gekühlt als geheizt werden», sagt Fachplaner Gisler. Auch hierzu dient das Erdsondenfeld als umweltfreundliche Energiequelle: Im Sommer kann diesem direkt Kälte entzogen und für die Kühlung der Zuluft verwendet werden. Umgekehrt wird überschüssige Wärme aus dem Gebäude zurück ins Feld geleitet und dieses so langfristig bewirtschaftet.
Dieser Artikel ist Teil des Themenfokus «Sinnliche Forschung», den Hochparterre in Zusammenarbeit mit Bauart Architekten und Planer zum Forschungszentrum von Givaudan in Kemptthal erstellt hat.
Gold fürs Energiekonzept
Givaudan liess sein Forschungszentrum in Kemptthal nach dem Zertifizierungssystem ‹Leadership in Energy and Environmental Design› (Leed) zertifizieren. Das internationale Gebäudelabel bewertet und misst in neun Bereichen, nach welchen Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ein Bau entwickelt, geplant und realisiert wird. Das Forschungs- und Laborgebäude im Kemptthal erreicht 65 von maximal 110 Punkten. Es erhält damit den Zusatz ‹Gold›, die zweithöchste Labelqualitätsstufe. ‹Leed Platin› standen die dezentrale Lage des Areals und die ungenügende Anbindung an den öffentlichen Verkehr im Weg.
Drei übergeordnete Ziele leiteten die Planer bei der Entwicklung des Nachhaltigkeitskonzepts: Optimierung der Energieeffizienz, Reduktion des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen sowie Einsatz von erneuerbaren Energien. Die höchste Punkteanzahl in der Zertifizierung gab das Energiekonzept. Es umfasst erstens die Nutzung von fünf Prozent erneuerbarer Energie über eine Photovoltaikanlage, zweitens eine Wärmeerzeugung durch eine Erdsondenanlage, drittens eine Wärmepumpe und viertens Abwärmenutzung, etwa der Abluft. Eine wichtige Rolle spielt auch die Gebäudehülle. Sie entspricht den Anforderungen von Minergie-P. Ihr Fensteranteil von knapp fünfzig Prozent macht nicht nur den Sichtbezug fast aller regelmässig genutzten Flächen in die Landschaft möglich, sondern erhöht auch die Tageslichtnutzung in regelmässig genutzten Bereichen wie Sitzungszimmer oder Cafeteria. Energie spart auch, dass nicht alle Räume beheizt sind: das Erdgeschoss nur teilweise, das Untergeschoss gar nicht. Für die Hülle und auch die Innenräume wurden ökologisch gut bewertete Materialien gewählt. Auch der Wasserverbrauch wurde optimiert: Die WCs und Lavabos benötigen im Vergleich zu herkömmlichen Armaturen nur geringe Wassermengen. Punkte gab auch die Förderung nutzerorientierter Arbeitsplätze. Dazu gehören etwa begrünte Aussenflächen, gesundes Raumklima und Möblierung nach neuesten technischen und ergonomischen Ansprüchen.