Steinerne Hülle, gläserner Kern

Das Forschungszentrum in Kemptthal gibt aussen wenig von sich preis. Im Innern bauen die Architekten auf den Dialog zwischen verspieltem Atrium und gläsernem Forschungslabor.

Fotos: Georg Aerni
In Zusammenarbeit mit Bauart

Das Forschungszentrum in Kemptthal gibt aussen wenig von sich preis. Im Innern bauen die Architekten auf den Dialog zwischen verspieltem Atrium und gläsernem Forschungslabor.

Das Maggi-Areal in Kemptthal ist im Umbruch. Begrenzt von Kanal und Gleisen auf der einen und der Strasse auf der anderen Seite haben sich die Bauten des Industrieareals ab 1886 in Längsrichtung ausgedehnt. Einen neuen Abschluss am südlichen Ende bildet das Zurich Innovation Center von Givaudan, bestehend aus drei Bauteilen: aus einem wenig schmucken Laborbau aus den 1980er-Jahren und aus zwei neuen länglichen Baukörpern, die zusammen ein fünfeckiges Atrium generieren. Das Ensemble greift die Geometrie des Ortes auf: Der Flusslauf ist für den Knick zwischen Alt- und Neubau verantwortlich, der im talseitigen Gebäudetrakt wiederholt wird.

Das Zurich Innovation Center schliesst das Maggi-Areal im Süden ab. Der Flusslauf ist für den Knick in der Fassade verantwortlich.

Grossflächige Fenster und eine strenge Backsteinfassade nehmen Eigenheiten der benachbarten Fabrikbauten auf.

Mit ihrer strengen, vertikalen Gliederung sowie den grossformatigen Fenstern schafft die Fassade Bezüge zu den historischen Fabrikbauten auf dem Areal mit ihren Backsteinfassaden. Die Architekten verwendeten für die Hülle dasselbe Material. Nur wurden die Backsteine fürs Forschungszentrum zweifach gebrannt, was ihnen eine dunkle Färbung verleiht und sie gleichzeitig widerstandsfähiger macht. Das Material und die Backsteinform schafft Verbindung, die Veredelung bringt zum Ausdruck, dass eine neue Gebäudegeneration ins Areal Einzug hielt.

 

Im eher dunklen Empfangsbereich lenken zwei hohe Pflanzensäulen den Blick nach oben ins helle Atrium.

Erschliessung, Begegnung, Veranstaltung
Auf Einladung kann man einen Blick auf die 300 hochtechnologischen Forschungs- und Büroarbeitsplätze werfen, die hinter dem schlichten Klinkerkleid liegen. Im gedrungenen, eher dunklen Empfangsbereich lenken zwei hohe Pflanzensäulen den Blick nach oben ins weite, helle Atrium, wo sich Lichtbänder kreuzen und Tageslicht durch ein grosses Oberlicht fällt. Eine einläufige Treppe führt ins erste Obergeschoss. Dort beginnt das Atrium, das sich über drei Geschosse ausdehnt. Es nimmt die Geometrie der verschiedenen Gebäudeteile auf. Kunstlichtbänder, die die geschwungenen Balkone, Treppenläufe und Brücken nachzeichnen, verleihen dem Luftraum Dynamik.

Luftiges Zentrum des Hauses: Das Atrium ist Erschliessungsfläche, Begegnungszone, Arbeitsort und Veranstaltungsraum in einem.

Drei Höfe durchdringen das Atrium, das Erschliessungsfläche, Begegnungszone, Arbeitsort und Veranstaltungsraum zugleich ist. Die Pflanzsäulen und die lineare Beleuchtung schaffen eine artifizielle innere Welt. «Das Atrium bringt am besten zum Ausdruck, dass in diesem Haus etwas Neues passiert, dass sich an diesem Ort ein Wandel vollzieht», erklärt der Architekt Peter C. Jakob. «Zudem kommt ihm eine wichtige Integrationsfunktion zu: Es bindet den Neubau und den bestehenden Laborbau zusammen und lässt so alle Angestellten an den Qualitäten dieses Raums teilhaben.»

Böden und Möbel in dunklem Eichenholz verleihen den Flächen rund ums Atrium eine wohnliche Atmosphäre.

Diese Zonen sind vielseitig nutzbare Erweiterungen der Büroarbeitsplätze.

Hinter und vor dem Glas
Dieser weite Luft- und Lichtraum ist das Herzstück des Gebäudes. Rundherum sind Labors und Büros angeordnet. Die gläsernen Wände tragen die Tätigkeiten der Mitarbeiter ins Atrium, machen deutlich, dass die Forschung im Zentrum steht. Besucher oder auch Angestellte sehen, wie Forscherinnen und Laboranten zwischen den raumhohen, mit Fläschchen, Trichtern und allerhand chemischen Substanzen bestückten Zeilen arbeiten. Auf der anderen Laborseite, zur Aussenseite orientiert, befinden sich Computerarbeitsplätze, an denen Mitarbeiter Messungen und Resultate festhalten und vergleichen. Es sind helle Arbeitsplätze, denn durch die grossen Fenster fällt Tageslicht – bis tief in die beidseitig verglasten Labors.

Blick in einen Besprechungsraum zwischen Atrium und Labor: Die gläsernen Wände machen die Tätigkeiten der Mitarbeiter sichtbar und fördern den informellen Austausch.

Gebaute Transparenz: Alle Labors haben Bezug zum Atrium, sind aber auch durch einen Mittelgang miteinander verbunden.

In Weiss- und helle Grautöne getüncht präsentieren sich – im Kontrast zur Atmosphäre des Atriums – sowohl die Labors als auch die Büros bewusst kühl. Sie stehen für sauberes Arbeiten und effizientes Forschen. Farbakzente setzen höchstens die vielen Gerätschaften. «Die Büros und die Labors sind auf das konzentrierte Arbeiten ausgerichtet», sagt Peter C. Jakob. «Die Angestellten werden dazu animiert, mehrmals pro Tag den Arbeitsplatz zu wechseln.» Das fördere die Bewegung und den Austausch, so Jakob. Im Atrium herrscht eine warme Atmosphäre, erzeugt vom dunklen Eichenholz der Böden und Möbel. Die streng aufgereihten, langen Tische mit ihren kleinen goldfarbenen Lämpchen sind als Erweiterung der Büroarbeitsplätze gedacht. Sie erinnern deshalb nicht zufällig an eine Bibliothek. Auch die Treppenkaskaden sind mehr als eine raumwirksame Erschliessung: Sie laden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein, Treppen zu steigen und auf den Lift zu verzichten.

Skulpturale Abkürzung: Jeweils an den beiden gegenüberliegenden Enden des Atriums verbinden elegante Wendeltreppen die Etagen.

Die klammerförmigen Sitznischen sind mit farbigen Stoffen ausgekleidet – das Rot erinnert an Erdbeeren.

Farben statt Düfte
Wer sich in die gegenüberliegenden Enden des Atriums begibt, trifft auf kleinere Ausstellungs- und Aufenthaltsbereiche. Die Farben der Sitzmöbel erinnern an einige Duft- und Aromastoffe, die im Forschungszentrum entwickelt werden. Hocker in der Form hellgelber und grüner Punkte wecken Assoziationen an Zitrusfrüchte. Die fast geschlossenen, runden Sitznischen sind mit dunklen roten und grünen Stoffen ausgekleidet – Farben, die an ein Erdbeerfeld im Sommer erinnern. Nur eines sucht, wer in diesem Haus der Nase nach geht, vergebens: Woran in den Labors geforscht wird, lässt sich nicht durch Riechen erraten. Hochtechnische Duft- und Aromaforschung tritt an die Stelle der Maggi-Suppenküchen, die dem ganzen Kemptthal immer wieder eine würzige Duftnote verliehen.

Licht und Landschaft ins Haus: Der südliche Gebäudeteil ist gegen den Flussraum und die Landschaft grossflächig verglast.

Situationsplan
Erdgeschoss: Altbau (1), Eingang/Empfang (2), Laborarbeitsplätze (4).
1. Obergeschoss: Altbau (1), Büroarbeitsplätze (3), Laborarbeitsplätze (4), Café (5), Besprechungskojen (8).
2. Obergeschoss: Altbau (1), Büroarbeitsplätze (3), Laborarbeitsplätze (4), Ausstellung (6), Besprechungskojen (8).
3. Obergeschoss: Altbau (1), Büroarbeitsplätze (3), Laborarbeitsplätze (4), Ausstellung (6), Bitbliothek (7), Besprechungskojen (8).
Querschnitt Süd
Querschnitt Mitte
Querschnitt Nord
Längsschnitt

 

Dieser Artikel ist Teil des Themenfokus «Sinnliche Forschung», den Hochparterre in Zusammenarbeit mit Bauart Architekten und Planer zum Forschungszentrum von Givaudan in Kemptthal erstellt hat.

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